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#gabb aktuell



04.06.2020, 6250 Zeichen

Willkommen zum #gabb 600! Man kann Zeit nicht kaufen. Dennoch ist dies eine oft eingesetzte Redewendung. 2012 hat die EZB im Umfeld der EURO-Krise den Staaten Zeit gekauft. „Whatever it takes“ – so die Worte des damaligen EZB-Chefs Mario Draghi. Der unausgesprochene Deal seinerzeit war relativ klar. Die Notenbank kümmert sich um die Finanzierbarkeit der Staatsschulden, indem sie Staatsanleihen aufkauft und die Zinsen deutlich unter das natürlich logische Niveau drückt. Die Staaten nutzen dieses Geschenk an Zeit und auch an Zins, um durch Sanierung der Budgets die eigene Refinanzierbarkeit wiederherzustellen. Hat der Deal funktioniert? Die Notenbank hat Wort gehalten. Haben das die Staaten auch? Manche haben Einschnitte gemacht, manche haben das Zinsgeschenk dankend angenommen und wenig darüber geredet. Italien hat die geschenkte Zeit definitiv verstreichen lassen. Damit stehen wir beachtliche acht Jahre später wieder bei Stunde Null. Die EURO-Zone diskutiert. Wo beginnt und wo endet die finanzielle Solidarität? Am Ende des Tages gab es einen durchaus bemerkenswerten Kompromiss in Form einer Kombination aus Zuschüssen und Darlehen. In der Welt vor Corona ein kaum mehrheitsfähiger Weg. Es kann gut sein, dass dies im Rückblick als Trendwende in der europäischen Staatsschuldenfrage eingestuft werden wird. Insgesamt gibt es hier den detailverliebten technischen oder den pragmatischen Zugang. Wer vor einer Vergemeinschaftung der europäischen Schulden warnt , sollte einen Blick in die EZB-Bilanz werfen.

„WHATEVER IT TAKES“ – ZUM ZWEITEN...
„Koste es, was es wolle.“ Das Draghi-Zitat findet sich aktuell wieder in zahlreichen Kommentaren und Reden. Die Notenbanken und auch die Politik kaufen Zeit – einmal mehr. US-Notenbank-Chef Powell hat dies in jüngsten Interviews bemerkenswert klar auf den Punkt gebracht. Die Wirtschaft wird ihr Potential erst dann entfalten können, wenn ein Corona-Impfstoff flächendeckend einsetzbar ist. Denn erst dann wird der so wichtige Konsum auf breiter Front wieder anspringen. Und diese Zeit bis dahin müssen die Notenbanken und die Politik überbrücken, mit Geldpolitik und mit Fiskalpolitik. Koste es, was es wolle.

HISTORISCH, JA. BIS JETZT...
Die Dimension der Pakete der Staaten und der Notenbanken ist historisch. Aber der Begriff „historisch“ beschreibt letztendlich nur die Erkenntnis, dass etwas bisher noch nicht stattgefunden hat. Meine persönliche Berufserfahrung schließt auch die Lehman-Pleite 2008 und die EURO-Krise 2012 mit ein. Beim Stöbern in meinen damaligen Kommentaren stelle ich fest, dass ich die seinerzeitigen Notenbankaktivitäten als „wahrlich historisch“ bezeichnet habe, was stimmte. Aber: Was damals historisch war, wirkt im Vergleich mit der aktuellen Dimension geradezu lächerlich klein. Auch aus dieser Erkenntnis sollten wir lernen.

DAS ANLAGERDILEMMA...
Damit ist das aktuelle Anlegerdilemma gut beschrieben. Was gewichte ich höher? Die harten Fakten aus der Welt der Wirtschaft, die Rezession, die klar sinkenden Unternehmensgewinne, die gekürzten Dividenden, der wohl noch einige Zeit nicht voll anspringende Konsum, die Möglichkeit einer zweiten Corona-Welle. Oder doch die Tatsache der massiven und „historischen“ – zumindest bis jetzt – Aktivitäten der Notenbanken und der Staaten. Und somit auch die hohe Liquidität, die Veranlagung sucht. Jüngste Zahlen zeigen, dass alleine in den USA derzeit über 4000 Milliarden Dollar in Cash-Fonds liegen, wo sie angesichts eines Nullzinses auch in den USA nicht ewig bleiben werden. Meine drei Jahrzehnte Berufserfahrung generell und die Lehren der vergangenen zehn Jahre speziell bringen einen Schluss: Wir müssen beides gewichten. Aber: Im Zweifelsfall sind die Faktoren Notenbanken und Liquidität wichtiger als die harten Fakten der Realwirtschaft. Genau deswegen haben wir Sie durch diese Corona-Krise mit einem Leitsatz begleitet: Wir bleiben investiert, wenn auch nicht auf Anschlag.

NÜCHTERN BETRACHTET – DER LANGFRISTBLICK...
In der Geldanlage geht es nicht darum auf jenes Szenario zu setzen, das man für richtig findet, sondern darauf, was man als wahrscheinlich einstuft. Schon vor der Corona-Krise hatten wir zwei Kernthesen: Die Zinswende findet auch im neuen Jahrzehnt nicht statt und die Rückführung der aufgeblähten Notenbankbilanzen ist kaum möglich. Diese beiden Thesen sind nun in einer Dimension einzementiert, die wir uns nicht annähernd vorstellen hätten können.

Oft wird in diesen Tagen über „alte“ und „neue Normalität“ philosophiert. In der Geldanlage gibt es keine „neue“ Normalität, wir stehen zu den „alten“ Ratschlägen.

Erstens: Einzementiert tiefen Zinsen stehen Inflationsraten gegenüber, die in den kommenden Jahren eher etwas über dem Schnitt der vergangenen Jahre liegen werden.

Zweitens: Daraus abgeleitet ist und bleibt „Cash“ keine attraktive Anlageform – ungeachtet der Entwicklung der Finanzmärkte des bisherigen Jahres 2020. Negative Realzinsen – zuletzt auch in den USA – verstärken die Logik der Investments in Sachwerte wie Aktien oder Gold.

Drittens: Der Blick auf den regionalen Stahlproduzenten oder Autobauer greift viel zu kurz, um ein Bild über das globale Potential der Wirtschaft zu erhalten. Digitalisierung und Gesundheit werden in einer „Welt nach Corona“ einen neuerlichen Schub erleben mit höheren Investitionsbudgets als vorher. Die Anlagewelt ist vielfältig – eine Vielfältigkeit, die man nutzen sollte.

Viertens: Es ist kein Zeichen von Schwäche einfach zuzugeben, dass unmittelbare Prognosen für Konjunktur, Börse und Corona-Virus ganz einfach nicht möglich sind. Es wäre dagegen ein Zeichen von Schwäche, sich mit dem aktuellen Informationsstand auf ein eindeutig negatives oder eindeutig positives Szenario festzulegen. Schwarz-Weiss-Denken ist derzeit nicht der richtige Zugang.

Auch wenn es unser Anspruch ist Ihnen neue Gedanken zu liefern, erlauben wir uns an dieser Stelle unsere Zitate der vergangenen drei Monate zu wiederholen. Fahren Sie auf Sicht, aber fahren Sie. Bleiben Sie investiert, wenn auch nicht auf Anschlag. Dies ist nicht phantasielos. Dies ist einfach unsere Überzeugung nach Beurteilung der aktuellen Faktenlage.

Alois Wögerbauer, GF 3 Banken Generali KAG

(Der Input von Alois Wögerbauer für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 04.06.)



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    Alois Wögerbauer anlässlich #gabb 600 erneut mit Friendly Takeover


    04.06.2020, 6250 Zeichen

    Willkommen zum #gabb 600! Man kann Zeit nicht kaufen. Dennoch ist dies eine oft eingesetzte Redewendung. 2012 hat die EZB im Umfeld der EURO-Krise den Staaten Zeit gekauft. „Whatever it takes“ – so die Worte des damaligen EZB-Chefs Mario Draghi. Der unausgesprochene Deal seinerzeit war relativ klar. Die Notenbank kümmert sich um die Finanzierbarkeit der Staatsschulden, indem sie Staatsanleihen aufkauft und die Zinsen deutlich unter das natürlich logische Niveau drückt. Die Staaten nutzen dieses Geschenk an Zeit und auch an Zins, um durch Sanierung der Budgets die eigene Refinanzierbarkeit wiederherzustellen. Hat der Deal funktioniert? Die Notenbank hat Wort gehalten. Haben das die Staaten auch? Manche haben Einschnitte gemacht, manche haben das Zinsgeschenk dankend angenommen und wenig darüber geredet. Italien hat die geschenkte Zeit definitiv verstreichen lassen. Damit stehen wir beachtliche acht Jahre später wieder bei Stunde Null. Die EURO-Zone diskutiert. Wo beginnt und wo endet die finanzielle Solidarität? Am Ende des Tages gab es einen durchaus bemerkenswerten Kompromiss in Form einer Kombination aus Zuschüssen und Darlehen. In der Welt vor Corona ein kaum mehrheitsfähiger Weg. Es kann gut sein, dass dies im Rückblick als Trendwende in der europäischen Staatsschuldenfrage eingestuft werden wird. Insgesamt gibt es hier den detailverliebten technischen oder den pragmatischen Zugang. Wer vor einer Vergemeinschaftung der europäischen Schulden warnt , sollte einen Blick in die EZB-Bilanz werfen.

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    „Koste es, was es wolle.“ Das Draghi-Zitat findet sich aktuell wieder in zahlreichen Kommentaren und Reden. Die Notenbanken und auch die Politik kaufen Zeit – einmal mehr. US-Notenbank-Chef Powell hat dies in jüngsten Interviews bemerkenswert klar auf den Punkt gebracht. Die Wirtschaft wird ihr Potential erst dann entfalten können, wenn ein Corona-Impfstoff flächendeckend einsetzbar ist. Denn erst dann wird der so wichtige Konsum auf breiter Front wieder anspringen. Und diese Zeit bis dahin müssen die Notenbanken und die Politik überbrücken, mit Geldpolitik und mit Fiskalpolitik. Koste es, was es wolle.

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    Die Dimension der Pakete der Staaten und der Notenbanken ist historisch. Aber der Begriff „historisch“ beschreibt letztendlich nur die Erkenntnis, dass etwas bisher noch nicht stattgefunden hat. Meine persönliche Berufserfahrung schließt auch die Lehman-Pleite 2008 und die EURO-Krise 2012 mit ein. Beim Stöbern in meinen damaligen Kommentaren stelle ich fest, dass ich die seinerzeitigen Notenbankaktivitäten als „wahrlich historisch“ bezeichnet habe, was stimmte. Aber: Was damals historisch war, wirkt im Vergleich mit der aktuellen Dimension geradezu lächerlich klein. Auch aus dieser Erkenntnis sollten wir lernen.

    DAS ANLAGERDILEMMA...
    Damit ist das aktuelle Anlegerdilemma gut beschrieben. Was gewichte ich höher? Die harten Fakten aus der Welt der Wirtschaft, die Rezession, die klar sinkenden Unternehmensgewinne, die gekürzten Dividenden, der wohl noch einige Zeit nicht voll anspringende Konsum, die Möglichkeit einer zweiten Corona-Welle. Oder doch die Tatsache der massiven und „historischen“ – zumindest bis jetzt – Aktivitäten der Notenbanken und der Staaten. Und somit auch die hohe Liquidität, die Veranlagung sucht. Jüngste Zahlen zeigen, dass alleine in den USA derzeit über 4000 Milliarden Dollar in Cash-Fonds liegen, wo sie angesichts eines Nullzinses auch in den USA nicht ewig bleiben werden. Meine drei Jahrzehnte Berufserfahrung generell und die Lehren der vergangenen zehn Jahre speziell bringen einen Schluss: Wir müssen beides gewichten. Aber: Im Zweifelsfall sind die Faktoren Notenbanken und Liquidität wichtiger als die harten Fakten der Realwirtschaft. Genau deswegen haben wir Sie durch diese Corona-Krise mit einem Leitsatz begleitet: Wir bleiben investiert, wenn auch nicht auf Anschlag.

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    Oft wird in diesen Tagen über „alte“ und „neue Normalität“ philosophiert. In der Geldanlage gibt es keine „neue“ Normalität, wir stehen zu den „alten“ Ratschlägen.

    Erstens: Einzementiert tiefen Zinsen stehen Inflationsraten gegenüber, die in den kommenden Jahren eher etwas über dem Schnitt der vergangenen Jahre liegen werden.

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