25.08.2017, 11686 Zeichen
Die deutsche Modebranche hat sich in den vergangenen Jahren nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Es wurden sogar einige Pleiten beobachtet. Dabei wäre es viel zu einfach alles auf die neue Online-Konkurrenz zum klassischen stationären Handel zu schieben. Die Gründe sind weitaus vielfältiger. Gleichzeitig läuft die Suche nach Auswegen aus der Misere auf Hochtouren. In einer dreiteiligen Serie wollen wir von der Börsenblogger-Redaktion aufzeigen, wie diese Suche vorankommt. Heute erscheint der erste Teil. Morgen und übermorgen folgen die Teile zwei und drei.
Glitzernde Modewelt. Der Modekalender ist für Normalsterbliche, die ihre Kleider gelegentlich auch in Discountern kaufen, nicht immer einfach nachzuvollziehen. Geschweige die Kreation der Kleider, die anscheinend nur schlanken und austrainierten Modells zu stehen scheinen. Die wichtigsten Fashion Weeks finden in New York, London, Paris und Mailand statt. Während in diesem Jahr aufgrund der Wahl Donald Trumps zum 45. US-Präsidenten auch die Politik einen großen Raum eingenommen hatte, wurden die Moden für Herbst und Winter 2017 längst vorgestellt. Die Frühlings- und Sommerkollektionen für 2018 werden wiederum im September dieses Jahres präsentiert.
Allerdings haben sich die Dinge in den vergangenen Jahren selbst in der teilweise sehr abgehobenen Modebranche geändert. Aufgrund der langen Vorlaufzeit für die jeweiligen Kollektionen, konnten Billigkopien sogar noch vor dem offiziellen Erscheinungstermin auf den Markt gebracht werden. Ein großes Problem für eine Industrie, die von einzigartigen Produkten lebt. Damit dies nicht mehr so häufig passiert, konnten Mode-Fans bereits Anfang 2017 verschiedene Kollektionen auf den Laufstegen dieser Welt bewundern, die sie nur wenige Wochen später in diesem Frühjahr erstmals in den Schaufenstern finden sollten. Eine solche Verkürzung der Vorlaufzeit ist immer häufiger zu beobachten.
Deutsche Modebranche in der Krise. So glitzernd es in der Modewelt zugeht, so ernüchternd fiel zuletzt die Bilanz der deutschen Modeunternehmen aus. Stellvertretend dafür steht unter anderem das fränkische Traditionsunternehmen WÖHRL. Es lassen sich jedoch viele weitere Negativbeispiele, auch in deutlich größerem Maßstab, aufzählen. Selbst die lange Zeit so erfolgreichen Vertreter der Modebranche am deutschen Aktienmarkt wie Gerry Weber (WKN: 330410 / ISIN: DE0003304101), Hugo Boss (WKN: A1PHFF / ISIN: DE000A1PHFF7) oder Tom Tailor (WKN: A0STST / ISIN: DE000A0STST2) haben sich zuletzt nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Von Pleiten reden wir hier natürlich nicht, allerdings mussten sich die einstigen Vorzeigeunternehmen teilweise sehr schmerzhafte Restrukturierungs- und Sparprogramme verpassen.
Die Aktien von Gerry Weber, Hugo Boss und Tom Tailor wurden nach vorherigen Höhenflügen in den beiden vergangenen Jahren von Börsianern regelrecht verprügelt. Die teilweise in MDAX (WKN: 846741 / ISIN: DE0008467416) und SDAX (WKN: 965338 / ISIN: DE0009653386) gelisteten Anteilsscheine liegen immer noch am Boden, obwohl die Unternehmen neue Mittel- bis Langfriststrategien aufgelegt haben. Diese sollen für eine erfolgreiche Zukunft sorgen. Als Gründe für die Tiefphase der deutschen Modeunternehmen werden von Experten viele verschiedene Aspekte aufgeführt. Häufig wird der Online-Handel an erster Stelle genannt. Er ist jedoch nicht alleine schuld.
Harter Konkurrenzkampf. Neben Amazon (WKN: 906866 / ISIN: US0231351067), eBay (WKN: 916529 / ISIN: US2786421030), Zalando (WKN: ZAL111 / ISIN: DE000ZAL1111) & Co haben sich viele verschiedene spezielle Anbieter im Internet etabliert. Kunden können sich selbst im Netz individuell, zum Beispiel durch Austausch von Körpermaßen oder Fotos, beraten lassen. Früher unvorstellbar. Ein Vorteil, den in der Vergangenheit nur der stationäre Handel hatte. Allerdings ist es nicht nur die Online-Konkurrenz, die den deutschen Modeunternehmen zusetzt. Schließlich haben auch die traditionellen stationären Händler längst ihre eigenen Internetauftritte. Heimische und ausländische Discounter verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Zumal auch klassische Lebensmitteldiscounter wie Aldi oder Lidl mittlerweile die Textilindustrie aufmischen.
Selbst das ungünstige Wetter konnte in einigen Fällen dafür verantwortlich gemacht werden, die Kunden aus den deutschen Innenstädten ferngehalten zu haben. Zu allem Überfluss kamen auch spezielle Probleme hinzu. In einigen Fällen wurde die nationale und internationale Expansion zu schnell vorangetrieben. International hatten auch die deutschen Modeunternehmen China als das Gelobte Land des Wachstums ausgemacht. Als jedoch die Wachstumsdynamik der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt abnahm, mussten auch Unternehmen wie Hugo Boss ihre Wachstumsinvestitionen noch einmal überdenken.
Hugo Boss war zu schnell. Während der MDAX, der Index der mittelgroßen deutschen Werte, das Jahr 2016 mit einem Plus von knapp 7 Prozent beendet hatte, rutschte die Aktie des Modekonzerns Hugo Boss im Vorjahr um rund 24 Prozent ab, nachdem es bereits Ende 2015 in die Tiefe ging. Es kamen gleich mehrere Faktoren zusammen, die das lange Zeit erfolgsverwöhnte Unternehmen belastet hatten. Die deutsche Modebranche insgesamt bewegt sich in einem schwierigen Umfeld. Dazu hatten unter anderem verschiedene Wetterkapriolen beigetragen, die die jeweiligen saisonalen Geschäfte in Mitleidenschaft zogen. Hugo Boss hatte zusätzlich mit einer zu schnellen Expansion in China und einer abrupten Abschwächung der dortigen Nachfrage zu kämpfen. Hinzu kamen Rabattschlachten in den USA und hohe Wachstumsinvestitionen. Eine Gewinnwarnung und die zwischenzeitlichen Unsicherheiten in Bezug auf die Besetzung des Postens des Vorstandsvorsitzenden hatten ebenfalls zu der Verunsicherung von Investoren beigetragen. Allerdings zeigen sich inzwischen die ersten Erfolge der eingeleiteten Umstrukturierungs- und Sparmaßnahmen, so dass die Hugo-Boss-Aktie ein Comeback erlebt. Die Umsatz- und Ergebnisentwicklung hat sich weiter verbessert. Trotzdem ist es noch ein langer Weg. Eine neue Strategie soll Hugo Boss zu alter Stärke führen.
Zentrales Element der neuen Strategie, die Mitte November 2016 auf einem Investorentag in London vorgestellt wurde, ist die Ausrichtung auf die zwei Marken BOSS und HUGO. Zu diesem Zweck will Hugo Boss noch stärker das gehobene Premiumsegment im Auge haben und sich weitgehend aus Rabattschlachten heraushalten. Mit der globalen Harmonisierung der Verkaufspreise und strukturellen Verbesserungen in der Distribution will das Unternehmen außerdem einen global konsistenten Marktauftritt sicherstellen. Darüber hinaus hat das Management erkannt, dass das Thema Internet heutzutage eine enorme Bedeutung hat. Online wird als Vertriebskanal und in der Kommunikation mit den Kunden in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen. Langfristig erwartet Hugo Boss erhebliches Wachstum im Online-Bereich. Zudem wird das Unternehmen seine Prozesse verstärkt digitalisieren und beschleunigen. Aufgrund der Herausforderungen, die rund um die Umsetzung der neuen Strategie zu meistern sind, soll 2017 ein Jahr der Stabilisierung werden. Erst 2018 will Hugo Boss auf den Wachstumspfad zurückkehren. Bereits Ende 2016 zeigten sich aber erste Erfolge der neuen Strategie.
Einstiger Anlegerliebling Gerry Weber. Ende 2016 kündigte der westfälische Modekonzern an, das Showroom-Center „Halle 30“ in Düsseldorf an einen institutionellen Immobilien-Investor veräußert zu haben. So weit war es also schon gekommen. Ohne den Verkauf des Tafelsilbers hätte das SDAX-Unternehmen seine Jahresziele offenbar nicht retten können. Der Kaufpreis für die Immobilie mit 13.500 Quadratmeter Mietfläche betrug 49,1 Mio. Euro. Von Unternehmensseite hieß es, dass der Verkaufserlös zu einem außerordentlichen Ertrag in Höhe von ca. 20 Mio. Euro führte und damit den wesentlichen Anteil des Ergebnisses für das am 31. Oktober 2016 abgelaufene Geschäftsjahr 2015/16 darstellte. So konnte das Management verkünden, trotz der marktbedingt enttäuschenden Geschäftsentwicklung des vierten Quartals 2015/16 (August bis Oktober 2016) nicht nur die Umsatzerwartung, sondern auch die Erwartung für das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) erfüllt zu haben. Zwar verkaufte die Geschäftsführung rund um CEO Ralf Weber, Sohn des Firmengründers Gerhard Weber, den Verkauf des 2011 fertiggestellten und im Düsseldorfer Stadtteil Derendorf gelegenen Showroom-Centers als Teil des Programms zur Neuausrichtung „FIT4GROWTH“ und der Fokussierung auf das Kerngeschäft, allerdings bleibt ein negativer Beigeschmack.
Das Unternehmen mit Sitz in Halle/Westfalen gehörte lange Zeit zu den absoluten Lieblingen am deutschen Aktienmarkt. In den vergangenen Jahren änderte sich dies. Ein rasanter Wachstumskurs mit der Eröffnung viele neuer in Eigenregie geführter Filialen fiel plötzlich in eine von Marktschwächen geprägte Zeit. Das Management musste zurückrudern, Filialen wieder schließen und ein teures Restrukturierungsprogramm auflegen. Hinzu kam die Integration des zugekauften Modeunternehmens HALLHUBER. Diese musste auch erst noch gestemmt werden. Heute vereint Gerry Weber die vier Marken GERRY WEBER, TAIFUN, SAMOON by GERRY WEBER und HALLHUBER auf weltweit nahezu 1.270 eigenen Stores und Verkaufsflächen (davon 312 von HALLHUBER), über 2.300 Shopflächen, 270 Franchise Stores sowie Marken-Onlineshops in neun Ländern.
Darüber hinaus pflegt Gerry Weber den Lifestyle-Gedanken. Hilfreich sind dabei das Gerry Weber Stadion – eine multifunktionale Arena für internationale Sportveranstaltungen und hochkarätige Konzertevents mit 11.500 Plätzen, das eigene Event & Convention Center, ein Golfplatz sowie das Gerry Weber Sportparkhotel mit exklusiver Wellnessanlage. Allerdings verblassen auch solche Angebote, wenn es dem Unternehmen nicht gelingt auch im operativen Kerngeschäft die Kurve zu kriegen und auch an der Börse für positive Nachrichten zu sorgen.
Tom Tailor versucht den Neustart. Auch ein anderes deutsches Modeunternehmen musste sich aufgrund der schwierigen Marktbedingungen ein schmerzhaftes Restrukturierungs- und Sparprogramm verpassen. Das Programm bei Tom Tailor läuft unter dem Namen RESET. Zwar konnte das Unternehmen bereits im Geschäftsjahr 2016 erste positive Effekte aus dem Programm realisieren, es bleibt jedoch ein weiter Weg. Gleichzeitig schlagen die hohen Kosten der Umstrukturierung zu Buche. 2016 musste der Konzern, der für die Dachmarken TOM TAILOR und BONITA sowie die Untermarken TOM TAILOR Kids, Minis, Babys und Denim bekannt ist, einen Verlust einfahren. Der Jahresverlust lag bei 73 Mio. Euro. Dieses Ergebnis beinhaltet Einmalaufwendungen in Höhe von 80,9 Mio. Euro für die RESET-Maßnahmen. Mittel- bis langfristig soll das Programm jedoch die Profitabilität erhöhen.
Auch in 2017 wird RESET eine entscheidende Rolle spielen. Ziel ist es, die Gruppe auf ihr gesundes Kerngeschäft zu fokussieren und alle unrentablen Geschäftsaktivitäten konsequent einzustellen. Im vierten Quartal 2016 zog sich die Gruppe deshalb aus Südafrika zurück und hat des Weiteren rund 250 der bis zu 300 geplanten Filialschließungen eingeleitet bzw. in Teilen sogar bereits abgeschlossen. Außerdem wurden die Marken TOM TAILOR Polo Team und TOM TAILOR Contemporary eingestellt. Im Sommer 2017 wird außerdem die Marke BONITA Men vom Markt genommen. Darüber hinaus steigt BONITA 2017 aus den Märkten in China, den USA und weitestgehend auch aus Frankreich aus. Investoren dürften darauf hoffen, dass RESET damit zu weiteren Erfolgen führt…
Dieser Beitrag ist ein Stück aus marktEINBLICKE – dem Quartals-Magazin der Börsenblogger-Redaktion für Geldanlage und Lebensart. Erhältlich am Kiosk, als Online-Ausgabe oder im Abo. www.markteinblicke.de
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