03.02.2021, 5554 Zeichen
Was Louis und Billy Ray vor gut 40 Jahren mit den Duke Brüdern Randolph und Mortimer im John Landis Klassiker „Die Glücksritter“ anstellten, war einer jener Filme, die dem Publikum signalisierten, dass es auch Chance gibt, gegen das etablierte Wall Street Management zu siegen. Heute heißen die Proponenten Alan, Vladimir oder Baijou, oder anonymisieren sich hinter Gruppen wie Robinhood oder Wallstreetbets, die emotionale Richtung ist aber die gleiche, nämlich es denen da Oben zu zeigen. Die Demokratisierung der Börse als Mittel zum Zweck, denn Gewinne zu erzielen ist das Ziel geblieben.
Die an den Börsen entstehenden Bewegungen sind auf den ersten Blick wenig verständlich, schießen die Kurse etlicher wenig profitabler Unternehmen plötzlich ungebremst nach Oben während gleichzeitig die Rufe immer lauter werden, den (pauschal als böse angesehenen) Hedgefonds die Deals zu versalzen. Die Menge johlt, die nicht betroffenen Profis schmunzeln oder kratzen sich am Kopf, die betroffenen Hedgefunds jagen von einer Krisensitzung in die andere.
Ein Blick auf die Instrumente an diesem Schauplatz offenbart die jeweiligen Zielrichtungen, beleuchtet ziemlich schonungslos Schwachstellen und eröffnet damit Hoffnung, dass die eine oder andere künftige Anpassung nicht nur diese Trades objektiviert, sondern auch manche Unarten verunmöglicht, die den „etablierten Profis" ihr isoliertes Vorgehen bisher erleichterte.
Diese Instrumente sind in erster Linie auf den Umstand von Leerverkäufen gerichtet. Wie so etwas geht ganz kurz: man leiht sich Aktien aus, verkauft diese, hofft, dass der Kurs der Aktie fällt und versucht sich die Stücke dann später wieder günstiger zurück zu kaufen. Ein umgekehrter Investmentprozess also. Emotional ein leichter Vorteil für die Verkäufer, denn herkömmliche AnlegerInnen tendieren eher dazu stärker auf Kursrückgänge zu reagieren. Emotional hat der Kursrückgang daher meist die höheren kurzfristigen Ausschläge. Für einen Leerverkäufer aber auch kein einfaches Geschäft, denn sein Verlustrisiko ist im Unterschied zum normalen Investor größer als 100%, weil der Kurs der verkauften Aktie ja viel mehr als 100% steigen kann, er seinen Leerverkauf aber nur bis maximal 100% (sollte die Aktie auf Null fallen) eindecken kann. Soweit so komplex. Aber die Krux liegt woand ers begraben. Einerseits nehmen sich manche Leerverkäufer ziemlich viele Rechte beim Kommentieren der Unternehmen, die sie "beglücken", heraus. Negativ-Analysen, Chat Foren mit üblen Andeutungen, Diskreditierungen in Sozialen Medien oder einfach nur die Ankündigung noch mehr verkaufen zu wollen, setzen den Kurs der jeweiligen Aktie einem gewaltigen Druck aus. Auch agieren sie immer wieder „in Concert“ mit anderen Hedgefunds, sodass sich eine auserkorene Aktie sicher sein kann gleich von mehreren Leerverkäufern „beglückt“ zu werden. Die Frage woher die geliehenen Aktien für die Leerverkäufe eigentlich stammen, bleibt dabei nicht immer vollständig beantwortet. In manchen leerverkauften Aktien sind dermaßen große Summen unterwegs, dass man sich wirklich fragt, wer denn hier so bereitwillig seine Stücke verborgt, nur damit Andere den Kurs zertrümmern? Es gibt sicher Antworten darauf, aber vielleich t sind das genau die Aufsichtsorgane, die hier am ehesten für Klarheit sorgen könnten.
Neben den gerade schlagzeilenträchtig kommentierten Aktionen gibt es noch einen, relativ „normalen“, Grund für die Wertpapierleihe. Es passiert nämlich manchmal, dass Aktien die jemand gekauft hat, vom Verkäufer nicht geliefert werden können, weil irgendein Prozess zwischen den jeweiligen Depotbanken sich verhakt hat. Kann durchaus passieren im globalen Börsenhandel. Für diese Problembehandlungen wurde die Wertpapierleihe eben gefunden und eingesetzt. Die, die ganzen Depottransaktionen überwachenden Kontrollbanken haben sich daran gewöhnt, dass sich solche Lieferschwierigkeiten ohnehin innerhalb der jeweiligen Geschäftspartner von selbst lösen und haben ihre Funktion, hier falls etwas hakt kontrollierend einzugreifen, immer weniger eingesetzt. Eine dieser Regeln besagt nämlich, dass, wenn ein Geschäftspartner nicht die jeweiligen Aktien liefern kann, auf seine Rechnung diese Aktien am Markt eingek auft werden und er dafür die Rechnung bezahlen muss. Diese Aufforderung zum Eindecken kommt aber zumeist relativ spät. Nicht selten werden Geschäfte erst einige Tage verspätet geschlossen. Diese Zeit ohne erfolgte Lieferung vom Verkäufer könnte ja auch als versteckter Leerverkauf ohne Leihe von Aktien interpretiert werden. Zu fragen, ob das nicht ein wenig mehr Kontrolle verdienen würde, sei erlaubt.
Wir lesen derzeit so enorm viel über all jene Werte, die steigen und fallen, wie nie zuvor und was denn da dahinter an Abenteuer abgeht. Die Regulatoren schreiten bereits mächtig auf diese Bühne und versuchen wieder "Normalität" herzustellen. Sicher nicht einfach, aber vielleicht eine Gelegenheit, auch etwas zu verbessern. Eine solche Verbesserung wäre es, die Transparenz zu erhöhen. Und zwar für alle Beteiligten. Der, der verkauft, der, der verleiht und der, der kauft, bilden eine Einheit wo zumindest derjenige, der verleiht manchmal vielleicht gar nicht weiß, dass er dabei ist. In Zeiten von MiFID II wo der Schutz und die Information der AnlegerInnen so wichtig geworden sind, wäre eine erhöhte Transparenz die auch die Leihegeber miteinschließt gar nicht mal so verkehrt.
Wetten, dann wird sich Vieles an jetzt akklamierter Unfairness aufhören …
(Der Input von Wolfgang Matejka für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 03.02.)
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