03.05.2015, 34504 Zeichen
Die Anfangszeilen eines 24-Stundenlauf-Berichts sind immer die am schwierigsten zu formulierenden. Wie steigt man am besten in den Bericht ein? Zuviele Gedanken gleichzeitig wollen geäußert werden. Naja, ich probiere es chronologisch, dann ist es am einfachsten nachzuvollziehen.
Freitag vormittag mache ich mich auf die Reise von Wien nach Sárvár. Im Gepäck jede Menge gute Wünsche, auch einige hohe Erwartungen und vor allem auch 44 Sponsoren, die meine Kilometer in Bares zugunsten eines Projekts der Stiftung Kindertraum umwandeln werden. So viele Rückmeldungen und so viel Anteilnahme an einem 24-Stundenlauf von meiner einer gab es bisher noch nie.
So wurde ich die letzten Tage doch angespannter und angespannter und war froh, dass ich nun endlich - zumindest mit der Anreise - Nägel mit Köpfen machen konnte und das Warten ein Ende hatte.
Frühling in Sárvár |
Als ich mittags in Sárvár ankam, machte sich auch das Veranstalter-Team gerade daran, die Infrastruktur des Start/Ziel/Versorgungs-Bereichs aufzubauen. Auf einem nicht abgesperrten Plätzchen der Straße platzierte ich dann sogleich das Wohnmobil hin. Einen Stellplatz, den man hat, hat man. Aber für alles weitere wollte ich abwarten, was denn der Veranstalter so an Zelten aufbaut und überbrückte die Zeit mit Mittagessen und einer ordentlichen Portion Ricotta/Spinat-Tortelloni.
Basislager |
Kaum war ich damit fertig, rückte der Veranstalter auch schon ein Zelt unmittelbar neben das Wohnmobil. Ich versuchte also, Kontakt aufzunehmen und zu fragen, ob ich im Weg bin. Es entwickelte sich das gleiche Gespräch wie letztes Jahr "Ruski?" - "Nema ruski" :-). Aber es war auch ein Mitarbeiter zugegen, der mit mir auf Englisch konversieren konnte. So klärten wir die Sachlage. Ja, sie brauchten den Platz, wo ich gerade parkte, aber ich kann mich problemlos ein paar Meter weiter vorne hinstellen. Und ja, das Zelt kann ich dann auch aufstellen. Gut, super. Also ein Stückchen weiter nach vorne parken fahren und dann auch gleich das Zelt aufbauen, weil dann ist das Basislager fertig und ich kann beruhigt dem Start entgegen fiebern. Unser geniales Faltzelt kann man netterweise auch alleine aufbauen, nur das Abspannen war teilweise etwas schwierig im Asphalt :-). Aber ein paar Löcher fand ich doch und zusätzliche Wasserkanister als Beschwerung machten das Zelt windfest. Also sehr stressfrei alles erledigt. Heuer ist am Renntag kein Zeltaufbau um 6h früh nötig (siehe Bericht des Vorjahrs).
Bahnhof Sárvár |
Warum übrigens Aufbau alleine? Meine Frau Carola konnte nicht so früh mit mir nach Sárvár fahren, sondern hatte noch zu arbeiten und kam mit dem Zug nach. Der hatte leider etwas Verspätung, sodass sie den Anschluss von Szombathely nach Sárvár verpasste und eine Stunde später eintraf. Aber kein Problem, wir waren nicht im Stress und so döste ich einfach noch etwas weiter im Wohnmobil. Ziemlich warm war es übrigens in Sárvár. Nicht direkt heiß, aber doch zumindest 20°C hatte es. Angenehm, aber ungewohnt. Zumindest mein Wetterwunsch ging schon einmal in Erfüllung: besser (zu) warm als 24 Stunden Dauerregen und Kälte.
Ich machte mich zwischendurch auch auf eine Runde Streckenbesichtigung auf. Hm, ein wenig verklärt hatte sich meine Erinnerung an Sárvár doch oder der Asphalt hatte den Winter über massiv gelitten. Einige Löcher fielen mir auf, auch ein leichtes Hängen nach innen, aber letztes Jahr war es doch gut laufbar. Das tat meiner guten Stimmung jedenfalls keinen Abbruch. Es wird schon funktionieren morgen.
Mittlerweile war auch Matjaz B., unser slowenischer Wohnmobil-Nachbar vom Vorjahr, eingetroffen, also wirklich alles ident zum Vorjahr - nur würde hoffentlich meine Leistung besser sein.
Restaurant Tinódi |
Jetzt war es aber wirklich Zeit für Startnummernabholung und Pasta-Party. Beides im Restaurant Tinódi, ca. 800m von Start/Ziel entfernt. Dort traf ich dann auch Carola, die es nun ebenfalls nach Sárvár geschafft hatte. Mit Miro K. sah ich ein weiteres vertrautes Gesicht, der vor zwei Wochen in Turin bei der Weltmeisterschaft am Start gewesen war, dem es dort aber nicht gut ergangen war und er das Rennen hatte abbrechen müssen.
Ungarische Pasta |
Es hatte sich mittlerweile eine Schlange gebildet und so musste man ein wenig auf die Ausgabe der Startnummer warten. Etwas, was mich normalerweise vor einem Lauf massiv nervt. Aber ich war diesmal extrem gelöst und locker, sodass es mich nicht im geringsten störte. Allzulange dauerte es auch nicht, nach 10 Minuten etwa hatte ich meine Startnummer 46 (bringt die Glück?) und konnte mir den Teller Pasta abholen. Wieder die gute vegetarische Pasta wie im Vorjahr mit Nudeln, Kartoffeln und natürlich Essiggurkerl. Hmmm, gut schmeckte die. (Da bekomme ich jetzt beim Verfassen des Berichts gleich wieder Hunger!)
die ehemalige Wasserburg |
Danach zurück zum Wohnmobil, die Strecke noch einmal abgehen, auch ein bisschen in die Burg hineinlugen und dann wieder Beine hochlagern am Abend und ca. um 21h45 ab ins Bett, morgen würde es ja ein langer Tag werden.
Die Nacht war auch sehr gut, ich schlief tief und fest durch bis 7h45 als der Wecker läutete. Aufstehen, Frühstücken, alles fühlte sich total locker und entspannt an. Ein bisschen Infrastruktur fürs Zelt rausräumen (Lampen, Camping-Liegen, Tisch), meine Betreuer Winfried, Diana & Michael begrüßen, die mittlerweile auch in Sárvár angekommen waren. Dann rein ins Laufgewand und wieder ein bisschen hinlegen. Carola bereitete währenddessen die ersten paar Liter Iso-Getränk (UltraSports Buffer) zu.
Dream-Team Foto: Michael Bernard |
Das Laufgewand war übrigens die dünnste Variante, die ich mit hatte, denn schon jetzt um 9h30 war es gehörig warm. Kein Vergleich zum Vorjahr, wo ich beim Start etwas fröstelte. Ich trabte noch ein paar Meter auf und ab, dann Einschwören mit den Betreuern, dass wir als Team alles geben werden für viele Kilometer und dann war's eh schon Zeit für die Startaufstellung.
Dort traschte ich dann während der Ansprachen, von denen ich leider aufgrund meiner mangelnden Ungarisch-Kenntnisse nix verstand (außer die Stellen, wo zu applaudieren war), ein wenig mit Miro und wünschte auch Matjaz alles Gute.
Start Foto: Michael Bernard |
Countdown, gleich geht's los. Ja, jetzt geht's los. 10 Uhr - Start! Ein halbes Jahr Training soll heute umgesetzt werden. Die erste Runde (Rundenlänge 1.030,73 Meter) laufe ich wie geplant etwas flotter in 4:42min/km, um dann über die nächsten Runden kontinuierlich langsamer zu werden und nach 6 Runden pendelt sich mein Tempo schön bei ca. 5:53-5:55min/km ein. Also ziemlich vergleichbar mit dem letzten 100km-Trainingslauf im Prater.
die ersten Meter Foto: Michael Bernard |
Es fühlt sich zwar nicht schlecht an, aber es läuft nicht so locker wie bei eben diesem Trainingslauf. Dabei bin ich körperlich wesentlich erholter, aber irgendwie fühle ich mich gehemmt bzw. spüre einen gewissen Druck.
Schließlich hatte ich für jede Menge Publicity im Vorfeld gesorgt, um auf meine Benefizaktion zugunsten der Stiftung Kindertraum aufmerksam zu machen. Dazu gehörten auch die wöchentlichen Blog-Einträge, die auch der Dramaturgie wegen natürlich Hochrechnungen "Wie weit kann ich es schaffen?" enthielten. Die (meine?) Erwartungen waren daher hoch gesteckt. Auch einige andere Ultraläufer waren überzeugt, dass die 200km-Marke diesmal fallen würde. Ich selbst gebe die Parole aus: Mindestziel ist eine neue Bestleistung, realistisch sind 190-195km und wenn ich den optimalen Tag habe, dann könnte ich auch über 200km erreichen. Natürlich hoffe ich sehr auf den optimalen Tag.
Diese Publicity wirkte auch, 44 private Sponsoren konnte ich akquirieren, eine neue Bestleistung und selbst bei "nur" 100 Laufkilometern, hätte ich bereits fast EUR 1.500,- für den guten Zweck hereingelaufen. Bei 170/180/190km wären es EUR 3.400 / 3.700 / 4.000. Diese Summen sollten dann auch noch von der gemeinnützigen Stiftung meines Arbeitgebers verdoppelt werden, es ging also um wirklich viel.
Diana & Twinky-Motivation Foto: Michael Bernard |
Zur Motivation hatte Carola auf meine Bitte hin auch ca. alle 200m an Laternen, Elektrokästen und ähnlichem meine persönliche Twinky-Motivation geklebt, damit mir stets bewusst ist, wofür ich meine Runden drehe!
Werde ich den Erwartungen gerecht werden können? Mittlerweile war es jedenfalls richtig warm geworden. Wenigstens wehte ein leichter Wind, der für ein wenig Kühlung sorgte, aber nichtsdestotrotz war es unumgänglich auch die Kappe regelmäßig einzuwassern, um den Kopf kühl zu halten.
Nach 3 Stunden und ca. 31km ist es Zeit fürs Mittagessen und eine ordentliche Portion Pasta - natürlich genossen im Gehen. Die schmeckt gut, aber das Gefühl der Leichtigkeit will sich trotzdem nicht einstellen. So trotte ich dahin.
Der zeitgleich gestartete 6-Stundenlauf befindet sich nun schon im letzten Drittel und die 6h-Läufer sind alle ziemlich erledigt. Sehr viele gehen, teilweise ist nun ein wenig Slalom laufen notwendig. Viele klagen auch über die Hitze wie ich den Gesten und teilweise Gesprächen mit mir entnehmen kann.
5h33 - es wird zäh |
Nach 5 Stunden spüre ich deutliche Schmerzen im rechten Gesäß, die auch den Oberschenkel hinunter ausstrahlen. Da dürfte der Piriformis, die Adduktoren und der untere Rücken schon ziemlich angeschlagen sein. Ich vermute eine Auswirkung der kontinuierlichen leichten Linkskurve mit Neigung zum Straßenrand. Naja, hilft nix, da muss ich durch, hoffentlich vergeht es wieder bzw. wird wenigstens nicht schlimmer.
16 Uhr. Der 6h-Lauf ist nun fertig und die HeroInnen sitzen auf der Strecke herum und warten auf die Restmetervermessung. Ich gratuliere jedem beim Vorbeilaufen (Gratulálok! Gratulálok!), das lenkt auch mich von den Strapazen - leider sind es bereits jetzt welche, eigentlich viel zu früh, bei dem was noch die nächsten 18 Stunden auf mich wartet! - ab. Meine Hoffnung ist, dass es jetzt wenigstens kühler wird.
Wasserschaffeln heiß begehrt |
Die Hoffnung wird aber bald zunichte gemacht, denn der Wind lässt nach bzw. legt sich komplett, sodass nun der Kühlungseffekt fehlt. Ergo: es wird gefühlt noch wärmer!
Miro hat mittlerweile die Segel gestrichen, für seine geplante Leistung war es einfach zu warm und sein Magen spielte bei den Temperaturen nicht mehr mit. Schade, wieder ein Mitläufer weniger, mit dem ich mich etwas unterhalten konnte oder mich einfach freute, wenn wir uns bei einer Überrundung (also er mich :-)) begegneten.
Auch Matjaz sehe ich fast unmittelbar danach geduscht im Badetuch neben unserem Stellplatz stehen. Offenbar hatte ihm die Hitze ebenfalls zu schaffen gemacht.
nach etwas über 8h Foto: Michael Bernard |
Nach 8 Stunden bin auch ich extrem fertig (sieht man später auch am Video unten - ABER HALT, erst weiterlesen, Video schauen gibt's später als Belohnung fürs Lesen! :-D). Ich habe gerade erst einmal 76km geschafft, bin also langsamer als beim 100er-Trainingslauf. Irgendwie ist es auch sehr fad, ich habe kaum Gesprächspartner, damit viel Zeit, in mich hineinzuhören und auszuloten, wo es denn überall zwickt und zwackt im Körper. Sehr viele Gehphasen habe ich nun auch schon und der Kopf fühlt sich durchgekocht an. Hoffentlich habe ich nicht zuviel Hitze abbekommen.
Gefühlt drohen mir jetzt jedenfalls 16h gehen. Ja, ich Idiot beginne zu denken und zu rechnen und vor allem in die Zukunft zu denken. Hör auf damit, das macht Dich nur fertig! Aber aus dem Strudel rauskommen ist gar nicht so einfach. Eigentlich würde ich jetzt am liebsten aufhören. Ich überlege, Diana & Michael, die extra für die Übernachtung ein Appartment gemietet haben, zu fragen, ob sie das nicht noch stornieren können und heimfahren wollen - weil mir 16 Stunden beim Wandern das Handerl halten, das bringt ja nix. Aber ich sage nichts, weil ich den Ausgang der Diskussion ohnehin erahne und außerdem habe ich ja versprochen, nicht zu jammern.
Und dann sind da noch die Spenden. Weil 76km habe ich schon und wenn ich jetzt 16 Stunden wandere zu 5 Kilometer die Stunde, dann sind das auch nochmals 80 Kilometer mehr. Also weitermachen! Vom 200er verabschiede ich mich, dem Druck habe ich nicht standgehalten und wohl trotz Hitze etwas zu sehr aufs Tempo gedrückt.
Etwas deprimiert bin ich jetzt schon, weil ich habe das Gefühl, alles unter 200 Kilometer gilt als Niederlage, selbst wenn ich zu einer neuen Bestleistung laufen würde (an die ich momentan aber auch nicht mehr glaube). Ich habe für mich selbst auch nicht das Gefühl, stolz auf eine Leistung unter 200 Kilometern sein zu können. Ich bekomme den Kopf einfach nicht frei von diesen Gedanken und dieser Emotion. Es läuft einfach nicht so recht.
Aber weiterkämpfen. Irgendwann wird es schon wieder besser werden, die ultralichen Wiederauferstehungen habe ich bei mir doch schon einige Male erlebt, glaube aber momentan nicht daran.
In dem Bericht von Thomas B. von der 24h-WM in Turin habe ich die Idee, Ingwer während des Laufs zu essen, gefunden. Das hat mir zugesagt, weil frischen Ingwer mag ich ja (esse ich abends fast täglich kleinwürfelig eingerührt in einer Topfen-Erdbeer-Mischung). Das sollte wohl den Magen beruhigen, aber ich denke auch gegen Entzündungen wirken und vor allem durch die leichte Schärfe für neue Frische auch im Kopf sorgen. Hat gar nicht so schlecht funktioniert und auch den Kohlenhydrategeschmack aus dem Mund verdrängt.
Aber die geistige Frische wich leider bald wieder der Fadesse und nachdem Ingwer und die Stimmung an der Strecke mir nicht aus dem Tief raus halfen, da nur auf ca. 400m Länge bei Start & Ziel mehr los war, man dann aber auf 600m der Strecke praktisch komplett alleine war, nehme ich mir nun bereits nach 9 Stunden den MP3-Player und setze auf die Kraft der Musik. Das lenkt nun etwas ab, von Anfang an wollte ich ihn aber nicht nehmen, um einen Joker zu haben. Eigentlich hatte ich ja auch gehofft, länger ohne Musik durchzuhalten und erst ab Mitternacht (also nach 14 Stunden) mit Musik zu laufen.
Jetzt geht dann übrigens bald die Sonne unter, es sollte also wirklich besser werden und die Nacht verspricht dafür wenigstens mild zu werden.
läuft wieder besser Foto: Michael Bernard |
Der 12-Stundenlauf befindet sich auch bereits in der Endphase und Csaby, einer der Läufer mit seinem Namen am Trikot (gute Idee, so etwas brauche ich auch ;-)), überrundet mich in dieser Gehphase wieder und wieder. Er selbst legt übrigens auch immer wieder kurze Gehpausen ein, wenn ihn aber jemand mit "Hajrá, Hajrá" anfeuert, sprintet er mit einem breiten Lachen los als wäre der Lauf gerade erst gestartet worden. Das fällt mir natürlich auch auf und so gibt's auch von mir für Csaby "Hajrá, Hajrá". Im Gegenzug klatscht er dafür ab und so habe ich etwas Ablenkung und versuche auch wieder ins Laufen zu kommen. Nach dem Lauf komme ich übrigens drauf, dass Csaby in den 12h 137,56km absolviert hat - alter Schwede (oder Ungar?! ;-)), eine richtig starke Leistung und das mit einem etwas unorthodoxen Rhtyhmus.
Langsam wird es mit den kühleren Temperaturen auch bei mir besser, meine Betreuer versuchen auch alles zu meiner Unterstützung. Mein erstes Teilziel von 100km in 10h30 schaffe ich leider nicht, es werden 10h53. Aber es ist ja noch nix verhaut, vielleicht geht der 200er ja doch noch, wenn ich jetzt wieder in Fahrt komme. Jedenfalls sollte es doch noch eine respektable Leistung werden können. Aber ich sollte aufhören, herum zu überlegen, das bringt ja jetzt noch gar nix. Wie sagte mir Georg M. vor dem Lauf: erwarte nichts vor Stunde 20. Aber es gelingt mir offensichtlich nicht :-(. In Stunde 11 bin ich auch wieder deutlich langsamer geworden, dafür esse ich ordentlich.
Outfit für die Nacht Foto: Michael Bernard |
Stunde 12 wird dann mit nur 5,3 absolvierten Kilometern die zweitlangsamste des ganzen Laufs. 106km hab ich aber dennoch nach 12 Stunden geschafft und mit der Regel "in der zweiten Hälfte 20km weniger als in der ersten" käme ich auf 192km. Langsam werde ich wieder munterer, fühle mich auch fitter, nur etwas kühl wird es. Also zunächst ein langärmliges Leiberl oben drüber anziehen. Das ist gut, aber jetzt werden die Knie kalt. Also rein in die neue 3/4-Hose, die ich extra noch 1,5 Wochen vor dem Lauf im Geschäft von "Laufpapa" Blutsch gekauft habe. Weil bis jetzt hatte ich keine richtige Alternative für Temperaturen zwischen 10° und 17°C. Aber die Hose ist perfekt.
Dafür ist mir jetzt, wo die Knie gewärmt werden, oben etwas zu warm in der Gesamtklimakonstellation. Also kurzärmliges Shirt ausziehen, nur langärmliges anbehalten. Das ist oben wieder zu kalt. Damit ich mich nicht dauernd Runde für Runde an- und ausziehen muss - kostet ja Zeit und mit dem Kabel vom MP3-Player verheddere ich mich dabei auch ein paar Mal - ziehe ich nun einfach ein Singlet oben drüber an. Schaut vielleicht komisch aus, aber wirkt. Jetzt habe ich die passende Temperaturabstimmung gefunden.
Ich glaube, in dieser Phase spricht mich auch Attila D. an. Ein Ungar, der eigentlich in Bregenz lebt, und den 24-Stundenlauf mit einem Heimatbesuch verbindet. Rein optisch erinnert er mich an den lieben Ultraläufer Franz L. - und auch vom Wesen ist er ebenso nett wie Franz. Die Unterhaltung tut sehr gut, irgendwann sagt Attila, dass er jetzt aber wieder etwas joggen muss. Naja, ich kann leider noch nicht. Oder doch? Ich versuche es und es funktioniert so halbwegs. Unsere Wege trennen sich dann doch aber wieder aufgrund des unterschiedlichen Tempos, aber ein paar Mal laufen wir auch später immer wieder zusammen.
Ich komme nach 14 Stunden dann wieder richtig ins Laufen. Lockere Runden in knapp über 6:00min/km folgen. So geht das die nächsten Stunden dahin, ich ziehe durch die Nacht, pflüge durchs Feld und bin gefühlt der Zweit- oder Drittschnellste auf der Strecke. Zumindest überholt werde ich nur von ein bis zwei Läufern. Nach 13h52 habe ich 120,6 Kilometer absolviert. Also noch 10 Stunden Zeit für 80km, noch 80km bis zum großen Traum. Das muss doch gehen. Vor allem fühle ich mich gerade bärenstark, so kann ich ja ewig dahin laufen.
Winfried, der in dieser Phase Betreuerdienst hat, mahnt zur Vorsicht und dass ich etwas zu schnell laufe. Hm, ja, da hat er schon recht. Aber es läuft gerade so gut, es fühlt sich locker an und ich muss eh die bisherigen Schwächephasen aufholen. Außerdem: besser jetzt die gute Form nutzen, weil wer weiß, wann es wieder nicht mehr läuft. Ob eine Tempoverringerung rückblickend betrachtet doch etwas gebracht hätte? Ich weiß es nicht. Gefühlt habe ich nicht überpaced, weil anstrengend hat sich das Laufen nie angefühlt, sondern endlich exakt so locker wie in den Trainingsläufen.
es/er läuft noch ... Foto: Michael Bernard |
Nach 16 Stunden habe ich 140km in den Beinen, ich laufe etwa einen Schnitt von 6:27min/km, also ca. 9,3km/h. D.h. halte ich diesen Schnitt noch zwei Stunden, dann habe ich 6 Stunden Zeit für einen Marathon und bin bei 200km. Mensch ja, das muss doch funktionieren, das könnte doch noch mein Tag werden.
Aber wie das so ist beim 24-Stundenlauf, theoretisch alles ganz einfach, praktisch fällt mir nach 17h und knapp 150 Kilometern das Laufen wieder schwerer und schwerer. Innerhalb von 20 Minuten breche ich radikal ein und kann nach 17h20 wieder nur gehen. Mit Diana & Michael, die mich jetzt betreuen, werfe ich das Notfallprogramm an: Gels, Maltodextrinmischung, Kekse, alles was ich habe verputze ich. Und ich marschiere weiter in der Hoffnung, dass es mit der Energie bald wieder besser wird. Aber ich verfalle dennoch zunehmend. Das gibt es ja nicht. Ein paar Sitzpausen von zwei bis vier Minuten lege ich jetzt auch ein, vielleicht tut es den Beinen gut. Der Kreislauf spinnt auch ein wenig, meist ein Zeichen, dass der Darm seinen Auftritt haben möchte. Somit auf den Topf. Ja, war nötig und hilft ein wenig.
Beim Gehen wird mir jetzt richtig kalt, also mehr anziehen. Immer wieder versuche ich anzulaufen, aber es geht einfach nicht.
im Tief Foto: Michael Bernard |
Irgendwann in dieser Gehphase und frühmorgens dann auch eine Schrecksekunde. Etwa 300 Meter der Laufstrecke befinden sich auf einer der Hauptstraßen von Sárvár, wobei der Läuferbereich durch Absperrhütchen abgetrennt ist. Ein paar Halbstarke versuchen, mit ihrem Auto zwischen diesen Hütchen Slalom zu fahren, kommen dabei natürlich auch in den Läuferbereich, wo aber gerade keiner läuft. Aber mit zwar noch einigem Abstand kommen sie mir entgegen. Sicherheitshalber hüpfe ich (naja, in meinem Zustand klettere ich eher) auf den Gehsteig. Einem Absperrhütchen können sie übrigens nicht mehr ausweichen, das fliegt quer über die Fahrbahn. Danach reicht es ihnen wenigstens mit Slalom fahren und sie fahren "normal" weiter. Puh, mein Adrenalinspiegel ist jetzt jedenfalls mal oben. Aber wirklich besser geht's mir trotzdem nicht.
Aber gut, wenigstens sind die 24 Stunden bald vorbei, die letzten Stunden Durchwandern ist zwar fad, aber das geht schon. Blödmann, warum schaust Du soviel auf die Rennuhr, wieviele Stunden es noch sind. Naja, sie steht gar so plakativ bei Start & Ziel. Auch meine Kilometer an der Anzeigetafel erkenne ich jetzt in der Dunkelheit perfekt. Das war in Irdning letztens besser, da habe ich kaum etwas mitbekommen bzw. war auch durchs Publikum abgelenkter.
Auch die Bauchmuskulatur zwickt jetzt schon gewaltig, ich kann mich nicht mehr richtig aufrichten. Genau orten kann ich es nicht, ob es die Stützmuskulatur ist, der Magen selbst, der innerlich zwickt, oder das Zwerchfell vom Atmen. Jedenfalls: es ist unangenehm und ich bewege mich in etwas gekrümmter Haltung voran. Nicht optimal für eine entspannte Fortbewegung.
Jetzt geht langsam die Sonne auf, die Vögel erwachen, bald ist es geschafft. Und ja, ich könnte doch noch in die Nähe meiner Bestleistung kommen. Meine Betreuer ermahnen mich, ordentlich zu essen, aber es sind so komplizierte Wahlfragen ob ich lieber A oder B möchte. Aber immerhin hat es zur Folge, dass ich mich auf jeden Fall für A oder B entscheide. Weil bei nur "Magst Du A?" kann ich ja mit Ja oder Nein antworten, also eine 50% Chance, dass ich nix nehme. So nehme ich mit 100% Wahrscheinlichkeit jedenfalls A oder B. Gute Strategie!
Auch Trinken soll ich. Nun, das ist ein wenig ein Problem. Denn jedes Mal trinken, und seien es auch nur ganz wenige Schlucke, bringen meine Blase auf Trab und ich muss pinkeln. Eh gut, dass die Niere funktioniert, aber halt lästig, weil ich dabei wertvolle Zeit verliere. Irgendwann teile ich meinen Betreuern (ich weiß nicht mehr, wer genau sich dieses Bild im Kopf vorstellen musste) mit, dass ich mich jetzt bald einfach anpische, weil mir das dauernde Stehenbleiben schon so auf die Nerven geht - habe ich dann aber eh nicht durchgezogen!
Im Feld sind jetzt auch nur mehr die letzten KämpferInnen auf der Strecke und wir motivieren uns gegenseitig so gut es geht. Das gibt Kraft. Auch Miro steht wieder an der Strecke und feuert an. Die letzten zwei Stunden. 178 Kilometer habe ich schon. Also meine Sárvár-Bestleistung vom Vorjahr ist eingestellt. Wenn ich jetzt einen Halbmarathon in knapp unter 2 Stunden schaffen würde, wären sogar noch 200 Kilometer drinnen. Aber das geht nicht mehr, da ist leider kein Laufen derzeit mehr drinnen. Meine Beine sind einfach nur steif. Es krampft nichts, aber die Beweglichkeit ist dahin. Wenn ich anlaufe, fühlt sich das an wie ein Brett. Ich kann beim "Laufen" nur mit den Füßen über den Boden schleifen. Zumindest fühlt es sich so an. Also gehen, gehen, gehen, da kommen auch Kilometer zusammen und mit 5 Kilometer pro Stunde schaffe ich auch noch 10 Kilometer und damit eine neue Bestleistung: bisher waren das 185,795km, die es zu schlagen gilt und überschlagsmäßig komme ich in Richtung 188km.
eine knappe Stunde noch Foto: Michael Bernard |
Aber mit Gehen und Laufschlurfen bin ich doch etwas flotter und so habe ich nach 23h10 186,56 Kilometer geschafft und habe mein Mindestziel einer neuen Bestleistung erreicht! Ich juble bei Start & Ziel, bin aber der einzige. Meine Betreuer schauen mich nur groß und fragend an. Ich bin aber zu fertig, um ihnen zu erklären, warum ich juble, sondern laufe halt einfach - leicht verwundert - weiter. Nachher erfahre ich, dass in den internen Aufzeichnungen ihnen zu dem Zeitpunkt eine Runde gefehlt hatte. Das hatten sie auch vermutet, aber gleichzeitig hatten sie mit mir alle Hände voll zu tun und mein Wohlergehen hatte Vorrang vor der Richtigstellung des Zahlensalats. So erwarteten sie daher erst eine Runde später die Bestleistung. Naja, besser so als sie jubeln eine Runde zu früh oder kümmern sich nicht um mich um die Zahlen richtig zu stellen :-D. Und so haben sie dann nach 187,6km halt gejubelt, da war's aber für mich schon wieder vorbei und ich setzte mir neue Ziele.
42 Minuten noch ... |
Schließlich hatte ich noch 42 Minuten Zeit, da müssen sich doch 190km auch noch ausgehen. Bei meinem momentanen Tempo müsste es sich auch ziemlich genau so ausgehen, dass ich nach 24 Stunden genau bei Start & Ziel zu stehen kommen sollte. Richtig laufen kann ich nicht mehr, in der linken Wade hat sich mittlerweile doch ein ziemlich brennender Knödel in der Muskulatur gebildet. In diesen Schmerz möchte ich nicht zu stark hineinlaufen, damit da nichts passiert. Laufschlurfen funktioniert halbwegs, dann aber wieder Gehen zur Entlastung. Ein Endspurt wie letztes Jahr in Sárvár ist leider nicht mehr drinnen.
190,7 Kilometer, vorletzte Runde. Fein, knapp über 192km sollte ich wohl schaffen.
191,7 Kilometer, Runde Nummer 187 wird jetzt die letzte vollständige Runde werden. Carola begleitet mich nun auf dieser und sagt mir, dass ich nach Start & Ziel noch 300 Meter schaffen muss, damit ich auch die 193km knacke. Ich meine nur, das geht nicht mehr, versuche aber doch so oft als möglich anzulaufschlurfen.
Bei der letzten Annäherung zu Start & Ziel, 192,75 Kilometer habe ich jetzt, sehe ich beim Countdown, dass ich noch 1:50 Zeit habe. Mensch, das muss sich ausgehen, denn 300m im 5:00min/km-Schnitt dauern 1:30, jetzt bin zwar etwas langsamer beim Laufschlurfen, aber wenn ich noch raushole was geht, komme ich vielleicht in die Nähe eines 5er-Schnitts. Mit gefühlt 45° Rückenlage, vollem Fersenschritt geht's über die Zeitmessmatte und ich laufschlurfe was das Zeug hält. Beim Zelt versuche ich zu schreien, dass mir der Camping-Sessel hinterhergetragen wird, weil wenn's vorbei ist, dann bin ich wohl streichfähig. Aber mir fehlt die Kraft und es wird eher ein Flüstern. Carola vermutet, dass Winfried mein "Sessel bitte" nicht gehört hat, wir sind am Zelt schon vorbei, so schreit sie sicherheitshalber noch rasch "Sessel!!". Ich habe einen Tunnelblick, habe nur mehr eine Auge offen (beide wäre zu anstrengend), sehe nur mehr auf zwei oder drei Metern die Strecke vor mir. Schlurfen, Schlurfen, Schlurfen.
Der ungarische Countdown von 10 Sekunden runter setzt ein. 10, 9, 8, 7, da vorne ist im Augenwinkel ein Schattenfleck, da will ich hin, 6, 5, 4, Schatten, gleich hab ich ihn, 3, 2, 1. Schatten erreicht. Ende. Ich bleibe stehen, die Blase meldet sich auch sofort wieder. Carola hat die letzten Minuten mitgefilmt, aber jetzt, wo ich in die Büsche muss, ersuche ich sie, abzudrehen :-).
FERTIG! |
Erleichtert (im mehrfachen Sinn) setze ich mich in den Sessel, der auch mittlerweile eingetroffen ist. Geschafft, aber ich bin zu fertig für irgendeine Emotion. Bin einfach nur froh, dass es vorbei ist.
Restmetervermessung |
Etwas desorientiert sitze ich da, weiß nicht genau, was jetzt tun. Jedenfalls warten auf die Restmetervermesser. Die kommen auch recht bald und das Wichtigste ist mir jetzt natürlich, ob es mit den 300 Metern geklappt hat. Ja, hat es! 193km sind auch geknackt und genau sind es 193,123 Kilometer geworden (auf den Meter genau leicht zu merken ;-)).
Jetzt also Zurückhumpeln zum Basislager, den Mitläufern gratulieren. Meine Betreuer bauen das Basislager ab. Das ist irgendwie immer der traurige Moment, wenn sich bei einem Ultralauf binnen zwei Stunden alles auflöst und es so aussieht, als wäre die 24 Stunden davor gar nix gewesen.
Siegerehrung |
Heuer bleibe ich auch noch zur Siegerehrung, schließlich haben meine 193,123 Kilometer neben dem 8. Gesamtrang auch für den 3. Platz in der Altersklassenwertung gereicht. Juhu!
Fazit: ich bin zufrieden mit der Leistung, aber nicht euphorisch, dazu waren die Erwartungen zu hoch. Um das Positive zu sehen: immerhin habe ich meine Bestleistung von 172,4 Kilometer im September 2013 in 19 Monaten um ca. +12% auf nunmehr über 193km steigern können.
Aber so "richtig" gut läuft es halt leider immer noch nicht. Vor allem auch angesichts des Trainingsaufwands, den ich jetzt für Sárvár betrieben habe.
Ich muss mir also überlegen, wie es jetzt weiter gehen soll. Vielleicht ein Schritt zurück und im Herbst auf einer Unterdistanz, sprich Marathon, schneller werden? Wie kann ich für den nächsten 24-Stundenlauf mein Training effizienter gestalten? Weil noch mehr Umfang schaffe ich einfach zeitlich neben meinem im Schnitt 45 Stunden pro Woche-Job nicht.
Auch mein Laufstil fühlt sich zwar für mich gut und nach Mittelfuß an, aber wenn ich das nachstehende Video betrachte, dann schaut das extrem ineffizient aus.
Mit dem Druck der Publicity muss ich auch besser umgehen lernen. Einerseits war es sicherlich gut, weil es mich auf der Strecke gehalten hat, andererseits spukte dauernd der 200er im Kopf herum. Ich sollte vielleicht einfach mal einen 24-Stunden-Trainingslauf für mich machen, da bin ich wahrscheinlich deutlich besser - Trainingsweltmeister?
Andererseits hat die Publicity genau bewirkt, was mir das höchste Ziel des letzten halben Jahres war. 44 private Sponsoren wandeln meine Laufkilometer in Bares zugunsten der Stiftung Kindertraum um. Quantifiziert heißt das: EUR 4.099,24 sind den Sponsoren meine Laufkilometer wert und nachdem viele Sponsoren auch großzügig die zugesagten Spenden aufrunden, wird es noch etwas mehr werden!
Herzlichen Dank dafür (in zufälliger Reihenfolge) an: Barbara, Albert, Mihi, Franz, Martin, Uschi, Eveline, Anna, Lotte, Herbert, Silvin, Julia, Christian, Didi, Karin, Georg, Marek, Alexandra, Josef, Karin, Michael, Xavier, Tobias, Harald, Richard, Manfred, Rene, Petra, Claudia, Johann, Franz, Angela, Anna, Markus, Oliver, Christian, Gerald, Dorothea, Susanna, Stefan, Konrad, Diana, Michael, Helge, Peter, Susan, Manfred, Heinz und Rudi! Ihr seid einfach Spitze und Danke, dass ihr meiner Lauferei einen tieferen Sinn gebt!
Sobald alle Spenden am Spendenkonto eingegangen sind und ich auch die Verdoppelung des Betrags durch die Macquarie Group Foundation (gemeinnützige Stiftung meines Arbeitgebers) erreicht habe, werde ich gemeinsam mit der Stiftung Kindertraum ein entsprechendes Projekt zur Erfüllung eines Kinder-Herzenswunsches auswählen, dem dieser Spendenbetrag zu Gute kommen wird.
Neben den Bildern hier im Blog gibt's abschließend auch noch knapp 15 Minuten vor allem mich in bewegten Bildern mit der Original-Tonspur. Viel Spaß beim Anschauen!
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Ex-post Analyse:
Um das "Rätsel" zu lösen, warum es wieder nicht ganz so lief wie erträumt, habe ich natürlich einige Analysen angestellt. Datenmaterial habe ich dank detaillierter Aufzeichnungen sowohl der Laufrunden als auch der Verpflegung genug dazu.
Dabei fällt zunächst schön der Verlauf relativ zum Optimum (das wären 203km) auf - immer auch im Vergleich der letzten drei 24-Stundenläufe. Bis Stunde 6 war ich so gut unterwegs wie noch nie, dann kam das erste Tief, aus dem ich mich bis Stunde 10 wieder erfing und ähnlich lag wie in Sárvár im Vorjahr. Dann ging es richtig bergab, aber ab Stunde 13 konnte ich mich wieder erfangen und bis Stunde 17 kämpfte ich mich aufs Optimum zurück, um dann neuerlich einzubrechen. Die folgenden 4 Stunden kosteten dann die Traummarke. Ab Stunde 21 bewegte ich mich wieder recht gut im Einklang mit dem Optimum.
Zeit/Weg-Diagramm der letzten 3 24-Stundenläufe sowie Verlauf des optimalen Rennens |
Hier übrigens auch noch die Laufleistungen je Laufstunde.
Natürlich kann's viele Gründe für diese Schwankungen geben - die mentale Komponente hat sicherlich eine große Rolle gespielt, die kann ich aber nicht quantifizieren. Jedoch kann ich mir anschauen, wie es energiemäßig ausgesehen hat und ob's möglicherweise daran gelegen hat.
Und dabei fällt mir auf, dass ich - wie ich knapp vorm Start noch Carola instruiert hatte - "nur" ca. 40-50g Kohlenhydrate pro Stunde genommen habe. Idealerweise wäre wohl etwas mehr (in die Richtung von 50-60g/h) besser gewesen.
Wenn man sich - ausgehend von 400g Kohlenhydrate, die in der Muskulatur aufgrund des Taperings und Carboloadings eingelagert sind - den Verlauf der Energiebilanz ansieht, dann kann man schon ableiten, dass ich immer dann ins Laufen kam, wenn die Energiebilanz für einige Stunden konstant war.
Im Vergleich dazu übrigens die Grafiken von Irdning 2014.
Das sieht jetzt auf den ersten Blick so aus, als hätte ich in Sárvár deutlich weniger Energie aufgenommen als in Irdning. Ist aber nicht so. In Irdning waren es 1.039g Kohlenhydrate, in Sárvár 1.024g. Allerdings lag der Gesamtenergiebedarf aus zugeführten Kohlenhydraten (den Rest erledigt der Fettstoffwechsel) in Irdning aufgrund der geringeren Leistung bei nur 1.228g Kohlenhydrate, in Sárvár allerdings bei 1.272g.
Mein ex-post-Fazit: das Training hat wohl geholfen, dass ich bei gleicher Energiezufuhr doch deutlich weiter gelaufen bin. Natürlich spielen da auch die geringeren Temperaturen und der frühere Start eine Rolle.
Es ist nun die Frage, ob mein Stoffwechsel noch effizienter werden muss und kann (und wie ich das trainingstechnisch effizient erreiche), damit ich bei konstanter Energiemenge weiter komme. Oder ob ich einfach nur versuchen sollte, mehr zu essen, damit ich mit mehr Energie weiter komme. Allerdings: selbst die 40-50g/h Kohlenhydratezufuhr jetzt in Sárvár und auch zuletzt in Irdning war nicht so einfach, weil hungrig fühlte ich mich eigentlich nie und ob der Magen bei mehr Kohlenhydraten verrückt spielt, ist auch die Frage. Das kann man auf diesem für mich neuen Niveau von "190 Kilometer plus" wohl nur durch Trial & möglicherweise Error herausfinden. Aber eventuell sollte ich noch etwas mehr mischen, d.h. neben UltraSports Buffer, UltraSports Gels und Vollkornkeksen (das sind die wesentlichen Bestandteile meiner 24-Stundenlaufernährung) auch eine einfache Maltodextrinmischung, die nämlich geschmacklos ist, nehmen.
Das ist aber das Schwierige und zugleich Faszinierende am 24-Stundenlauf: jeder Lauf bietet aufgrund der Länge andere Umstände und Herausforderungen und man hat auch nicht so viele Chancen im Jahr zu testen.
Oder überhaupt: nicht so viel denken, analysieren und herumüberlegen, sondern einfach nur üben: "Hirn ausschalten & rennen im hier und jetzt".
Börsepeople im Podcast S16/03: Thomas Soltau
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