17.06.2020, 3778 Zeichen
Die Börsen werden immer Dollar. Wer glaubt, die allgegenwärtige Autokorrektur hat im Titel zugeschlagen der irrt. Der „Dollar“ ist bewusst geschrieben. Es tut sich nämlich etwas in der globalen Reservewährung, dem Schutzmantel gegenüber allen kriselnden, durch unkontrollierte Inflationen verfallenden Währungen. Der Dollar schwächelt.
Die Gründe für diese Bewegung liegen auf der Hand und werden fast täglich mehr, es ist nur die Frage wie lange und wie tief die Verschiebung wird. So wurde erst vorgestern ein 1 Billionen-Dollar Infrastrukturprogramm vorgestellt. Davon gab es ja in der Vergangenheit schon Dutzende, aber die wurden immer nur angekündigt, kaum verwirklicht. Dieses dürfte „Dank Corona“ etwas mehr an Realität genießen dürfen als die anderen. Bleibt die Frage nach der Finanzierung, und die wird die Verschuldung der USA auf zumindest 118% des BIP hinaufschießen. Die eben für Österreich gemeldeten 90% sind da ja geradezu vorbildlich. Was für ein Glück, dass so ziemlich alle Rating-Agenturen in den USA sitzen. Man kann annehmen, dass es daher genauso wie zuletzt immer laufen wird - es wird beim Rating … gar nichts passieren. Hauptsache beim Rest der Welt bleibt man kritisch.
Aber die USA verlieren auch an anderer Seite. Die Covid-19 Effekte werden im Home of the Brave stärker und länger spürbar bleiben als in vielen anderen Ländern. Auch die Frage nach einer zweiten Welle stellt sich hier immer wieder, und das verschreckt Investoren, die sich längerfristig binden wollen. Genauso sind dadurch die Kapitalströme gerade im Befinden sich billigeren und auch bald besseren Wirtschaftsräumen zuzuwenden. Europa ist so ein Platz. Seit Wochen erklären wir uns mit Kopfkratzen, dass die Märkte eben „durch die Krise durchblicken“, in Wirklichkeit ist ein starker Investment-Swing aus den USA spürbar. US-Anleger erkennen und analysieren nämlich die europäische Situation und Position und greifen zu. Es wird auf lange Sicht kaum eine andere Asset-Klasse als eben Aktien geben die noch wirklichen realen Return versprechen. Wer glaubt, dass Renditen von Staatsanleihen in diesem Verschuldungsum feld und einer solchen Macht der Notenbanken wieder steigen dürfen der braucht einen gewaltig langen Atem oder viel Fantasie. Und bis dahin ist er in seitwärts unter der Nulllinie dahinfliegenden Staatsschulden glücklich investiert. Europäische Investoren stehen trotzdem gegenüber den Aktien fast alle noch immer auf der Seitenlinie und erklären sich gegenseitig das Risiko der Aktienmärkte während sie bei der nächsten Negativ-Bondrendite kräftig zugreifen.
Und last but not least sind die US-Bondrenditen auf dem Weg, in Richtung ihrer europäischen Pendents zu gelangen. Real, nach Inflation betrachtet, sind sie bereits negativ. Der Unterschied und somit der Renditevorteil ist gerade rapide im Schwinden. Die volkswirtschaftlichen Daten der Verschuldung und des Wirtschaftsausblicks beginnen zu überwiegen. Man kauft daher Investments außerhalb der USA. Die Annahme, es könnte ja auch einmal der Euro aus Sicht eines US-Investors steigen und den Gesamtertrag bestimmen, gewinnt an Attraktivität.
Ob es die Staatsschulden von bereits über 3 Billionen US-$ sind, oder die Covid-19 Statistiken, oder die alternativen Bewertungen, es fließt derzeit mehr Geld aus den USA hinaus als hinein. Angesichts der Erfahrungen aus vergangenen Tagen wäre es daher nicht überraschend bald irgendeinen Vorwurf des US-Präsidenten wegen unlauterer Praktiken bei Irgendwas, verbunden mit massiven Drohungen gegen Altbekannte (Autos, Technik, Telekom, Rotwein,…) zu hören. Nur wird sich der Schrecken und Überraschungseffekt dann ziemlich rasch abbauen, denn wir wissen ja warum das passiert.
(Der Input von Wolfgang Matejka für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 17.06.)
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