31.07.2016, 5418 Zeichen
Banken-Stresstest, Brexit, Bail-In, juristische Problem – all das lässt sich derzeit mit Fug und Recht über Europas Bankensektor sagen. Also ein „Sell“ auf den gesamten Sektor? Nicht wirklich.
Die Nachricht ließ Ängste, die man seit 2008 wohl mit Fug und Recht als „traumatisch“ bezeichnen darf, hochkommen: Italiens Banken sitzen auf notleidenden Krediten im Wert von geschätzten 360 Milliarden €. Die traditionsreiche Monte Paschi ist dabei die einzige, die beim Banken-Stresstest hinter der Raiffeisen gelandet ist. Premier Matteo Renzi hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Nachricht einen neuerlichen staatlichen Bail-In vorgeschlagen – ein Ansinnen, dass zunächst in Brüssel und Berlin empört zurückgewiesen wurde. Doch ausgerechnet in Gestalt von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ist diese Front bereits gebröckelt. Staatsbeihilfen seien nämlich sehr wohl möglich, „wenn die finanzielle Stabilität auf dem Spiel steht. Jetzt müssen wir herausfinden, was finanzielle Stabilität bedeutet“, so die Kommissarin. Es habe schon in anderen EU-Staaten wie Spanien, Griechenland oder Slowenien sehr schwierige Umstände gegeben, „dennoch ist die Ausnahmeregelung nicht angewandt worden.“ Gleichzeitig verwies darauf, dass sich die Lage nach dem Brexit-Votum für die Banken verschärft habe. „Es geht darum, die Indikatoren im Auge behalten und zu sehen, ob wer aus der grünen Zone in die gelbe oder gar rote abrutscht“. Genau die Brexit-Karte hat dann folgerichtig Italiens Finanzminister Pier Carlo Padoan ausgespielt. Demnach sei der „Auslöser der Krise der letzten Wochen nicht Italien, vielmehr ist sie das Ergebnis des britischen Referendums.“ Hier passt auch ins Bild, dass Reuter Insider aus deutschen Regierungskreisen zitiert, wonach es in Berlin „einen Willen zum Kompromiss bei der Anwendung des Bail-In-Gesetzes gibt.“
ABN als Geheimtipp
Also alles gut? Banken grosso modo kaufen, weil sie ohnehin gestützt werden? Wohl eher nicht. Im Raum steht nämlich noch die Publikation des EZB-Banken-Stresstests am 29. Juli. Da wird es noch die eine oder andere schlechte Nachricht geben, die gerade italienischen Bankaktien wie der Unicredit nochmal das Wasser abgraben könnten. Vor dem Motto „die Bank gewinnt immer“, weil die EU eben immer einknickt, fallen nach Analyse des europäischen Banken-Stoxx aber sehr wohl einige Werte auf, die durchaus attraktiv wirken. Interessante Peripherie-Banken, die dem Klischee Too-Big-To-Fail folgen, wären beispielsweise solche aus Frankreich. Sowohl Credit Agricole wie auch Societé Générale sind von der KGV-Bewertung günstiger als der Median. Die erwartete Dividendenrendite von acht respektive 7,5 Prozent ist mehr als nur verlockend. Bremsend auf den Enthusiasmus wirkt sich aus, dass die Kapitalquoten deutlich unter dem Branchenschnitt liegen. Gerade in Zeiten, in denen notleidende Kredite wieder Schlagzeilen machen, wird genau auf die Kapitalausstattung der Institute geblickt. Als Favorit bleibt somit die niederländische Universalbank ABN Amro übrig. Das für 2017 erwartete KGV von 8,3 liegt zwar leicht über dem Median, die Dividendenrendite mit 5,1 darf aber als beachtlich bezeichnet werden. Mit einer Tier 1 Common Ratio von 15,5 weisen die Niederländer bei dieser Kennzahl außerdem die beste Kapitalausstattung aus
ABN Amro notiert erst seit November wieder an der Börse – der Titel weist trotz seiner Jugend, oder vielleicht genau deswegen, einiges an Potenzial aus
Schwierige Österreicher
Und die beiden Österreicher RBI und Erste Group? Nun, um es kurz zu machen: Ein Kauf drängt sich nicht zwingend auf. Fundamental ist die Erste vom KGV her schlicht relativ teuer, auch die Dividendenrendite liegt unter dem Median, bei der Kapitalausstattung liegt die Bank laut Bloomberg-Daten genau im Schnitt – damit schafft es die Bankaktie trotz des guten, jüngsten Quartalsergebnisses nicht auf die Kaufliste, da die positive Überraschung bereits großteils eingepreist erscheint. Als charttechnisch kurzfristiges Kursziel dürfen 25 € gelten, womit das Aufwärtspotenzial zu Redaktionsschluss schon recht weit ausgeschöpft erschien. Nicht verschwiegen werden soll aber, dass die Schweizer Investmentbank UBS die Erste-Aktie deutlich optimistischer beurteilt. Sie ortet aufgrund der in der vorigen Woche präsentierten Zahlen ein Potenzial von bis zu 31,5 € – von den Kursen zu Redaktionsschluss würde das einem Potenzial von mehr als 30 Prozent gleichkommen.
Bleibt die RBI-Aktie, die zwar günstig erscheint – das hat aber auch seine Gründe. Gerade die internen Unsicherheiten rund um die Konzernstruktur lassen internationale Investoren Vorsicht walten. Hinzu kommt, dass die RBI eine reine CEE-Bank ist und angesichts der politischen Unsicherheiten aufgrund ihres als risikoreich erachteten Osteuropa-Exposures zusätzlich unter Druck steht. Zusätzlich medialer Druck ist durch die Bank durch den jüngsten Banken-Stresstest entstanden. Einzig die Monte Paschi wurde von den Prüfern als schwächer eingeschätzt. Zwar verweist Raiffeisen darauf, dass sich seit dem Jahreswechsel – und somit dem Stichtag der Prüfung – einiges getan hat … die Konkurrenz hat allerdings in der Zwischenzeit auch nicht geschlafen.
Aktie |
WKN/Institut |
KGV 17e |
Div.Rend. 17e % |
Kap.Quote* |
---|---|---|---|---|
ABN Amro |
919423 |
8,3 |
5,1 |
15,5 |
Erste Group |
65201 |
8,9 |
3,3 |
12,3 |
RBI |
060630 |
7,5 |
6,1 |
10,9 |
Unicredit |
A1JRZM |
4,8 |
5,3 |
10,7 |
*Tier 1 Common Capital Ratio |
Im Original hier erschienen: Trotz Stress & Brexit – es gibt noch ein paar Good Banks
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