13.06.2019, 5454 Zeichen
Marinomed-HV (1). Ich weiß, dass es Stimmen gibt, die meinen, meine HV-Berichte seien zu ausführlich. Andererseits gibt es auch Anleger, die aus irgendwelchen Gründen den Hauptversammlungen nicht beiwohnen können. Ich bin bestrebt, ihnen einige Eindrücke zu vermitteln, die in Summe vielleicht geeignet sein könnten, eine Entscheidungsgrundlage zu liefern, wie man sich dem jeweiligen Wertpapier gegenüber verhalten soll. Wenn ich schon zu so vielen Finanzveranstaltungen reise und penibel mitschreibe, teils auch zusätzlich recherchiere, so möchte ich diesen Packen Papier erst wegschmeißen, wenn ich meinen Lesern, unseren Abonnenten, alles Erwähnenswerte mitgeteilt habe. Sonst wäre es schade um die Zeit, die ich dort verbracht habe. Da hätte niemand etwas davon. Der Abonnent aber soll profitieren, das ist mein Anspruch.
Marinomed ist ganz klar so eine AG, wo ich beim besten Willen nicht sagen kann, ob sie kaufenswert ist. Einiges spricht dafür. Einiges spricht dagegen. Ich schildere meine Eindrücke, entscheiden muss der Anleger jeweils selbst. Zuerst einmal: Die Bilanz per 31.12.18, die uns anlässlich der HV bezüglich des Jahres 2018 am 11.6.19 ausgehändigt worden ist, ist in meinen Augen "unbrauchbar", da absolut nicht mehr aktuell. In den mehr als 5 Monaten seit Bilanzstichtag ist bei Marinomed soviel passiert, dass der 31.12.18 wirklich Schnee von gestern ist. Sogar der Börsegang fand erst 2019 statt, samt der Wandlung der Wandelanleihen. Wen das Jahr 2018 dennoch interessiert: Optisch verheerend sieht das Jahr 2018 aus. Jahresfehlbetrag mit -12,096.850,72 Euro im Vergleich zu 2017 etwa verfünffacht, Ergebnis 2018 -12,10 Euro pro Aktie. Aufwendungen für Material und bezogene Leistungen lagen 2018 knapp über den Umsatzerlösen. Das Eigenkapital verschlechterte sich von -5 auf -16,3 Mio. Euro. Bei 1 Mio. Aktien per 31.12.18 hatte also jede Aktie einen Buchwert von -16,30 Euro. Ein Viertel der Aktiva per 31.12.18 war Immaterielles Vermögen. Also Patente und so. Die bei einem Biotechunternehmen allerdings wirklich einen Wert haben sollten. Im Ergebnis 2018 ist mit 1,9 Mio. Euro auch ein Teil der Aufwendungen in Verbindung mit dem Börsegang enthalten. Insgesamt betrug der Beratungsaufwand 2018 2,1 Mio. Euro. Und jetzt wird es etwas kompliziert, man darf aber ruhig aufatmen: Im doch recht hohen negativen Ergebnis 2018 ist unter den Finanzerträgen/aufwendungen eine Position "Bewertung Eigenkapitalwandlungsrecht" in Höhe von -5,667.629,07 Euro enthalten. Ich greife hier vor, es wurde noch während der Präsentation erklärt, was es damit auf sich hat: Die Wandelanleihebesitzer hätten zu 40,80 Euro wandeln dürfen, der Emissionskurs sei bei 75 Euro gelegen, das entspräche einer Verdoppelung der Verbindlichkeiten, einer "doppelten Buchung", bei der Wandlung selbst gehe die ganze Wandlung ins Eigenkapital. Somit Erleichterung: Nach dem Börsegang im Februar 2019 und der damit einhergehenden Wandlung der Wandelanleihen sei man jetzt ganz klar positiv, die Schulden aus der Wandelanleihe seien ja 2019 weggefallen, und der Emissionserlös der jungen Aktien sei auch ins Eigenkapital geflossen. Doch davon später.
Die (bilanzmäßig) schöne Zukunft der Marinomed hat also eindeutig mit dem Börsegang begonnen. Patente und Geschäft hatte sie schon vorher, die Marinomed ist ja schon viele Jahre im Geschäft, die meisten davon als GmbH. Den Börsegang haben sie wirklich sauber hingekriegt, meine Hochachtung! Nach den Erfahrungen der österreichischen Börsianer mit Sanochemia und Intercell habe ich eigentlich nicht erwartet, dass die Aktie so gut angenommen wird, viele bekannte Gesichter aus der Privatanlegerszene waren auf der 2. HV der Marinomed Biotech AG insgesamt bzw. der 1. HV als börsenotierte AG anwesend. Aber auch das Who-is-who der Institutionellenszene war anwesend. Blicken wir kurz ins Anwesenheitsverzeichnis: Acropora Beteiligungs GmbH 317.360, Andreas Grassauer 255.682, Hermann Unger 124.978, Invest Unternehmensbeteiligungs AG aus Linz 105.087, aws Mittelstandsfonds Beteiligungs GmbH & Co KG 104.316, Österreichische Beamtenversicherung 65.321, Vetvidi Forschungsholding GmbH 37.704, Amundi Austria Stock 35.000, SK Invest flexibel 32.000, BVT Beteiligungsverwaltung und Treuhand GmbH 31.344, SK Invest dynamisch 14.000 Aktien usw. Insgesamt gibt es aktuell 1,469.772 Aktien der Marinomed Biotech AG. Wer den Geschäftsbericht 2018 mit heim genommen hat: Bewahrt ihn gut auf, es gibt davon nur 50 Exemplare in gedruckter Form, vermutlich wird man auf ebay bald Unsummen dafür bieten.
Zu Form und Qualität des Geschäftsberichts muss ich mich sehr positiv äußern: Er kommt mit 124 Seiten aus, ist gut leserlich, und man findet alle Zahlen gut erklärt. Zur Präsentation muss ich sagen: Man sieht, dass zwei der Vorstandsmitglieder aus der Branche kommen, sie konnten uns einen guten Einblick ins Biotech-Geschäft geben und uns erklären, wie die Spannen geteilt werden, und warum sie so geteilt werden. Nach 2 3/4 Stunden Marinomed-HV sind wohl die meisten Aktionäre als halbe Apotheker heimgegangen oder haben sich zumindest so gefühlt. Ungern denke ich zurück, wie die Update Software AG so viele Jahre in der gleichen Location (auf Wolke 19 im ARES-Tower) versucht hat, uns ihre Produkte und ihr Geschäftsmodell zu erklären, ich habe es nie wirklich verstanden.
Marinomed Biotech ( Akt. Indikation: 79,00 /79,50, -0,31%)
(Der Input von Günter Luntsch für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 13.06.)
Wiener Börse Party #868: ATX TR startet die neue Woche wieder fünfstellig, offene Fragen bei Steyr Motors
1.
Auf zur Wolke 19, ARES-Tower, Marinomed-HV 11.6.19
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