18.12.2020, 5813 Zeichen
Ein Jahr der Erkenntnisse. Woran werden wir uns in 10 Jahren erinnern wenn es um 2020 geht? Zehn Jahre sind ja gar nicht so lange, da müsste ja doch einiges hängen bleiben. Also was wird es sein? COVID-19 natürlich ganz weit vorne, aber werden wir uns vielleicht daran erinnern, dass in 2020 so einige Tabus gebrochen, Erkenntnisse gewonnen und dadurch Weichen gestellt wurden, die unser Leben neu ausgerichtet haben?
Also was ist da jetzt passiert? Naja, der Wandel der Politik ist mit Sicherheit dramatisch. Vergessen wir einmal das Trump-Theater und blicken wir auf die EU. Von einer restriktiven Sparpolitik, die regelmäßig die Existenz der Eurozone auf die Probe stellte, wandelte sie sich zum, mit schier unerschöpflichen Mitteln gesegnetem Füllhorn, das jeden noch so langen wirtschaftlichen Stillstand offenherzig finanziell überbrückte. Wer hätte das gedacht. Auch die Eurobonds werden kommen und schon fließen die Milliarden viel leichter. Deficit Spending überall. Schuldenbremsen werden über Nacht abgeschafft und John Maynard Keynes reihenweise Denkmäler gesetzt. Ein Schelm wer Böses dabei denkt, denn irgendwann muss man das ja zurückzahlen, oder doch nicht? Vielleicht gelingt uns ja der geistige Spagat auf’s Zurückzahlen ganz zu vergessen. Wenn es Alle machen, könnte es sogar funktionieren. Das Heureka schmeckt dann aber doch etwas schal im Mund…
An den Kapitalmärkten hat man auch ganz schön etwas lernen können, wenn man wollte. Da wäre zum Beispiel die Enttarnung der so hoch gelobten ETFs, deren Liquiditätslüge ganz sicher die Ausprägung des Crashs vom März bestimmte. Denn wenn dies alles nur SARS CoV-2 geschuldet gewesen wäre, wieso kam dann nach dem Settlement der März-Derivate kein weiterer Druck auf, gerade wenn die Fallzahlen später teilweise sogar um den Faktor 10 erhöht waren? Ganz klar, es war eine komplette Überforderung der Liquidität der Kapitalmärkte die danach eine Ausrede gebraucht hatte. Ein Zeichen, welch enorme Beträge mittlerweile an den Kapitalmärkten gehandelt werden. Die Orientierung an Liquidität ist ein Indiz dafür geworden wie oberflächlich und pauschal dabei gehandelt wird. Der Bezug zwischen Investment und Investition ist in solchen Transaktionen komplett verloren gegangen. Man kauft keine Unternehmensanteile mehr, man handelt nur mehr Liquidität und Volatilität.
Wären wir bei den Regulatoren angelangt. Denen sind solche Gedanken noch fremd, sich mit dem intellektuellen Ziel von Investments auseinander zu setzen. Die sind in ihren Regeln gefangen, die allesamt in 2020 den Stresstest nicht überlebt hatten, aber so tun mussten, als ob es der Fall gewesen wäre. Basel 3, MiFID II, Solvency 2, alles regulatorische Vorgaben, die weder vor dem Crash, noch die Flexibilität, noch die Kraft der jeweiligen Branchen geschützt hatten. Der einzige Schutz blieb wie schon zuvor die Kaufkraft der Notenbanken, die wieder einmal ins Volle griffen und den Finanzsektor refinanzieren halfen. Hilfestellung oder kreative Auslegung kamen von regulatorischer Seite keine. Im Gegenteil, die Aufforderung an die Banken, nach einem Jahr des Dividendenverbots maximal 20% ihrer Gewinne als Dividenden auszuschütten kommt einem Offenbarungseid gleich, denn es beweist entweder, dass die vorher geforderten Risikomaßnahmen alle sinnlos waren, oder enttarnt das Festhalten am Ziel diesen Sektor auf keinen Fall aus der so angenehmen Finanz-Kontrolle entlassen zu wollen. Dazu kommt noch die Angst vor Blamagen à la Wirecard oder Commerzialbank, die die revolutionären Potentiale lähmen. Ach ja, die seit über einem Jahr versprochene Novelle von MiFID II samt Schutz der „kleineren“ Aktien hat sich im Stress der Pressekonferenzen mittlerweile zum Novell-chen reduziert, das noch ein paar Monate brauchen wird, bis es endlich aus dem Brutkasten der Bürokratie ins Licht der Parlamente entlassen wird. Der große Wurf verkümmert zum Stolperer.
Last but not least, die Vorgänge an den Kapitalmärkten selbst. Während sich die Bondmärkte unter dem Sog der Notenbanken rasch wieder aufrichten durften und danach die Staatsanleihen der EU zur Stasis verdonnert wurden, kämpfen die Aktienmärkte ihren eigenen Kampf. Zwischen US-Investoren, die in Euroland endlich Bewegungspotential finden und institutionellen Anlegern der EU, die das Glück des Investments in der Gewichtung der Dezimale hinterm Komma der Null-Gewichtung suchen, spielen sich die täglichen Dramen ab. Die Marktteilnehmer kämpfen dabei alle um ihr Überleben, versuchen durch hektisches Hin- und Herhandeln ihre Funktion zu bestätigen und schaffen damit nur Risikoängste. Dringend erforderliche Transparenz bleibt in der Hektik der Märkte unbehandelt. Falschinformationen treiben scham- und straflos ihr Unwesen. Die ETFs sind wieder da in voller Pracht, und der so lange ersehnte Swing vom Momentum-Investment hin zum Value-Investment wird gerade zum Momentum-Value-Investment hochgejubelt. Die Zeiten der Automaten an den Portfolien sind definitiv nicht vorbei.
Wen wundert‘s dann noch, wenn man sich nicht mehr an den großen Erkenntnisgewinnen Anderer orientiert, wenn diese ohnehin nur ihr eigenes Interesse im Trubel des Jahres umsetzen konnten. Vielleicht ist dieses Jahr dadurch für uns der Zeitpunkt geworden, auch über uns selbst nachzudenken. Home Office und Digitalisierung arbeiten sich als Beispiel gerade unaufhaltsam in unsere Arbeitsprozesse und unser Generalverständnis hinein. Auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Investment, Stichwort „ESG“, wird unsere Kapitalmärkte immer stärker prägen.
2020 wird uns vielleicht gar nicht als Jahr politischer oder wirtschaftlicher Umwälzungen in Erinnerung bleiben, sondern als eine Zeit wo wir danach Alle im täglichen Resilienztraining mehr zu uns selbst gefunden haben.
(Der Input von Wolfgang Matejka für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 18.12.)
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