07.02.2016, 5751 Zeichen
Der Action-Kamerahersteller GoPro Inc aus Kalifornien hat in den letzten eineinhalb Jahren seit dem Börsengang eine wahre Achterbahnfahrt hingelegt und befindet sich nun seit Monaten im freien Fall. Der Chart ist für sich genommen schon sehenswert:
Kürzlich trat dann das Unternehmen via Hiobsbotschaft, gelesen auf dem Finanzportal finanzen.net, auch in mein Aufmerksamkeitsfeld. Auch wenn ich kein Nutzer der Kamera bin, war mir die Marke doch zumindest aus diversen Werbemaßnahmen bekannt. Deshalb habe ich mir das kürzlich veröffentlichte press release zum abgelaufenen Jahr angesehen, um zu überlegen, ob es sich lohnt, hier näher hinzuschauen.
Mein erster Blick geht bei jedem Unternehmen immer zuerst in die Bilanz. Stark zusammengefasst stellt sich diese zum Ende des Jahres 2015 wie folgt dar:
Geld und Wertpapiere | 474 |
Forderungen | 146 |
Vorräte | 188 |
sonstiges | 25 |
Umlaufvermögen gesamt | 833 |
Anlagevermögen gesamt | 270 |
Verbindlichkeiten gesamt | 331 |
Nettoumlaufvermögen | 502,1 |
EK-Quote | 70% |
Net-net cash | 143 |
Die Bilanz ist also sehr solide. Das Unternehmen hat haufenweise Cash und Wertpapiere gebunkert. Bei rund 146,5 Mio. Aktien auf verwässerter Basis ergibt das beispielsweise brutto rund 3,25 USD pro Aktie Cash und Wertpapiere. Das Nettoumlaufvermögen auf undiskontierter Basis beläuft sich auf 3,43 USD je Aktie. Im Jahresvergleich von 2014 auf 2015 konnte man außerdem den Umsatz um über 16 Prozent auf ca. 1,6 Milliarden USD steigern, trotz des starken Dollars.
Soweit, so gut. Was stört den Markt an GoPro derzeit augenscheinlich? Nun ja, erstens wurde im abgelaufenen Q4 ein Verlust von fast 35 Mio. USD eingefahren. Zweitens enttäuscht das Unternehmen hinsichtlich der guidance für das kommende Jahr die Analysten diplomatisch formuliert „nicht unwesentlich“. Für das laufende Quartal wird ein Umsatz von 160 bis 180 Mio. erwartet, gerechnet hatten die Marktbeobachter anscheinend mit 300 Mio…. Aua!
Worauf ist der enttäuschende Umsatzausblick zurückzuführen? Einerseits musste das Unternehmen für seine neue Kamera Hero4 binnen kürzester Zeit mehrfach die Preise senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Andererseits wird anscheinend der Vertrieb älterer Modelle eingestampft. Aus diesem Grund ist auch hauptsächlich der Verlust im letzten Quartal entstanden. Nicht weniger als 57 Mio. musste man auf Vorräte, überschüssigen Einkauf und ähnliche Effekte deshalb abschreiben.
Noch schlimmer sieht es auf der Kostenseite aus. Wenn man sich die Entwicklung der Aufwandsquoten ansieht, wird einem Angst und Bange. Bis auf die Verwaltungskosten sind alle Kostenblöcke (Umsatzkosten, F&E, Vertrieb) deutlich stärker gestiegen als der Umsatz. Die F&E-Kosten sind sogar um fast 60 Prozent förmlich explodiert. Zum Teil wird das aber darauf zurückzuführen sein, dass GoPro in Kürze mit einer Drohne punkten möchte. Ohne in dem Gebiet ein Experte zu sein glaube ich jedoch, dass der Verkauf von Drohnen derzeit mindestens genauso umkämpft sein dürfte wie das Stammgeschäft von GoPro. Es könnte also durchaus schwierig sein, hier signifikante Margen zu verdienen. Außerdem gibt es wahrscheinlich viel größere Hersteller, die ihre Entwicklungskosten auf höhere Stückzahlen verteilen können und somit kostenseitig im Vorteil sind.
GoPro leidet übrigens an einer ähnlichen Krankheit wie viele andere „hippe“ US-amerikanische Technikunternehmen. Man sehe sich dazu auch Amazon, Facebook und Co an. Es werden nämlich in Relation zu den Ertragskennzahlen regelrecht obszöne Beträge für aktienbasierte Vergütungen ausgegeben. Bei GoPro waren das im Jahr 2014 71 Mio. USD und im 81 Mio. USD. Man möge mich nicht falsch verstehen: Leistung muss entsprechend belohnt werden. Wenn aber die Führungsebene quasi die Hälfte des Nettogewinnes einstreicht, der auch mehrere Prozent des Umsatzes ausmacht, dann geht mir das zu weit. In der Cashflow-Rechnung werden diese Summen logischerweise herausgerechnet. Ich finde aber, dass man diese Kosten nicht ignorieren kann, weil sie einen stark verwässernden Effekt ausüben. Würde man diesen Effekt beenden wollen, müsste man wahrscheinlich die cashbasierte Vergütung erhöhen. Dementsprechend ist auch der nachhaltige Cashflow von GoPro nicht so besonders.
Überhaupt muss ich ernsthafte Zweifel haben, dass hier ein Geschäftsmodell vorhanden ist, das über viele Jahre nachhaltig sein kann. Ich meine, man hat im Prinzip ein Produkt (wenn auch in verschiedenen Versionen) und dieses mutet eher wie eine Modeerscheinung an und nicht wie etwas das man wirklich braucht. Es mag zwar der Trend, sportliche Aktivitäten zu filmen und das Material mit anderen zu teilen, länger andauern. Aber ob das in fünf oder zehn Jahren noch eine Kamera macht? Keine Ahnung. Ob es irgendein anderes Medium macht, das GoPro auch vertreibt oder ob diese Methode dann völlig obsolet ist? Auch keine Ahnung.
Ich werde GoPro aber weiter beobachten. Wenn der Kurs noch deutlich weiter fällt, ohne dass der Cashberg aufgezehrt wird, könnte das Unternehmen zumindest als Cigar Butt/Übernahmekandidat interessant werden. Ich persönlich werde das operative Geschäft als „going concern“ nicht bewerten können, weil es eine zu unsichere Zukunft aufweist. Ich denke aber dass man hier derzeit zum allermindesten einen fairen Wert von ca. 700 Mio. US-Dollar ansetzen kann. Das entspräche dem Netto-Umlaufvermögen zuzüglich einem Jahresbetrag an Vertriebsaufwendungen für die Marke. Je nachdem wie bald eine solche Übernahme stattfinden würde und wer der Käufer wäre, könnte der Markenwert auch noch deutlich höher sein. Das gilt insbesondere, wenn der Käufer bereits eine sehr breit gefächerte, fertig entwickelte Produktpalette besitzt, die er unter der „coolen“ Marke GoPro vertreiben könnte.
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