15.05.2017, 8305 Zeichen
In den nächsten Wochen werde ich mehrere Beiträge darüber veröffentlichen, wie aktive Trendfolge dabei helfen kann, typische Fehler beim alltäglichen Trading auszuschalten. Da dies der erste Beitrag dieser Serie ist, beschäftige ich mich vorab mit der Frage, was ist ein Trendfolgekonzept? Außerdem zeige ich kurz, wie solch ein Konzept dabei helfen kann, Trader vor existenzbedrohenden Verlusten zu schützen. Ich den weiteren Beiträgen schreibe ich dann darüber, welche weiteren Vorteile – aber auch welche potentiellen Nachteile – die Nutzung solch eines Konzepts eröffnet.
Was ist ein Trendfolgekonzept
Unter einem Trendfolgekonzept verstehe ich ein mathematisches Modell, dass Tradern hilft, die (banal wirkende) Börsenweisheit „the trend is your friend“ beim alltäglichen Trading erfolgreich umzusetzen. Es gilt Gewinne laufen zu lassen und Verluste streng zu begrenzen. Hierzu werden klare Ein- und Ausstiegskriterien benötigt. Damit solch ein Regelwerk aufgestellt werden kann, sollte das Konzept mehrere Bewertungen vornehmen:
- Identifikation der Trendrichtung (notwendiges Kriterium)
- Messung der Schwungkraft (absolutes Momentum) des Trends (ergänzendes Kriterium)
- Vergleich der Schwungkraft (relatives Momentum) im Verhältnis zu anderen Aktien (ergänzendes Kriterium)
- Messung der Stabilität des Trends (ergänzendes Kriterium)
Jedes Trendkonzept muss eine Aussage über die vorherrschende Trendrichtung machen. Die Trendrichtung kann zum Beispiel anhand von gleitenden Durchschnitten gemessen werden. Wie ein gleitender Durchschnitt berechnet wird, lest ihr hier: Die 200 Tage Linie.
Die Bestimmung Trendrichtung allein reicht aber nicht aus! So sollte beispielsweise eine Trendumkehr frühzeitig erkannt werden. Zu diesem Zweck messe ich auch die Schwungkraft (das Momentum) eines Trends. Ein Beispiel für solch einen Indikator ist der MACD. Weitere Informationen sind z.B. hier erhältlich: MACD – Ein Indikator für die großen Bewegungen sowie Einsatz des MACD in der Praxis.
Die beiden genannten Bausteine beziehen sich auf die Analyse einer einzelnen Aktie. In welche Aktie(n) investieren Sie aber, wenn diverse Aktien gleichzeitig einen Aufwärtstrend aufweisen? Welche Aktien weisen den stärksten Trend auf? Hierzu kann ein Vergleich der Schwungkraft verschiedener Aktien vorgenommen werden (relatives Momentum). Darüber hinaus wäre es möglich, auch die Stabilität eines Trends zu messen.
In meiner Serie werde ich diverse Beispiele dafür liefern, wie ein Trendfolgekonzept ganz konkret ausgestaltet sein kann. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Definition eines Konzepts von der persönlichen Situation eines Traders abhängig ist (Risikoneigung, Zeithorizont). In diesem Post werde ich anhand eines sehr einfachen Beispiels zeigen, wie solch ein Konzept Trader vor massiven Verlusten schützen kann.
Wie kann mich ein Trendfolgekonzept vor großen Verlusten schützen?
Die Vermeidung großer Verluste sollte meiner Meinung nach die Kernkompetenz eines jeden Traders sein. Der DAX hat zum Beispiel nach der großen Dotcom-Blase zwischen den Jahren 2000 und 2003 einen Verlust in Höhe von mehr als 70% realisiert. Um diesen Verlust wieder auszugleichen, wäre eine Rendite über rund 233% notwendig (vgl. nachfolgende Tabelle). Derartige Schwankungen stellen für Trader existenzbedrohende Risiken dar und es kann Jahre dauern, um solche Verluste wieder aufzuholen.
Selbstverständlich steht in jeder Standard-Lektüre über die Börse, dass Verluste begrenzt werden müssen. Das kann im Alltag aber durchaus schwer fallen. So konnten Wissenschaftler beweisen, dass Anleger dazu neigen, Aktien, die einen Kursverlust aufweisen, länger zu im Depot zu behalten als Aktien, die im Gewinn stehen (Quelle z.B.: Die Angst des Verlierers vor dem Verlust). Kann es einen sachlogischen Grund für dieses Verhalten geben? Sicherlich nicht!
Ein Trendfolgekonzept schützt den Trader vor großen Verlusten, da das Konzept den beginnenden Abwärtstrend frei von Emotionen anzeigt und so die Glattstellung der Position bewirkt. Aber funktioniert das in der Praxis? Schauen wir uns hierzu mal einzelne Charts von Indizes an, die kurz vor einem großen Einbruch standen. Gibt es wiederkehrende Muster, die den Trader vor einem Crash warnen?
Trendfolge in der Praxis
Beispiel 1 – Die Dotcom-Blase
Vorab weise ich kurz darauf hin, dass ich in allen hier gezeigten Beispielen die identischen gleitenden Durchschnitte (GDs) nutze (jeweils auf Basis der letzten 30, 40 und 50 wöchentlichen Schlusskurse). Ich passe die Parameter also nicht der jeweiligen Situation individuell an.
Im ersten Beispiel ist gut zu sehen, dass die GDs beim DAX im Jahr 2000 stagnierten und schließlich begannen zu fallen. Erst danach (!) kam es zu den unvorstellbaren Verlusten der Jahre 2001 und 2002. Trendfolger hätten den heftigen Verlust über rund 70% demnach deutlich begrenzt können. Aber lässt sich diese Erkenntnis auch auf andere Situationen übertragen? Schauen wir uns noch weitere Beispiele an.
Beispiel 2 – Die Finanzkrise
Im zweiten Beispiel wird die verheerende Finanzkrise der Jahre 2007, 2008 und 2009 betrachtet. Ich habe dieses Mal die zuvor erfolgte Aufwärtsbewegung mit dargestellt, damit der gesamte Prozess der „Top-Bildung“ zu sehen ist.
Es ist gut zu sehen, dass die GDs während des gesamten Aufwärtstrends in jeder Woche ununterbrochen stiegen. Anfang 2008 drehten die GDs schließlich und stellten damit ein Indiz für ein erhöhtes Risiko dar. Außerdem ist der DAX unter die GDs gefallen. Der größte Teil der furchtbaren Abwärtsbewegung fand definitiv erst danach (!) statt. Dies unterstützt meine These, dass Trendfolgekonzepte Verluste begrenzen können.
Beispiel 3 – Die große Depression
Im dritten Beispiel möchte ich der Frage nachgehen, ob diese Beobachtung ein Phänomen der letzten 20 Jahre ist oder ob ähnliche Muster auch früher beobachtet werden konnten. Zu diesem Zweck werfen wir einen Blick auf den legendären Crash im S&P 500 beginnend im Jahr 1930.
Es ist leicht zu erkennen, dass die GDs bereits mitte des Jahres 1930 fielen und auch der Kurs war zu diesem Zeitpunkt bereits unterhalb der GDs. Die GDs lieferten demzufolge frühzeitig ein Indiz für die erhöhte Risikolage. Außerdem fällt auf, dass auch in diesem Fall die GDs während der gesamten Baisse ununterbrochen fielen. Das Trendkonzept hätte demzufolge nicht zu früh wieder auf „bullish“ geschaltet.
Die Darstellungen sollen selbstverständlich keine Empfehlung für die Nutzung dieser GDs sein. Ich möchte lediglich zum Ausdruck bringen, dass Trendfolgekonzepte Indizien liefern können, in was für einer Marktphase (Hausse vs. Baisse) sich ein Trader befindet. Meiner Meinung nach ermöglicht das Rückschlüsse in Bezug auf die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Trades. Ich persönlich würde aber für eine Anlageentscheidung neben einem Trendfolgekonzept weitere Punkte berücksichtigen (z.B. Intermarket-Daten, Marktstruktur-Daten, Sentiment-Daten). Mein Trendfolgekonzept ist für mich persönlich aber stets der wichtigste Baustein eines jeden Trades.
In den nächsten Wochen werde ich weitere Beiträge hier auf Trading-Treff.de zum Thema Trendfolge veröffentlichen und unter anderem auf folgende Fragen eingehen:
- Welche weiteren Vorteile kann aktive Trendfolge bieten?
- Welche Risiken ergeben sich durch die Nutzung eines trendfolgenden Ansatzes?
- Wie sehen weitere konkrete Beispiele für Trendkonzepte aus?
- Welche Performance können Trendfolge-Trader erzielen?
Ich hoffe der Beitrag hat euch gefallen und ich freue mich wie immer auf eure Rückmeldung. Bis zum nächsten Mal hier auf Trading-Treff.de sowie auf meinem Blog Trendfolge-Investments.
Viele Grüße
Christian F. Hardt
Dieser Beitrag von Christian F. Hardt wurde von trading-treff.de zur Verfügung gestellt. Dort gibt es Analysen, Wissen und Emotionen zum Trading.
Christian F. Hardt ist technischer Analyst und leidenschaftlicher Trendfolger. Er handelt seit über 10 Jahren verschiedene Basiswerte mit einem Schwerpunkt auf deutsche und amerikanische Aktien. Auf seinem Blog Trendfolge-Investments.com informiert er über aktuelle Investment-Ideen und schreibt wöchentliche Marktkommentare unter Nutzung seines Trendfolgekonzepts.
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