13.11.2014, 3413 Zeichen
Wie jedes Jahr freue ich mich über die – bereits seit September – duftenden Lebkuchen im Supermarkt und sehe dem Höhepunkt der Shopping-Zeit bzw. -Stress entgegen. Da passt der kürzlich aufgestellte online-Weltrekord gerade gut dazu. Ausgangspunkt dafür ist folgende Frage:
Was ist der größte online Shopping-Tag der Welt?
Antwort: Der sogennante „singles day“ am 11.11. An diesem Tag werden in nur einem einzigen Land innerhalb von 24 h Waren im Wert von EUR 4,7 Milliarden (!) über eine einzige Online-Plattform gekauft. Allein in den ersten 40 Minuten waren es Waren im Wert von unglaublichen EUR 1,3 Milliarden ! (Quelle: spiegelonline.de)
Geschafft hat das ein chinesisches Unternehmen namens „Alibaba“ (das asiatische Pendant zu Amazon). Rund 80% aller online Käufe in China werden allein über diese Plattform abgewickelt.
Um die EUR 4,7 Milliarden Umsatz des “singles day” eines einzelnen Unternehmens in ein österreichisches Verhältnis zu setzen: der gesamte heimische Einzelhandelsumsatz (online+offline) eines ganzen Jahres beträgt etwa EUR 60 Milliarden.
Nun könnte man legitimer Weise sagen, dass uns das im Grunde recht wurscht sein kann, was für (mehr oder weniger) sinnlose Konsumgüter sich die Chinesen kaufen. Oberflächlich betrachtet ja, aber der springende Punkt in unserer kapitalistischen Welt ist ein anderer, denn: wer zahlt, schafft an. Fakt ist, wo es eine große Nachfrage gibt, wird viel produziert. Und wer viel produziert, kann die Produkte – auch im Ausland – billiger anbieten.
Und wenn, lt. den Wirtschaftsforschern, in 5 Jahren (2020), die Chinesen allein via Internet so viel shoppen wie:
- USA
- Japan
- Großbritannien
- Deutschland
- Frankreich
zusammen, dann ahnt man, dass sich die wirtschaftlichen Gewichte bereits nach Osten verschoben haben.
Aber was hat das alles mit unserer Heimat zu tun?
Ganz einfach, die Musik spielt jetzt schon nicht mehr hier, sondern in Ostasien. Ist nicht schön zu akzeptieren, aber ein Faktum. Die allermeisten Standardprodukte, die wir in Österreich, Deutschland oder in der EU erzeugen wollen, können diese Länder dort viel, viel schneller, einfacher und billiger herstellen.
Daher sollte für mich die Lehre aus dem chinesischen “singles day” kein Aufbau von Handelshemmnisse wie Zölle, Einfuhrbeschränkungen sein. Das fällt uns mittelfristig nur selber auf dem Kopf. Viel erfolgversprechender sind für mich die konsequente Umsetzung folgender Punkte:
- Fokus auf die heimischen Stärken wie biologische Landwirtschaft, Tourismus, natürliche und unbehandelte Lebensmittel, Gesundheit
- Stärkung der regionalen Wirtschaftskreisläufe (damit wir nicht nur von den Weltwirtschaftsmächten abhängig sind)
- Schaffung und Förderung innovativer und hochwertiger Dienstleistungen
Das ist unser Kapital, mit dem wir auch international punkten können und sollten.
A propos Kapital: Ein ganz einfacher und sinnvoller erster Schritt kann sein, einen kleinen Teil des Ersparten direkt in die heimische Wirtschaft zu investieren, statt es auf einen quasi unverzinsten Sparbuch im Dornröschenschlaf herumliegen zu lassen. Denn nur im Wirtschaftskreislauf kann es das tun, wofür Geld geschaffen wurde: Dinge zu produzieren und Gewinne abzuwerfen.
Ihr
PS: Wer sich, auch ohne Kenntnisse der chinesischen Sprache, auf unterhaltsame Weise anschauen möchte, welche Produkte Chinesen am liebsten kaufen, dem kann ich die chinesische Alibaba Website nur ans Herz legen…
Wiener Börse Party #792: ATX zum Ultimo etwas fester, Immofinanz liefert gut und dank Thomas Rybnicek heisst es Handle with Care
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