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US-Geldpolitik: Methadon-Programm statt kaltem Entzug (Robert Halver, Christoph Scherbaum)

Autor:
Christoph Scherbaum

Die Börsenblogger ist das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehntelanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer. Letztlich sind wir alle Börsenfans. Aber wir vertreten in diesem Blog auch eine ganz simple Philosophie: Wir wollen unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus schreiben, was wir zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken, was uns beschäftigt. Das kommt Ihnen, dem Leser, zu Gute.

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25.09.2017, 10438 Zeichen

Auf den ersten Blick zeigte sich die Fed falkenhaft: Sie verkündete auf ihrer Sitzung die schrittweise Entblähung ihrer 4,5 Bill. US-Dollar schweren Notenbankbilanz. Damit ist sie tatsächlich die erste Notenbank, die Liquiditätsabzug betreibt. Der Leitzins bleibt zwar unverändert. Doch plant sie diese sogenannten Fed Funds bis 2019 auf 2,75 Prozent anzuheben. Aber ist die Fed auf den zweiten Blick wirklich so gnadenlos? Wie kompromisslos ist sie wirklich und wieso nehmen die Aktienmärkte die Schubumkehr von Quantitative Easing zu Quantitative Tightening so gelassen hin?

Die Fed vollzieht einen geldpolitischen Strukturwechsel. Ab Oktober entbläht sie ihre 4,5 Bill. US-Dollar schwere Notenbankbilanz schrittweise. Allerdings betreibt sie einen gleichermaßen passiven wie homöopathischen Liquiditätsentzug. Sie tritt nicht aktiv als Verkäufer von Anleihen auf, sondern wird – beginnend in Höhe von monatlich 10 Mrd. US-Dollar – auf die Wiederanlage fällig werdender Anleihen verzichten. Diesen verknappenden Wiederanlageeffekt wird sie quartalsweise um jeweils 10 Mrd. steigern, bis sich die Bilanzsumme ab Oktober 2018 um monatlich 50 Mrd. US-Dollar verringert. Was sich zunächst mit 300 Mrd. US-Dollar epochal anhört, führt jedoch bei genauerer Betrachtung auf Jahressicht lediglich zu einer Verringerung der Bilanzsumme um sieben Prozent. Eine kompromisslos falkenhafte Geldpolitik ist das nicht wirklich. Dass sich die Fed sowohl über den Zeitraum als auch den Zielwert ihrer Bilanzverkleinerung nicht konkret äußert, lässt ihr zudem ein Hintertürchen offen.

Für die Finanzmärkte bedeutsamer ist die Einschätzung der Fed bezüglich der Leitzinsentwicklung. Zwar hält sie unverändert an einer weiteren Zinsanhebung in diesem Jahr und drei weiteren in 2018 fest. Allerdings betont sie selbst, dass diese Prognose nicht in Stein gemeißelt ist. Die Erfahrung zeigt, dass unter Notenbankpräsident Yellen Abweichungen nach unten der Regelfall sind. So hatte sie für 2016 vier Zinserhöhungen geplant, jedoch nur eine tatsächlich umgesetzt. Denn konjunkturelle und (geo-)politische Risiken sind nicht ausgestorben. So fällt die Frist zur Erhöhung der Schuldenobergrenze in die Zeit der nächsten Fed-Sitzung am 13. Dezember. Und wer weiß, ob Frau Yellen ab 4. Februar Fed-Chefin bleibt oder ob ein taubenhafterer Kandidat den Vorsitz übernimmt? Ohnehin stellt die Fed mittelfristig laut „Dot Plot“ ab 2019 einen flacheren Leitzinsverlauf (2019: 2,7 nach 2,9 Prozent und 2020 2,9 Prozent) in Aussicht. Die Finanzmärkte zeigen sich ohnehin von ihrer Leitzinsprognose nicht vollständig überzeugt und erwarten für nächstes Jahr weiterhin nur eine Erhöhung.

US-Konjunktur verträgt keine klar restriktive Geldpolitik

Trotz angehobener Wachstumsprojektionen der Fed (2017: 2,4 statt 2,2 Prozent; 2018: 2,1 Prozent; 2019: 2,0 statt 1,9 Prozent und 2020 1,8 Prozent) sieht die Fed über die nächsten Jahre insgesamt dennoch einen leichten konjunkturellen Abwärtstrend. Tatsächlich signalisiert der von Bloomberg ermittelte Economic Surprise Index – er misst die Abweichungen der tatsächlichen Konjunkturdaten von den zuvor getroffenen Analysteneinschätzungen – eine enttäuschende Konjunkturentwicklung. Während vor allem Frühindikatoren seit Monaten überraschen, „unterraschen“ die „harten“ Daten aus US-Industrie, -Immobiliensektor und -Handel. Sie liegen klar im Enttäuschungsterrain, Tendenz weiter fallend.

Die seit Ende 2016 angestiegenen Hypothekenzinsen haben bereits dazu geführt, dass sich die nach 2008 stattfindende Immobilien-Erholung gemäß Baubeginnen und -genehmigungen abflacht. Eine übertriebene Entblähung ihrer Notenbankbilanz mit der Folge deutlich steigender Bauzinsen wäre kontraproduktiv. Nicht zuletzt hat die Fed im Auge, dass die öffentliche und private Schuldensucht Amerikas eine der höchsten der Welt ist. Deren reibungslose Refinanzierung muss gesichert werden.

Das Inflations-Mysterium der Fed

Auf die unterdurchschnittliche Inflationsentwicklung reagiert die US-Notenbank mit teilweise verringerten Projektionen der Kerninflation (2017 1,5 statt 1,7 Prozent; 2018 1,9 statt 2,0 und 2019 sowie 2020 unverändert bei jeweils 2,0 Prozent). Bei der Inflation insgesamt geht sie nicht davon aus, dass sie ihr Inflationsziel von zwei Prozent vor 2019 erreicht. Für die inflationäre Zielverfehlung sorgt die mangelnde Qualität des vermeintlichen US-Jobwunders, die Globalisierung und Digitalisierung, die insgesamt lohnseitigen Preisdruck verhindern.

Glaubwürdigkeit geht der Fed über alles

Mit ihrer vermeintlich falkenhaften Geldpolitik wollte die Fed Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit beweisen. De facto schont sie aber die US-Konjunktur mit ihrer überschaubaren Bilanzverkleinerung und eher verbalerotischen Leitzinserhöhungsstrategie. Der reale US-Leitzins nach Inflation würde selbst bei Vollausschöpfung der Zinserhöhungsagenda auf absehbare Zeit auf wirtschaftsfreundlich niedrigem Niveau bleiben. Grundsätzlich ist das im historischen Vergleich keine restriktive Zins- und Liquiditätspolitik. Die Gelddrogensucht wird nicht wirklich geheilt. Diese Fed-Politik erinnert an ein Methadon-Programm. Es kann zwar die akuten Abhängigkeiten mildern, aber eine Befreiung von der Sucht ist nicht möglich.

Sicherlich wird durch die Bilanzverkleinerung über die graduelle Erhöhung von Anleiherenditen am langen Ende – bei Vernachlässigung von Leitzinserhöhungen – eine steilere US-Zinsstrukturkurve geschaffen. Diese würde amerikanischen Banken verstärkte Anreize geben, Fristentransformation zu betreiben: Geld wird zu günstigen Notenbankzinsen ausgeliehen und zu höheren Kreditzinsen weitergegeben. Das stabilisiert eine schuldentrunkene Volkswirtschaft wie die der USA und stützt sogar die US-Aktienmärkte fundamental.

Marktstimmung – Weltweit gibt es keinen Netto-Liquiditätsabzug, sondern eine -ausweitung!

Grundsätzlich ist der global üppige Liquiditätszustand trotz Fed-Bilanzentblähung nicht vorüber. Denn Bank of Japan und EZB – wenn auch zukünftig potenziell mit etwas weniger Schaum vor dem Mund – sorgen weiterhin für Netto-Liquiditätszufluss. Dieses Argument pro Aktien ist also intakt.

Darüber hinaus gibt der tatsächlich ruhige Schonwaschgang der Fed auch der EZB Argumente, liquiditätspolitisch vorsichtig zu agieren, auch um einer weiteren exportschädlichen Euro-Aufwertung vorzubeugen. Schließlich befindet sich die Euro-Wirtschaft trotz der jüngsten Erholungstendenzen noch auf wackeligen Beinen und ist insofern das Erhöhungsrisiko für Anleiherenditen deutlich schwächer ausgeprägt als in den USA. Diese renditeseitige Diskrepanz sorgt für eine Eingrenzung der Aufwertung des gegenüber US-Dollar zu teuren Euros.

Ohnehin bedeuten die leicht höheren Anleiherenditen in den USA kein Aktien-Ungemach in Form einer plötzlich auftauchenden Alternativanlageform. Zunächst wird die Überbewertung von Anleihen gegenüber Aktien nicht wirklich abgebaut. Außerdem sind mit Renditeanstiegen typischerweise gleichzeitig Kursverluste bei Anleihen – je länger die Laufzeit, desto höhere – verbunden. Insofern werden Anleger auch weiterhin Aktien als wichtigem Portfoliobaustein treu bleiben. Überhaupt, einen Zinsschock werden die Notenbanken zur Verhinderung systemischer Finanzkrisen wirksam vermeiden. Insgesamt ist die fortgesetzte Übergewichtung von Aktien weiter zu empfehlen.

Allerdings bleibt der Nordkorea-Konflikt ein geopolitischer Belastungsfaktor. Immerhin aber haben sich die Finanzmärkte ein dickes Fell zugelegt und lassen sich offensichtlich von neuen Verbalangriffen und Drohungen Donald Trumps und Kim Jong-un nicht verunsichern.

Charttechnik DAX und S&P 500 – Chancen auf eine Jahresend-Rallye

Aus charttechnischer Sicht verläuft im DAX (WKN: 846900 / ISIN: DE0008469008) auf dem Weg nach oben der erste wichtige Widerstand bei aktuell 12.660 Punkten. Wird dieser überschritten, treten darüber die Marken bei 12.762 und 12.783 in den Vordergrund. Darüber nimmt der Index Kurs auf die Marke bei 12.832. Nimmt der Index jedoch seinen Konsolidierungskurs wieder auf, verlaufen erste Unterstützungen bei 12.532 und knapp darunter bei 12.511. Werden diese unterschritten, verlaufen darunter die nächsten Haltelinien bei 12.483, 12.456, 12.391 und schließlich 12.301 Punkten.

Im S&P 500 (WKN: A0AET0 / ISIN: US78378X1072) liegt der nächste Widerstand auf dem Weg nach oben am bisherigen Jahreshoch bei 2.508 Punkten. Auf der Unterseite liegen erste Unterstützungen bei 2.489 und 2.467. Knapp darunter verlaufen weitere Haltelinien bei 2.454 und 2.419, bevor der Index Kurs in Richtung der Marken bei 2.401 und schließlich 2.338 nimmt.

Der Wochenausblick für die KW 39 – Bundestagswahl im Fokus

In China dürfte der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe des Finanznachrichtendienstes Caixin eine Stabilisierung der Konjunktur anzeigen. In Japan entwickelt sich die Inflation weiter schwach und bestätigt die Bank of Japan in ihrem expansiven geldpolitischen Kurs.

In den USA zeigen sich die Auftragseingänge langlebiger Güter zwar stabilisiert. Der schwächere Einkaufsmanagerindex für die Region Chicago unterstreicht jedoch den nicht einwandfreien Konjunkturverlauf. Das gilt ebenfalls für das vom Conference Board veröffentlichte Verbrauchervertrauen, das sein hohes Niveau nicht halten kann.

In der Eurozone tritt die Verbraucherpreisinflation laut Erstschätzungen auch im September auf der Stelle und gibt der EZB stabilitätsmoralischen Spielraum, ihre Geldpolitik expansiv zu halten.

In Deutschland dürfte der ifo Geschäftsklimaindex zum zweiten Mal in Folge leicht nachgeben, verharrt aber auf einem hohen Niveau. Der GfK-Konsumklimaindex setzt seinen Anstieg fort und zeichnet gemeinsam mit stabilen Einzelhandelsumsätzen ein robustes Bild der Binnenwirtschaft.

Hauptaugenmerk wird nächste Woche auf dem Ergebnis der Bundestagswahl liegen. Vor den Landtagswahl in Niedersachsen am 15. Oktober werden sich zwar keine Koalitionsbündnisse konkretisieren. Die Börse scheint sich aber aufregungsfrei auf eine GroKo 3.0 eingestellt zu haben.

Ein Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

 


(25.09.2017)


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    Auf den ersten Blick zeigte sich die Fed falkenhaft: Sie verkündete auf ihrer Sitzung die schrittweise Entblähung ihrer 4,5 Bill. US-Dollar schweren Notenbankbilanz. Damit ist sie tatsächlich die erste Notenbank, die Liquiditätsabzug betreibt. Der Leitzins bleibt zwar unverändert. Doch plant sie diese sogenannten Fed Funds bis 2019 auf 2,75 Prozent anzuheben. Aber ist die Fed auf den zweiten Blick wirklich so gnadenlos? Wie kompromisslos ist sie wirklich und wieso nehmen die Aktienmärkte die Schubumkehr von Quantitative Easing zu Quantitative Tightening so gelassen hin?

    Die Fed vollzieht einen geldpolitischen Strukturwechsel. Ab Oktober entbläht sie ihre 4,5 Bill. US-Dollar schwere Notenbankbilanz schrittweise. Allerdings betreibt sie einen gleichermaßen passiven wie homöopathischen Liquiditätsentzug. Sie tritt nicht aktiv als Verkäufer von Anleihen auf, sondern wird – beginnend in Höhe von monatlich 10 Mrd. US-Dollar – auf die Wiederanlage fällig werdender Anleihen verzichten. Diesen verknappenden Wiederanlageeffekt wird sie quartalsweise um jeweils 10 Mrd. steigern, bis sich die Bilanzsumme ab Oktober 2018 um monatlich 50 Mrd. US-Dollar verringert. Was sich zunächst mit 300 Mrd. US-Dollar epochal anhört, führt jedoch bei genauerer Betrachtung auf Jahressicht lediglich zu einer Verringerung der Bilanzsumme um sieben Prozent. Eine kompromisslos falkenhafte Geldpolitik ist das nicht wirklich. Dass sich die Fed sowohl über den Zeitraum als auch den Zielwert ihrer Bilanzverkleinerung nicht konkret äußert, lässt ihr zudem ein Hintertürchen offen.

    Für die Finanzmärkte bedeutsamer ist die Einschätzung der Fed bezüglich der Leitzinsentwicklung. Zwar hält sie unverändert an einer weiteren Zinsanhebung in diesem Jahr und drei weiteren in 2018 fest. Allerdings betont sie selbst, dass diese Prognose nicht in Stein gemeißelt ist. Die Erfahrung zeigt, dass unter Notenbankpräsident Yellen Abweichungen nach unten der Regelfall sind. So hatte sie für 2016 vier Zinserhöhungen geplant, jedoch nur eine tatsächlich umgesetzt. Denn konjunkturelle und (geo-)politische Risiken sind nicht ausgestorben. So fällt die Frist zur Erhöhung der Schuldenobergrenze in die Zeit der nächsten Fed-Sitzung am 13. Dezember. Und wer weiß, ob Frau Yellen ab 4. Februar Fed-Chefin bleibt oder ob ein taubenhafterer Kandidat den Vorsitz übernimmt? Ohnehin stellt die Fed mittelfristig laut „Dot Plot“ ab 2019 einen flacheren Leitzinsverlauf (2019: 2,7 nach 2,9 Prozent und 2020 2,9 Prozent) in Aussicht. Die Finanzmärkte zeigen sich ohnehin von ihrer Leitzinsprognose nicht vollständig überzeugt und erwarten für nächstes Jahr weiterhin nur eine Erhöhung.

    US-Konjunktur verträgt keine klar restriktive Geldpolitik

    Trotz angehobener Wachstumsprojektionen der Fed (2017: 2,4 statt 2,2 Prozent; 2018: 2,1 Prozent; 2019: 2,0 statt 1,9 Prozent und 2020 1,8 Prozent) sieht die Fed über die nächsten Jahre insgesamt dennoch einen leichten konjunkturellen Abwärtstrend. Tatsächlich signalisiert der von Bloomberg ermittelte Economic Surprise Index – er misst die Abweichungen der tatsächlichen Konjunkturdaten von den zuvor getroffenen Analysteneinschätzungen – eine enttäuschende Konjunkturentwicklung. Während vor allem Frühindikatoren seit Monaten überraschen, „unterraschen“ die „harten“ Daten aus US-Industrie, -Immobiliensektor und -Handel. Sie liegen klar im Enttäuschungsterrain, Tendenz weiter fallend.

    Die seit Ende 2016 angestiegenen Hypothekenzinsen haben bereits dazu geführt, dass sich die nach 2008 stattfindende Immobilien-Erholung gemäß Baubeginnen und -genehmigungen abflacht. Eine übertriebene Entblähung ihrer Notenbankbilanz mit der Folge deutlich steigender Bauzinsen wäre kontraproduktiv. Nicht zuletzt hat die Fed im Auge, dass die öffentliche und private Schuldensucht Amerikas eine der höchsten der Welt ist. Deren reibungslose Refinanzierung muss gesichert werden.

    Das Inflations-Mysterium der Fed

    Auf die unterdurchschnittliche Inflationsentwicklung reagiert die US-Notenbank mit teilweise verringerten Projektionen der Kerninflation (2017 1,5 statt 1,7 Prozent; 2018 1,9 statt 2,0 und 2019 sowie 2020 unverändert bei jeweils 2,0 Prozent). Bei der Inflation insgesamt geht sie nicht davon aus, dass sie ihr Inflationsziel von zwei Prozent vor 2019 erreicht. Für die inflationäre Zielverfehlung sorgt die mangelnde Qualität des vermeintlichen US-Jobwunders, die Globalisierung und Digitalisierung, die insgesamt lohnseitigen Preisdruck verhindern.

    Glaubwürdigkeit geht der Fed über alles

    Mit ihrer vermeintlich falkenhaften Geldpolitik wollte die Fed Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit beweisen. De facto schont sie aber die US-Konjunktur mit ihrer überschaubaren Bilanzverkleinerung und eher verbalerotischen Leitzinserhöhungsstrategie. Der reale US-Leitzins nach Inflation würde selbst bei Vollausschöpfung der Zinserhöhungsagenda auf absehbare Zeit auf wirtschaftsfreundlich niedrigem Niveau bleiben. Grundsätzlich ist das im historischen Vergleich keine restriktive Zins- und Liquiditätspolitik. Die Gelddrogensucht wird nicht wirklich geheilt. Diese Fed-Politik erinnert an ein Methadon-Programm. Es kann zwar die akuten Abhängigkeiten mildern, aber eine Befreiung von der Sucht ist nicht möglich.

    Sicherlich wird durch die Bilanzverkleinerung über die graduelle Erhöhung von Anleiherenditen am langen Ende – bei Vernachlässigung von Leitzinserhöhungen – eine steilere US-Zinsstrukturkurve geschaffen. Diese würde amerikanischen Banken verstärkte Anreize geben, Fristentransformation zu betreiben: Geld wird zu günstigen Notenbankzinsen ausgeliehen und zu höheren Kreditzinsen weitergegeben. Das stabilisiert eine schuldentrunkene Volkswirtschaft wie die der USA und stützt sogar die US-Aktienmärkte fundamental.

    Marktstimmung – Weltweit gibt es keinen Netto-Liquiditätsabzug, sondern eine -ausweitung!

    Grundsätzlich ist der global üppige Liquiditätszustand trotz Fed-Bilanzentblähung nicht vorüber. Denn Bank of Japan und EZB – wenn auch zukünftig potenziell mit etwas weniger Schaum vor dem Mund – sorgen weiterhin für Netto-Liquiditätszufluss. Dieses Argument pro Aktien ist also intakt.

    Darüber hinaus gibt der tatsächlich ruhige Schonwaschgang der Fed auch der EZB Argumente, liquiditätspolitisch vorsichtig zu agieren, auch um einer weiteren exportschädlichen Euro-Aufwertung vorzubeugen. Schließlich befindet sich die Euro-Wirtschaft trotz der jüngsten Erholungstendenzen noch auf wackeligen Beinen und ist insofern das Erhöhungsrisiko für Anleiherenditen deutlich schwächer ausgeprägt als in den USA. Diese renditeseitige Diskrepanz sorgt für eine Eingrenzung der Aufwertung des gegenüber US-Dollar zu teuren Euros.

    Ohnehin bedeuten die leicht höheren Anleiherenditen in den USA kein Aktien-Ungemach in Form einer plötzlich auftauchenden Alternativanlageform. Zunächst wird die Überbewertung von Anleihen gegenüber Aktien nicht wirklich abgebaut. Außerdem sind mit Renditeanstiegen typischerweise gleichzeitig Kursverluste bei Anleihen – je länger die Laufzeit, desto höhere – verbunden. Insofern werden Anleger auch weiterhin Aktien als wichtigem Portfoliobaustein treu bleiben. Überhaupt, einen Zinsschock werden die Notenbanken zur Verhinderung systemischer Finanzkrisen wirksam vermeiden. Insgesamt ist die fortgesetzte Übergewichtung von Aktien weiter zu empfehlen.

    Allerdings bleibt der Nordkorea-Konflikt ein geopolitischer Belastungsfaktor. Immerhin aber haben sich die Finanzmärkte ein dickes Fell zugelegt und lassen sich offensichtlich von neuen Verbalangriffen und Drohungen Donald Trumps und Kim Jong-un nicht verunsichern.

    Charttechnik DAX und S&P 500 – Chancen auf eine Jahresend-Rallye

    Aus charttechnischer Sicht verläuft im DAX (WKN: 846900 / ISIN: DE0008469008) auf dem Weg nach oben der erste wichtige Widerstand bei aktuell 12.660 Punkten. Wird dieser überschritten, treten darüber die Marken bei 12.762 und 12.783 in den Vordergrund. Darüber nimmt der Index Kurs auf die Marke bei 12.832. Nimmt der Index jedoch seinen Konsolidierungskurs wieder auf, verlaufen erste Unterstützungen bei 12.532 und knapp darunter bei 12.511. Werden diese unterschritten, verlaufen darunter die nächsten Haltelinien bei 12.483, 12.456, 12.391 und schließlich 12.301 Punkten.

    Im S&P 500 (WKN: A0AET0 / ISIN: US78378X1072) liegt der nächste Widerstand auf dem Weg nach oben am bisherigen Jahreshoch bei 2.508 Punkten. Auf der Unterseite liegen erste Unterstützungen bei 2.489 und 2.467. Knapp darunter verlaufen weitere Haltelinien bei 2.454 und 2.419, bevor der Index Kurs in Richtung der Marken bei 2.401 und schließlich 2.338 nimmt.

    Der Wochenausblick für die KW 39 – Bundestagswahl im Fokus

    In China dürfte der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe des Finanznachrichtendienstes Caixin eine Stabilisierung der Konjunktur anzeigen. In Japan entwickelt sich die Inflation weiter schwach und bestätigt die Bank of Japan in ihrem expansiven geldpolitischen Kurs.

    In den USA zeigen sich die Auftragseingänge langlebiger Güter zwar stabilisiert. Der schwächere Einkaufsmanagerindex für die Region Chicago unterstreicht jedoch den nicht einwandfreien Konjunkturverlauf. Das gilt ebenfalls für das vom Conference Board veröffentlichte Verbrauchervertrauen, das sein hohes Niveau nicht halten kann.

    In der Eurozone tritt die Verbraucherpreisinflation laut Erstschätzungen auch im September auf der Stelle und gibt der EZB stabilitätsmoralischen Spielraum, ihre Geldpolitik expansiv zu halten.

    In Deutschland dürfte der ifo Geschäftsklimaindex zum zweiten Mal in Folge leicht nachgeben, verharrt aber auf einem hohen Niveau. Der GfK-Konsumklimaindex setzt seinen Anstieg fort und zeichnet gemeinsam mit stabilen Einzelhandelsumsätzen ein robustes Bild der Binnenwirtschaft.

    Hauptaugenmerk wird nächste Woche auf dem Ergebnis der Bundestagswahl liegen. Vor den Landtagswahl in Niedersachsen am 15. Oktober werden sich zwar keine Koalitionsbündnisse konkretisieren. Die Börse scheint sich aber aufregungsfrei auf eine GroKo 3.0 eingestellt zu haben.

    Ein Beitrag von Robert Halver.

    Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

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