27.03.2020, 10706 Zeichen
Weiter fortgesetzt werden konnte gestern die Erholung an den europäischen Börsen, die damit schon den dritten Tag andauerte. Stützend wirkte einmal mehr die fortgesetzte Kursrally an der Wall Street, nachdem die Corona-Krise zuvor die Börsen weltweit auf rasante Talfahrt geschickt hatte. Nun sorgten die Verabschiedung eines massiven staatlichen Hilfspakets in den USA sowie beruhigende Aussagen von US-Notenbankpräsident Jerome Powell für weiteren Optimismus. Positiv für die Anleger konnte zusätzlich gewertet werden, dass die Europäische Zentralbank bei ihrem neuen Rettungsprogramm zur Bekämpfung der Folgen der Coronavirus-Krise die selbst gesteckten Kaufobergrenzen bei Staatsanleihen fallen gelassen hat, bisher untersagte es das Limit der EZB, über ein Drittel der ausstehenden Anleihen eines Landes zu halten. Der EuroStoxx 50 konnte sich um 1,7% verbessern, der CAC 40 ging mit einem Plus von 2,5% aus dem Handel, der Dax konnte 1,3% vorrücken und schloss ganz knapp über der Marke von 10.000 Punkten und der FTSE 100 in London erreichte einen Zuwachs von 2,2%.
Erneut legten sämtliche europäische Branchen wieder zu, die schwer gebeutelte Freizeit- und Luftfahrtbranche führte mit einem Plus von 7,5% die Sektorenübersicht an. Die besonders konjunkturempfindlichen Rohstoffproduzenten fanden hingegen kaum ins Plus, der Bergbausektor schloss 0,4% höher, der ÖL- und Gassektor befestigte sich lediglich um 0,6%, hier belasten vor allem die wieder sinkenden Ölpreise, unter den Einzelwerten verlor Shell 3,1% und BP sank um 0,7%. Größter Gewinner im EuroStoxx 50 war gestern Airbus, getrieben von der Erholung bei Boeing und der Hoffnung auf staatliche Unterstützung für die Luftfahrtgesellschaften konnte der Titel 20,5% in die Höhe klettern. Nicht ganz so gut lief es für MTU Aero Engines, der deutsche Triebwerkbauer erreichte ein Tagesplus von 10,2%. Die Immobilienbranche in Deutschland litt durch die Bank unter Abgaben, hier machte eine vorübergehende Gesetzesänderung zu Gunsten von Mietern, die wegen der Corona-Krise nicht zahlen könnten, zu schaffen, es kam auch zu Prognosekürzungen, das liess zum Beispiel den Nebenwert Hamborner REIT um 5,2% abrutschen. SMA Solar hingegen bekräftigte die Prognosen für das laufende Geschäftsjahr und fühlt sich durch die Krise wenig betroffen, das liess den Titel um 16,9% ansteigen.
Der ATX tendierte über weite Strecken im Tagesverlauf im negativen Bereich, konnte gegen Ende hin aber die Schwäche abschütteln und schloss 1,9% befestigt. Und das, obwohl die beiden Forschungsinstitute IHS und Wifo ihre aktualisierten Prognosen für die österreichische Wirtschaft in diesem Jahr veröffentlicht haben und aufgrund der Coronakrise einen Rückgang der Wirtschaftsleistung zwischen 2 und 2,5 Prozent erwarten. Auch bei den Einzelwerten stand die Pandemie im Fokus. Die Papiere des ATX-Schwergewichts Erste Group schlossen nach langen Verlaufsverlusten am Ende doch mit einem Aufschlag von 2,1%, am Mittwoch hatte der Bankkonzern bekanntgegeben, seine Hauptversammlung von 13. Mai auf unbestimmte Zeit zu verschieben und die geplante Dividende von 1,5 Euro pro Aktie zu überprüfen. Die Bawag konnte sich um 1,3% verbessern, für die Raiffeisen gab es ein klares Plus von 5,3%. CA Immo hatte am Mittwoch nach Börsenschluss einen Rekordgewinn gemeldet, das Konzernergebnis konnte um nahezu ein Drittel verbessert werden, das bedeutete für den Immobilienkonzern ein Tagesplus von 8,0%. Der Mineralölkonzern OMV will 2020 mehr als 4 Milliarden Euro einsparen, um die Finanzkraft und die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens sicherzustellen und die Versorgungssicherheit mit Energie zu gewährleisten, wie der Konzern am Donnerstag erklärte, der Titel ging unverändert aus dem Handel. Deutlichster Gewinner des Tages war Kapsch TrafficCom, der Mautsystemanbieter erreichte einen Kurssprung von 10,8%. Sehr gesucht war auch wieder der Flughafen Wien, der sich um 8,4% erholen konnte. Des Weiteren zu den klaren Gewinnern zählte die Telekom Austria mit einem Tagesgewinn von 7,0% und die Österreichische Post mit einem Zuwachs von 6,0%. Abgeben musste hingegen FACC, für den Luftfahrtanbieter ging es um 5,0% nach unten, auch die AMAG war wieder weniger gefragt und schloss 4,8% schwächer.
Die Erholung am US-Aktienmarkt hat sich am Donnerstag den dritten Tag in Folge mit Schwung fortgesetzt. Die Bereitschaft, die Wirtschaft mit allen Mitteln zu stützen, die durch das Rettungspaket signalisiert wurde, liess die Anleger zunehmend zuversichtlicher werden. Dass die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe auf ein nie vorher gesehenes Niveau gestiegen war, kam nicht überraschend, auch wenn das Ausmaß so nicht ganz erwartet worden war, konnte aber die wiedergekehrte Zuversicht nur kurzfristig etwas dämpfen. Zu Wort meldete sich außerdem Jerome Powell, der Vorsitzende der US-Notenbank Fed. Zwar befürchtet er, dass sich die USA bereits in einer Rezession befinden könnte, wie er im Fernsehen sagte, schloss zugleich aber weitere Notmaßnahmen im Kampf gegen die Folgen der Virus-Krise nicht aus, der Notenbank werde die Munition nicht ausgehen. Der Dow Jones konnte um weitere 6,4% zulegen, der S&P 500 stieg um 6,2% und der Nasdaq 100 ging 5,7% befestigt aus dem Handel. Boeing war erneut stärkster Titel im Dow Jones mit einer weiteren Erholung von 13,8%. Caterpillar, der weltweit größte Hersteller von Baumaschinen, zog angesichts der aktuellen Situation seine Prognosen für das laufende Jahr zurück, was die meisten Anleger jedoch kaum überrascht haben dürfte, die Aktei beendete den Tag nach anfänglichen Verlusten 5,6% bekräftigt. Apple, das am Vortag noch leicht nachgegeben hatte, erholte sich um 5,3%. Eine Verkaufsempfehlung von Goldman Sachs belastete an der Nasdaq die Aktie des Herstellers von Fleischersatzprodukten Beyond Meat, der Titel sank um 2,6%, Die neu ausgegebenen Ziele des Chip-Herstellers Micron Technology wurden von den Analysten sehr positiv bewertet, was zu einem Anstieg von 5,4% führte.
Nach unten ging es für die Ölpreise, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise dämpfen nicht zuletzt die Nachfrage nach Rohöl erheblich, zugleich zeichnet sich weiter keine Entspannung im Preiskampf zwischen dem Opec-Staat Saudi-Arabien und Russland ab. Brent schloss 2,2% schwächer, für WTI ging es um 4,7% nach unten. Gold konnte in einem im Vergleich zu den letzten Tagen eher ruhigen Handel zulegen und beendete den Tag bei einer Notierung von rund 1.635 US-Dollar. Weiter stark war der Euro gegen den US-Dollar, die Gemeinschaftswährung erreichte eine Notierung von 1,103 gegen Ende des Handels.
Vorbörslich sind die Märkte in Europa heute Freitag zum Wochenschluss zur Eröffnung schwächer indiziert. Die Börsen in Asien tendierten uneinheitlich (China), Japans Börse verzeichnete Kurszuwächse. Unternehmensseitig gibt es Neuigkeiten von AT&S, POLYTEC und OMV (siehe unten). Makroseitig stehen in den USA heute Freitag die persönlichen Einkommen sowie das Verbrauchervertrauen der Universität von Michigan im Fokus der Märkte.
UNTERNEHMENSNACHRICHTEN
OMV
Die OMV gab gestern bekannt, dass man sich mit der Mubadala Investment Company eine Anpassungsvereinbarung zu dem am 12. März 2020 geschlossenen Kaufvertrag für den Erwerb des zusätzlichen 39% Anteils an der Borealis AG (Borealis) unterzeichnet hat. Die Anpassungsvereinbarung sieht vor, dass der Kaufpreis von der OMV in zwei Tranchen gezahlt werden soll: $2,34 Mrd. bei Closing der Transaktion sowie $2,34 Mrd. bis spätestens zum 31. Dezember 2021 mit einer marktüblichen Verzinsung ab Closing. Die OMV hat die Option, den aufgeschobenen Betrag zur Gänze oder teilweise bei Closing der Transaktion oder nach dem Closing zu jedem Monatsletzten bis zum 31. Dezember 2021 zu bezahlen. Außerdem veröffentlichte das Unternehmen Maßnahmen um in der aktuellen Covid-19-Krise die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens und die Versorgungssicherheit mit Energie zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang wurde vom Vorstand ein Paket im Ausmaß von über €4 Mrd. für das Jahr 2020 beschlossen. Dieses sieht vor:
Reduktion der organischen Investitionen um rund €500 Mio. auf unter €2 Mrd. im Jahr 2020. Das ist eine Senkung um mehr als 20 % gegenüber der ursprünglich für 2020 geplanten Investitionen von €2,4 Mrd.
Senkung der Kosten um rund €200 Mio. im Vergleich zu 2019 (operative Aufwendungen und Explorationskosten).
Zahlung des Kaufpreises für den zusätzlichen 39 % Anteil an Borealis in zwei Tranchen, wodurch mehr als €2 Mrd. erst bis Ende 2021 gezahlt werden müssen.
Verschiebung von Investitions- und Akquisitionsprojekten in der Höhe von €1,5 Mrd., insbesondere der Beteiligung an Achimov 4/5 in Russland.
AT&S
Der heimische Leiterplattenhersteller AT&S veröffentlichte gestern die Meldung, dass man aufgrund der COVID-19-Pandemie davon ausgeht, dass es in einigen Kundensegmenten auch zu einer reduzierten Nachfragesituation kommen wird. Aufgrund der geringen Visibilität und hohen Volatilität der Entwicklungen lassen sich die Auswirkungen auf das Geschäftsjahr 2020/21 derzeit nicht quantifizieren. Dies wird aller Voraussicht nach zu Abweichungen gegenüber den aktuell verfügbaren Analysteneinschätzungen führen.
Polytec
Der heimische Automobilzulieferer Polytec hat heute sein Zahlen zum Geschäftsjahr 2019 präsentiert. Der Konzernumsatz der POLYTEC GROUP reduzierte sich im Geschäftsjahr 2019 gegenüber dem Vorjahr um 1,5% auf €627,1 Mio. Die maßgeblichen Veränderungen in der Automobilbranche führten im Stammgeschäft seit mehreren Quartalen zu Abrufkürzungen und Umsatzeinbußen. Das EBITDA belief sich auf €68,4 Mio. (Vorjahr: €67,1 Mio.). Erträge aus dem Abgang von Anlagevermögen trugen zur Erhöhung des EBITDA bei. Die EBITDA-Marge erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr um 0,4 Prozentpunkte von 10,5% auf 10,9%. Die Abschreibungen stiegen einerseits durch die erstmalige Anwendung der Bilanzierungs- und Bewertungsmethode gemäß IFRS 16 Leasingverhältnisse, die seit 1. Jänner 2019 anzuwenden ist, andererseits durch erhöhte Investitionen in die Modernisierung der Produktionswerke. Daher verzeichnete das EBIT einen Rückgang von 18,5% auf €32,6 Mio. Dementsprechend ließ auch das Ergebnis nach Steuern um 23,1% auf €23,1 Mio. nach. Vorstand und Aufsichtsrat schlagen der für 18. Mai 2020 einzuberufenden 20. Ordentlichen Hauptversammlung für 2019 die Ausschüttung einer Dividende in Höhe von €0,25 je bezugsberechtigter Aktie vor (Vj. €0,40/Aktie). Ein verlässlicher Ausblick auf die Ergebnisentwicklung für das Geschäftsjahr 2020 ist laut Management derzeit noch verfrüht. Es müssen zur Begegnung der aktuellen sowie der sich abzeichnenden Marktlage Produktionskapazitäten angepasst werden. Die Auswirkungen diesbezüglicher Maßnahmen erschweren zusätzlich den Ausblick.
Börsepeople im Podcast S16/06: Georg Bursik
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