17.10.2017, 5271 Zeichen
Es ist nun wieder da – dieses ganz eigene Kribbeln, das in einem empor zu steigen scheint, wenn der Inhalt der geschriebenen Zeilen des Trainingsplans langsam im Hirn ankommt und dir der Gedanke einschießt: „Ui, wie soll dass denn gehen?“
Im (Leistungs-)Sport gibt es so viele verschiedenen Emotionen. Viele davon sind eng miteinander verknüpft.
Sieg und Niederlage
Freud und Leid
Himmelhochjachzend oder zutodebetrübt
Alle haben sie gemeinsam, dass es durch den zumeist unklaren und offenen Ausgang mal mehr – und mal weniger in einem kribbelt. Kribbeln äußert sich bei einem mehr, bei anderen weniger.
Man kann es manchen ansehen. Vor dem Wettkampf, wenn er oder sie nervös rumzappelt. Oder man spürt es im Wettbewerb selbst, wenn man zu Beginn aufgrund von Nervosität oder Anspannung oder was auch immer gar nicht so recht weiß, wie einem geschieht.
Im Grunde gibt es so viele Auslöser und Formen, Kribbeln zu spüren – und auch damit umzugehen.
Bei mir hat es dank fortschreitender Genesung in letzter Zeit wieder öfter gekribbelt. Zum Beispiel vor dem ersten Lauf in St. Moritz, wo ich gar nicht wusste, wie das so werden wird mit dem step-by-stepoder links, dann rechts, dann links gefolgt von rechts…
Oder vorm Testlauf direkt nach der Höhe, bei dem ich zwar Jennis volle Unterstützung als Radbegleitung und Motivatorin hatte, aber dann doch wieder keine Ahnung hatte, was da auf den sechs Kilometern so mit meinem Körper passieren wird.
Erst vor kurzem beim Night Run kribbelte es so richtig den ganzen Tag: Vorfreude gepaart mit Nervosität, Anspannung, Unsicherheit sowie Vorfreude und dieses ach so tolle „lass-es-endlich-los-gehen-Gefühl“!
Ich bin bei Gott nicht mehr der Jüngste bei den Läufern und habe auch genügend internationale Rennen etc hinter mir. Aber mit jeder Verletzung und damit verbundener Pause scheint der Körper – vielleicht aber auch nur meiner – ein wenig zu vergessen, wie sich was im Läuferalltag denn genau anfühlt.
Und genau deshalb hat es nun schon wieder gekribbelt, als Anfang der Woche der Plan von Günther für die Woche reingeflattert ist und da diese 400er und 200er oben standen. Am besten auf der Bahn.
Bahn.
Laufbahn.
Hm, an die hab ich doch schon lange keine guten Erinnerungen mehr…?
Das letzte Mal glücklich nachdem ich auf dem mit Tartan belegten Belag gelaufen bin war in San Francisco. Tausende Meilen weit weg. Ebenso weit weg war meine Performance damals im Vergleich zu meiner Bestzeit. Aber die 9:09min vs. 8:47min sind eine andere Geschichte…
Also gut, Trainingsplan sagt Bahntraining und Intervalle. Dann ist es eben so! Günther wird schon wissen, was zu tun ist!
Für mein Unterfangen trackisback hätte ich mir zumindest keine schönere Laufbahn aussuchen können: Die Anlage Wiesacker im Zürcher Vorort Regensdorf sollte Schauplatz für meine ersten Bahnintervalle und die Rückkehr eines ganz eigenartigen Kribbelns sein.
Quasi zur „Gewöhnung ans Gerät“ ging es bereits Freitag nach einem lockeren Läufchen auf die Bahn. 5x200m „Rollen“ – gerne auch als soft-opening zu bezeichnen. Die fühlten sich total Banane an und somit war es abends noch stärker, dieses Kribbeln.
Aber welches Kribbeln denn nun eigentlich?
Jenes Kribbeln, das man – oder vielleicht auch nur ich – eben spürt, wenn man ein Training zu absolvieren hat, über dessen Ausgang man gänzlich im Unklaren ist.
Kann ich das Tempo laufen?
Ist es zu viel/zu wenig?
Wie wird es sich anfühlen?
Die lange Abstinenz von der Bahn verflog dann jedoch wider erwarten rasch und mit jedem Schritt, jedem Meter und jedem Intervall verabschiedete sich auch das Kribbeln und wandelte sich mehr und mehr in positive Energie um.
Diese wiederum wurde gegen Ende der 400er und 200er-Serien zu einem wahren Genuss! Ich hatte Spaß, wie schon lange nicht mehr auf der Bahn und auch wenn die Muskulatur sich langsam stark bemerkbar machte und sich auf das Ende des Trainings zu freuen schien, war es richtig richtig geil!
Lange wusste ich ja nicht, ja zweifelte sogar schon daran, ob ich nach den ganzen verkorksten Einheiten und Wettkämpfen über die letzten Wochen, Monaten – ja fast schon Jahre – überhaupt noch mal Freude auf einer Laufbahn empfinden kann. Durch die vielen vielen Laufband-Kilometer in Alaska fühlte sich ja auch mein Schritt richtig schlecht an und ich meinte teilweise schon, gar nicht mehr richtig laufen zu können.
Insofern ist es umso schöner, dass ich wirklich große Lust beim Intervalltraining hatte und sich dieses Kribbeln vor Anspannung am Ende trotz vor allem heute extrem harten Waden in Wohlgefallen ausgelöst hat!
Mit zwei Tagen Abstand ist es nun aber dennoch wieder da, dieses spezielle Kribbeln, welches man in einem empor zu steigen glaubt, wenn man auf den Trainingsplan schaut und sich denkt: wie soll das denn wieder gehen?
Aktuell läuft es jedoch so gut, dass ich das Kribbeln gerne noch die paar Tage bis zum nächsten härteren Workout hinnehme, es bewusst wahrnehmen werde und dann alles daran setze, es durch ein zufriedenstellendes Training wieder für ein paar Tage zu minimieren.
In den kommenden Wochen liegt der Fokus weiter darauf, die Basis für die kommenden Aufgaben im November, Dezember und vor allem nächsten Jahr zu legen. Mit vielen ruhigen Kilometern, viel Kräftigung und von Kribbeln begleiteten Intervallen.
Im Original hier erschienen: track is back
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