07.12.2020, 14102 Zeichen
Am Freitag gab es im #gabb News zum Top-Thema der kommenden Wochen: Impfstoff und Lieferkette. Ich hatte für heute Montag etwas Neues angekündigt. Denn ich ziehe das, weil es so aktuell wurde, auch vor, wenngleich der Start erst für 2021 geplant war. Wir bieten neuen Printabonnenten oder Geschäftspartnern nämlich an, sich 1x selbst zu interviewen. Im vorliegenden Case geht es mit trockeneis-online.com sogar um ein Unternehmen, das durchaus auch mal Kapitalmarktpläne haben könnte, wie ich im persönlichen Gespräch mit Geschäftsführer Thomas Freisinger erfahren habe. Und es geht um die Lieferkette wie o.a.. Voila, nun geht es mit dem Beitrag los. Gerne drucken wir den Text ab.
"Corona-Impfstoff: Trockeneis-Experte erklärt, wie die die Lagerung und der Transport funktioniert
Der vielversprechende Corona-Impfstoff stellt Logistiker vor Herausforderungen. Nicht die Menge der Impfdosen sei das Problem, sondern die empfindlichen Bedingungen, unter denen die besondere Fracht transportiert werden muss. Transportiert und gelagert werden müssen die Vakzine nämlich bei einer Temperatur von ungefähr minus 70 Grad Celsius. Die Kühlkette darf dabei nicht unterbrochen werden. Wie kann das gelingen? Thomas Freisinger, der Geschäftsführer von trockeneis-online.com, erklärt im Interview, worauf es beim Transport der heiklen Fracht ankommt, wie die Kühlung bei dieser Temperatur möglich ist und ob er die Besorgnis über die Bewältigung dieser Aufgabe teilt.
Herr Freisinger, Sie sind Geschäftsführer und Mehrheitseigentümer von trockeneis-online.com. Was ist Trockeneis und wozu kann man es verwenden?
Bei Trockeneis handelt es sich um CO2 in festem Aggregatzustand. Wir nutzen für die Produktion Kohlendioxid, das bereits in der Atmosphäre vorhanden ist, also etwa aus der Gärungsproduktion. Trockeneis hat eine Temperatur von etwa -78,5 Grad Celsius und eignet sich u.a. hervorragend für den Transport von Medizinprodukten wie etwa Impfstoffen.
Das klingt, als hätten Sie Erfahrung in diesem Bereich?
In der Tat sorgen wir bereits für den Transport von Medizinprodukten mit Trockeneis und stellen somit wichtige medizinische Lieferketten sicher. Wir haben ein sehr gutes Netzwerk und können auf Abruf frisches Trockeneis produzieren.
Wie kann man sich das vorstellen? In welchen Behältnissen können derartige Güter transportiert werden und wie lange ist Trockeneis haltbar?
Grundsätzlich setzen wir auf online Akquise. Wir vertreiben kleine Styropor-Isolier-Boxen, mit einem Fassungsvermögen von 2 bis 42 Kilogramm, über trockeneis-online.com. Größere Mengen können auch in Mehrweg- bzw. Mietbehältern geliefert werden. Je nach Menge hält eine Trockeneislieferung 2 bis 8 Tage. Das ist sehr stark von der Liefermenge und von der verwendeten Isolierung abhängig.
Kann Trockeneis „ablaufen“ oder gibt es verschiedene Qualitätsstufen?
Trockeneis sublimiert, also „verdampft“ ab etwa -78,5 Grad. Natürlich ist es in qualitativ hochwertigen Mehrwegbehältern, die gut isolieren, lange haltbar. Nach der Produktion jedoch beginnt es zu sublimieren und verliert an Dichte und Masse. Man kann nur empfehlen, für den Transport, egal welcher Größe, immer frisch zu produzieren.
Handelt es sich um ein steriles Produkt? Oder können Verunreinigungen von Trockeneis die Impfstoffe gefährden?
Die Impfstoffe haben eine Überverpackung und das Trockeneis liegt nicht direkt an und kann somit keine mechanische Beschädigung verursachen. Von steril kann man hier nicht sprechen. Trockeneis wird in einer Maschine verpresst und in Behälter aufgefangen. Es dient nur als Kühlmedium in der Isolierbox. Die Impfdosen sind ja steril gehalten und in mehreren Umverpackungen gelagert. Bei sachgemäßer Handhabung und ordentlicher Verpackung kann hier nichts passieren.
Die Österreichische Post habe (laut der Oberösterreichischen Nachrichten vom 12.11.) keine Kapazitäten, um den Impfstoff zu distribuieren, da in diesem Fall eine besondere Beförderung erforderlich ist. Immerhin gehört der Versand von Medizinprodukten dieser Art, die bei einer konstanten Temperatur von etwa -70 Grad Celsius liegt, nicht zu den Aufgaben der Post. Sie haben mit Ihrem Unternehmen, unter anderem mit dem eigenen Label „organic-Adhoc“, bereits Erfahrung auf diesem Gebiet. Wie kann der Transport dieses heiklen Guts geschehen? Wie kann die Kühlkette gewährleistet werden?
Es handelt sich bei kleinen Mengen Trockeneis immer um einen „Limited Quantity“-Transport, also Gefahrguttransport in Mindermengen. Je nach zusätzlichem Transportgut, welches mit dem Trockeneis gekühlt wird, können weitere Vorschriften entstehen, wie z.B. beim Blutproben-Transport. Hier gibt es weitere Auflagen wie z.B. die infektionsgefährlichen Stoffe. Man muss dabei auf gesonderte Verpackungsvorschriften Rücksicht nehmen und die Deklarierung richtig setzten. Wir haben im ersten Lockdown aufgrund unserer Expertise im Gefahrgutbereich von Gastronomie-Gasen auf Blutproben und Blutkonserven umgestellt. Die Nachfrage war da und wir hatten freie Kapazitäten sowie das KnowHow. Natürlich haben wir hier eine Stufe weiter gearbeitet. Blutproben für wichtige Forschungszwecke sind nicht ersetzbar, die können nicht einfach mit einem Paket versendet werden. Wie der Name schon sagt, transportieren wir „adhoc“ direkt von einer Adresse zur anderen. Unser Fahrer hat weitreichende Erfahrung mit Gefahrengut und alles dabei, was benötigt wird. Also frisch produziertes Trockeneis, Isolierboxen, Warnaufkleber und Dokumentationsmappen für die Aufzeichnungen. Wenn es notwendig ist, transportieren wir auch Medizinkühlschränke, die bis -80 Grad Celsius kühlen können, oder heikle Patientendaten im Papierformat. Mit gut isolierenden Boxen, die ordentlich verpackt sind, können wir die Ware einige Tage lang auf bis zu -70 Grad Celsius kühl halten und lagern. Dabei ist die Frische und Qualität des Trockeneises ausschlaggebend.
Stichwort Kühlbox: Wie werden bei Ihnen üblicherweise Waren transportiert? Ist es möglich, Produkte mit Trockeneis längerfristig zu kühlen oder zumindest eine konstante Temperatur für den Transportweg (möglicherweise von mehreren Tagen, abhängig von der Destination) zu garantieren und wie kann das geschehen?
Unsere Standard-Kleinboxen werden in Österreich mit DPD zugestellt. In Deutschland mit UPS sogar bis vor 12:00 Uhr am Folgetag. Das Trockeneis ist meist am Versandtag frisch produziert und sofort verpackt worden, sodass wir dem Kunden eine frische Ware garantieren können. Ebenfalls sind Auslandstransporte möglich. Je nach Destination muss hier die Größe des Isolierbehälters angepasst werden, sodass eine erhebliche Mehrmenge an Trockeneis Platz hat, um die Sublimation (also das Verflüchtigen) des Trockeneises zu verlangsamen.
Wie kann man sicherstellen, dass die Kühlkette beim Transport und bei der Lagerung der Impfstoffe nicht unterbrochen wird?
Wenn alles pünktlich geliefert wird, sollte es keine Probleme geben. Ich denke, wenn man eine Sicherheitszeit für Verspätungen oder Verzögerungen einplant, besteht doppelte Sicherheit.
Was ist Ihre Meinung zum „Wettlauf“ um Kühlboxen? Gäbe es einen einfacheren Weg als die Entwicklung neuartiger Produkte zu diesem Zweck?
Es gibt etliche Hersteller von Isolierboxen, die verschiedenste Formen und Sondergestaltungen anbieten. Auch Niedertemperaturkühlgeräte, also im größeren Transportwesen gesehen, die durch Aggregate oder Akkumulatoren mit Strom gespeist werden. Ich denke, alles was wir brauchen, gibt es eigentlich schon. Auch wiederverwendbare Mehrwegboxen sind eine Möglichkeit, aber sehr kostenintensiv. Die letzten Meter werden wir mit normalen Styroporboxen machen und da gibt es nichts Besseres als Styroporboxen. Es gäbe natürlich ökologische Varianten aus Stroh oder Schafswolle, diese haben jedoch eine sehr schlechte Isolierleistung und sind ebenfalls sehr teuer.
Teilen Sie die Besorgnis über die Bewältigung dieser Herausforderungen, die beim Transport und der Lagerung bei diesen Temperaturen gegeben sind? Das Land Bayern soll beispielsweise bereits „Ultratiefkühlschränke“ angeschafft haben und Pfizer habe, Medienberichten zufolge, „Thermo-Koffer“ eigens für diese Zwecke entwickelt. Was können Sie zu diesen Behältern sagen? Wie werden Medizinprodukte üblicherweise transportiert?
Wir haben, in unserem Zentrallager in der Siebenhirtenstraße, selbst einen solchen medizinischen Kühlschrank, der bis auf -80 Grad hinunter kühlt. Hiermit lagern wir Trockeneis dauerhaft, da es erst ab -78,5 Grad sublimiert/verdampft. Wenn man die Temperatur darunter hält, dann bleibt es stabil und haltbar. Ob spezielle „Thermo-Koffer“ notwendig sind, das bezweifle ich ehrlich gesagt. Natürlich wir können Isolierboxen dem Produkt anpassen und spezielle Fächer einbauen oder einen Hartschaum verwenden, der etwas stabiler und eventuell wiederverwendbar ist. Aber meiner Meinung nach ist dies nichts Besonderes.
Können Sie etwas zum ökologischen Fußabdruck sagen?
Man denkt immer zuerst an das Kohlendioxid, also Co2 und dass es ja schlecht für die Umwelt ist. Das verstehe ich schon, aber hier geht es nicht um verunreinigtes Co2, wie bei einem Kraftahrzeug. Unsere Lieferanten haben Hersteller, die ohnehin an die Atmosphäre tretende Co2 Gase auffangen. Diese haben eine hohe Reinheit – anders als bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen. Wir greifen in der Co2-Industrie sehr stark auf Gärungsprodukte zurück, z.B. Biogasanlagen oder eine Düngemittelproduktion.
Stichwort Verteillogistik: In einem ersten Schritt gelangt der Impfstoff in das Zielland. Wie kann es, aus logistischer Sicht und hinsichtlich der besonderen Lagerbedingungen, gelingen, die Impfdosen anschließend zu verteilen, z.B. zu Impfzentren oder einzelnen Medizinern? (Nur wenige Tage vor Verabreichung darf der Impfstoff im Kühlschrank gelagert werden, wie lange er dort noch haltbar ist, ist noch unklar)
Theoretisch wäre es möglich, mit normalen Versanddienstleistern bzw. Paketdiensten zu verteilen. Die meisten Dienstleister schaffen dies schon „next-Day“, also innerhalb von 24 Stunden. Eine kleine Menge Trockeneis reicht hier schon vollkommen aus, um eine relativ große Menge an Impfstoffen zu transportieren. Im gewerblichen Bereich funktioniert eine Zustellung nahezu 100%. Die sichere Variante ist natürlich, auf einen Dienst wie „organic Adhoc“ zurückzugreifen. Wir haben in Österreich viele Botendienste, die dies regional durchführen könnten. Der Impfstoff kommt dann natürlich noch sicher bei -70 Grad an. Je nach Trockeneismenge kann man hier die Temperatur und Dauer des Transportes regulieren. Wir haben hier schon viel Erfahrung mit Kunden in der Gesundheitsbranche und wissen, was möglich ist. Allgemein sehe ich in unserem Geschäft einen sehr starken Anstieg im Medizinbereich. Ich denke dabei nicht nur an den Impfstofftransport, sondern auch an alle anderen Proben- und Gewebetransporte.
Ist es möglich, dass ein Engpass bei Trockeneis entsteht, wenn Impfstoffe weltweit mit Trockeneis transportiert werden?
Dass die Trockeneis-Produktion überlastet wird und den Anforderungen nicht gerecht werden kann, halte ich für ausgeschlossen. Es kann jedoch immer wieder zu Engpässen bei Rohstoffen kommen oder Lieferschwierigkeiten beim Versandmaterial. Das gab es aber auch vor Corona schon – da hilft nur, Lagerkapazitäten erweitern.
Was passiert, wenn das Trockeneis verflüchtigt ist?
Je nach Größe des Behälters und der Menge an Trockeneis hält die Temperatur 4 bis 8 Tage. Danach ist nur noch die Isolierung der letzte Schutz und die Transportware kühlt noch eine Zeit lang mit Ihrer Eigentemperatur.
Wie viel Trockeneis ist Ihrer Meinung nach für den Transport der Impfstoffe notwendig / Wie viel wird in Ihrem Unternehmen produziert?
Das ist schwierig zu sagen. Es kommt auf den Behälter und die Überverpackungen an, in denen die Impfdosen geschützt sind. Je mehr Luft bzw. freie Fläche im Behälter vorhanden ist, desto schneller steigt die Temperatur und das Trockeneis verflüchtigt sich. Die Behälter müssen gut isoliert und nach Möglichkeit so gut es geht ausgefüllt sein. Ich könnte schätzen, dass bei einer Menge von etwa 10 Kilogramm an Impfstoff das doppelte an Trockeneis notwendig ist, um die transportierte Ware 4 bis 7 Tage sicher zu kühlen – es gibt so genannte „Temperaturlogger“ – mit diesen lässt sich die Temperatur einige Tage überwachen. Man kann hier vorab genau austesten, wie lange die Temperatur hält. Unser Unternehmensverband bzw. das Franchisesystem kann in Österreich etwa 30 bis 40 Tonnen Trockeneis innerhalb von 24 Stunden produzieren. In Deutschland schaffen wir etwa die 3-fache Menge mit unterschiedlichen Partnern. Ich möchte nicht vorgreifen und sagen „wir“ machen das alles - aber wir werden garantiert auch unseren Beitrag leisten, da wir bei den anzuliefernden Stellen ohnehin schon sehr bekannt sind.
Wenn Verantwortliche aus Österreich an Sie herantreten würden und Ihr Unternehmen die Produktion von Trockeneis für den Impfstofftransport übernehmen sollte, könnten Sie diese Produktion über mehrere Monate garantieren?
Es wird vermutlich Verteilerstellen geben, danach wird in Kleinmengen aufgeteilt und gelagert. Zwischendurch wird es wahrscheinlich immer kleinere Transporte geben. Wir haben mehrere Transport- und Zustellmöglichkeiten für Trockeneis und verstehen uns als Zulieferer mit einer schnellen Logistik für Kühlanwendungen. Je nach Bedarf kann man hier an unseren Standorten die Kapazitäten erhöhen.
(Interview mit Thomas Freisinger, Geschäftsführer von Gas & Technik Freisinger GmbH & Co KG. Der Gashändler betreibt ein eigenes Franchisesystem für Trockeneis-Produzenten. Mit trockeneis-online.com ist das Unternehmen im gesamten DACH Raum vertreten.trockeneis-online.com ist ein Franchiseunternehmen der Freisinger enterprises GmbH. Mit organicAdhoc, einer Marke der Firma Fresinger, transportiert das Unternehmen des Wieners bereits Medizinprodukte, Blutproben sowie wichtige organische Bestandteile für Biotechunternehmen, Krankenhäuser und unzählige Forschungseinrichtungen. Das Unternehmen wurde 2015 gegründet und hat sich auf technische Gase und Zubehör spezialisiert)
(Der Input von Christian Drastil für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 07.12.)
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