Bernd Maurer (RCB) im WM Chat, das Protokoll: ATX-Ziel, Buys, Research-Zertifikate ... (Christian Drastil)
25.06.2010, 10612 Zeichen
BE: Zur Entscheidung der WM-Gruppe G begrüssen wir RCB-Analyst Bernd Maurer. Herr Maurer, es geht um Platz 1 und 2. Was meinen Sie? Wird Brasilien oder Portugal Gruppensieger?
BM: Ich tippe auf Brasilien, das heute nicht verlieren sollte. Auch wenn beide Mannschaften sicher weiter sind, will niemand im Achtelfinale gegen Spanien spielen.
BE: Das heisst, Sie gehen davon aus, dass die Spanier heute gegen Chile mit einem Sieg alles klar machen werden und auch die Schweiz gegen Honduras keinen Kantersieg schafft ...
BM: Kantersieg der Schweiz schliesse ich aufgrund bisheriger Offensivleistungen aus, Spanien sollte sich am Abend gegen Chile durchsetzen.
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BE: Herr Maurer, die Gruppenspiele bei der WM neigen sich dem Ende zu; das 1. Halbjahr an der Wiener Börse ebenso. Was waren an der Börse aus Ihrer Sicht positive; was negative Überraschungen?
BM: Positiv hat mich vor allem die robuste Entwicklung der Unternehmenszahlen überrascht, welche in dieser Stärke zur Zeit des Jahreswechsels nicht vorhersehbar war. In Folge dessen die Kursentwicklung vieler Zykliker und auch die Sonderkonjunktur bei AT&S und ams.
BE: Und was hat Sie enttäuscht?
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BM: Enttäuscht hat mich, dass zum Beispiel der gesamte Telekom-Sektor kein Re-Rating erfahren hat.
BE: Können Sie den Begriff Re-Rating unseren Leser bitte gleich kurz erklären?
BM: Um den Jahreswechsel waren viele Investoren im Telekom-Sektor untergewichtet, da sich die Branche im Vorjahr doch nicht so defensiv gehalten hat, wie von vielen vermutet. Durch die attraktive Bewertung des Sektors war es meine Meinung, dass der Sektor wachgeküsst wird. Re-Rating also in Form einer Neubewertung. Als Stichwort Smartphone-Boom und damit verbunden steigende Datenvolumina.
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BE: Analysieren Sie die Telekom Austria, die ams und auch die AT&S persönlich?
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BM: Von den drei genannten Unternehmen covere ich nur die Telekom Austria selbst. Die anderen beiden macht mein Kollege Daniel Damaska.
BE: Und lautet die aktuelle Einschätzung für die Telekom?
BM: Wir sind weiterhin auf Kauf, das Kursziel liegt bei 11,5 Euro. Die letzten Tage waren ja ganz gut.
BE: Welche Unternehmen analysieren Sie noch?
BM: Der Fokus liegt auf Transport & Logistik: Telekom Austria, Flughafen Wien, Österreichische Post. Dazu Mayr-Melnhof, Rosenbauer und die Constantia Packaging.
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BE: Um ein wenig auszuholen: Wie kann sich die "Beziehung" zwischen Analyst und Unternehmen vorstellen? Wie oft sieht man sich, telefoniert man, etc.?
BM: Vorstandstermine ergeben sich bei der Präsentation von Quartalszahlen, Capital Market Days und Roadshows. Darüberhinaus vereinbare ich pro Jahr mindestens einmal einen Vorstandstermin der von mir analysierten Firma. Mit IR ist der Kontakt viel engmaschiger, hier telefoniert sehr sehr regelmässig.
BE: Und wie kommt es dann zur Anlageempfehlung? Entscheiden Sie das alleine oder ist das eine Teamentscheidung?
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BM: Grundsätzlich legt der zuständige Analyst die Empfehlung für die betreffende Aktie selbst fest, aber natürlich konsultiert man Kollegen und stimmt sich mit Chefitäten und Hausstrategie ab. Es verlässt auch kein Company-Update unsere Abteilung, welches nicht von Stefan Maxian, Teresa Schinwald oder mir quergecheckt wurde.
BE: Eure Analysen erreichen die Medien und damit das Retailpublikum immer sehr schnell. Strategie?
BM: Erfordnis. Die veröffentlichte Information ist ja sämtlichen Marktteilnehmern zeitnah zur Verfügung zu stellen.
BE: Bleiben wir beim Team. Bei unserem AnalystWatch 2010 liegt ihr aktuell bei ca. +8,5 Prozent und damit recht deutlich vorne. Insgesamt zufrieden mit dem 1. Halbjahr und den Einschätzungen des Research?
BM: Natürlich zufrieden. Der Sieg im Jahr 2009 und die aktuelle Führung sind Bestätigung für die viele und gute Arbeit des Teams. Auffallend ist gerade bei einem Haus mit einem breiten Österreich-Coverage die Outperformance gegenüber dem ATX in den volatilen Marktzeiten. Das spricht für die Auswahl der Kaufempfehlungen und die Primäranalyse im Allgemeinen.
BE: Wenn Sie je eine Empfehlung im positiven wie auch im negativem Sinne hervorheben würden, was Einschätzung und Timing betrifft. Worauf würde die Wahl fallen?
BM: Munition der starken Performance waren die Kaufempfehlungen für AT&S und austriamicrosystems. Andererseits hat Intercell in diesem Jahr enttäuscht.
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BE: Die RCB hat aktuell 20 Austro-Titel auf Buy. Dazu Detailfragen. Zunächst: Sind 20 Buys nicht zuviel?
BM: Wir haben in der jüngsten Schwächephase einzelne Titel hochgestuft, was die Anzahl der Kaufempfehlungen natürlich erhöht hat. Andererseits bezieht sich die Empfehlung "Kauf" wohl auch immer auf einen längeren Zeitraum und ist nicht unbedingt als Trading Idea zu sehen.
BE: Stichwort Trading Ideas: Welche Aktien streicht Ihr aktuell besonders hervor?
BM: Unter den Zyklikern favorisieren wir aktuell voestalpine und Strabag, auch Wienerberger befindet sich wieder auf einem sehr interessanten Niveau. Für einen etwas defensiveren Touch stehe ich hinter der Kaufempfehlung von Mayr-Melnhof. Auch die Österreichische Post ist ein Fels in der Brandung.
BE: Die Kollegen von der Erste Group sind mit ihren Research-Zertifikaten ziemlich erfolgreich. Plant Ihr auch was in diese Richtung?
BM: Gute Frage (lacht). Gut möglich, man sollte nicht zu überrascht sein, wenn wir mit einem ähnlichen Produkt unser breites Zertifikatespektrum erweitern.
BE: Na da sind wir sehr gespannt.
BE: Und wie ist die Zusammenarbeit mit der RCM?
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BM: Die Zusammenarbeit ist gut und intensiv, vor allem mit den zuständigen Fondsmanagern für Österreich, Osteuropa und Russland, welche von uns als Kunden serviciert werden.
BE: Enge Verwobenheit wird es ja auch mit RZB geben ...
BM: ... natürlich. Die stärkste Zusammenarbeit im Sektor gibt es mit unseren Volkswirten und der Sekundäranalyse.
BE: Wie wichtig ist der Makro-Input?
BM: Ein gutes und richtiges VWL-Szenario ist aktuell das Um und Auf. Gerade in den letzten Quartalen zeigte sich, dass Investoren vor allem auf das Top-Down-Szenario Wert legen. Hier lag das RZB-Team um Valentin Hofstätter und Gottfried Steindl verdammt gut.
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BE: Sie analysieren u.a. die Telekom. Wie eng ist der Kontakt mit den Telekom-Analysten anderer Wiener Häuser?
BM: Man kennt sich, trifft sich bei Unternehmens- und Marktveranstaltungen; darüberhinaus gibt es aber keinen Kontakt.
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BE: Ist es ein gewisser Ehrgeiz, mit seinen Einschätzung abseits des Mainstreams zu liegen?
BM: Der Ehrgeiz, richtig zu liegen, ist es, was uns antreibt. Trotzdem ist es oftmals die realistische Distanz, welche für richtige Empfehlungen ausschlaggebend ist. Schlussendlich werden wir natürlich auch von verschiedensten Institutionen getrackt.
BE: Zu jedem Talk mit einem Analysten gehört ein Ausblick. Wohin gehts in Wien im 2. Halbjahr? Die Favoriten haben Sie ja schon genannt, aber was macht der Gesamtmarkt?
BM: Ich bin durchaus optimistisch; denke, dass in der gesehenen Korrektur die Verringerung von Vorlaufindikatoren und die Budgetkonsolidierungsmassnahmen fürs Erste reflektiert sind. Die ausreichende Liquidität, eine erwartete Beruhigung und durchaus attraktive Bewertungen sprechen meiner Meinung nach über den Sommer für den Aktienmarkt.
BM: Auch zeigte sich die operative Geschäftsentwicklung der Unternehmen sehr robust und über den Prognosen. Ich erwarte mir auch für die Berichtssaison zum 2. Quartal zufriedenstellende Unternehmensgewinne.
BE: Keine Angst vor den Sparmassnahmen?
BM: Sparmassnahmen werden sicherlich ihre Auswirkungen zeigen und auch darf man nicht vergessen, dass wir gerade erst im politischen Entscheidungsprozess sind. Bis die Auswirkungen sichtbar sein werden, kann es durchaus noch positive Überraschungen geben, was Raum für steigende Kurse schaffen sollte.
BM: Auch kann ich mir vorstellen, dass Sparmassnahmen in einer ersten Runde noch ein wenig verwässert werden. Angst könnte man dann vor einer zweiten Runde in den Jahren 2013 / 2014 haben.
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BE: Die beiden Spiele neigen sich dem Ende zu. In der Gruppe G ist alles klar, Brasilien und Portugal weiter. Wer, glauben Sie, wird das (Gesamt)Turnier gewinnen und am 11.7. den Pokal in der Hand halten?
BM: Mein Herz liegt bei Spanien; schliesslich ist mein Umfeld durch die Herkunft meiner Frau - sie ist Spanierin - oftmals spanisch. Tippen würde ich auf Brasilien, welche - ohne zu glänzen, aber doch - den Pokal gewinnen sollten.
BE: Wettet Ihr auch untereinander in der Firma?
BM: Natürlich gibt es ein internes Tippspiel, wo auch die Hierarchie stimmt. Mit aktuell 25 richtigen Tipps im 1/2/X-Modus führt Stefan Maxian, ich liege ihm mit 24 dicht auf den Fersen.
BE: "Tipp" ist das Stichwort für meine Schlussfrage: Ihr ATX-Tipp für das Jahresende?
BM: Wir sind gerade im Prozess, die Strategie für das Q3 zu beschliessen. Die Richtung sollte nach oben zeigen. Die Höchststände vom Frühjahr wären ein sehr ambitioniertes Ziel, vielleicht kommen wir knapp darunter zu liegen.
BE: Knapp 2800 Punkte haben wir heuer schon gesehen, das ist also die Ambition ... Herr Maurer, ich denke recht herzlich für Ihren Besuch und hoffe, dass es Spass gemacht hat. Ich bin überzeugt, dass für die Leser einiges an spannenden Antworten dabei war.
BM: Danke fürs Hiersein. Das nächste Mal gerne wieder.
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