27.08.2020, 4211 Zeichen
Ich bin ein Kind der DDR, geboren 1976 in Leipzig, zur Zeit des tiefsten Kommunismus. Zwar wuchs ich in Wien auf, aber ein Teil meiner Familie verblieb in Ostdeutschland. Als Sohn eines Wiener Kaufmanns pendelte ich daher in meiner Kindheit zwischen zwei Welten: der westlichen Idylle, die nach unendlichem Wohlstand für alle strebte und dem ostdeutschen Traum der Gleichheit aller. In der DDR gab es drei Grundprinzipien, die das gesamte Leben prägten. Erstens: Jeder war bestechlich, Individuen ebenso wie Institutionen. Zweitens: Wer Geschäfte mit dem Staat machte, konnte sich vollkommen frei bewegen, ein- und ausreisen, wann immer er wollte. Drittens: Die ultimative Währung, die alle Probleme löste, hieß Gold!
Deutsche Bank Banker. Mein erster richtiger Job war im Investment-Banking im Jahr 2000 bei der Deutschen Bank in Wien. Die Finanzbranche hielt eine erstaunliche Erkenntnis für mich bereit: Das mittelalterliche System von Steuereintreibungen und Plünderungen unterscheidet sich kaum von manchen Verhaltensweisen in der modernen Finanzwirtschaft. Den Bankern ging mein ständiges Gerede über Gold gehörig auf die Nerven, meine Kollegen fanden meine Affinität zu Goldbarren und Münzen fast obszön. Gold verblasste für viele im Lichte manch atemberaubender Gewinnsträhnen am Neuen Markt, dem Nemax, oder an der Nasdaq. Der damalige britische Finanzminister Gordon Brown beschloss, zwischen 1999 und 2003 einen erheblichen Teil der britischen Goldreserven zu verkaufen – 401 von insgesamt 715 Tonnen. Und das zu einem Durchschnittspreis von mageren 275 US-Dollar pro Unze! Das war zugleich der Wendepunkt für das gelbe Metall, danach ging es nur noch aufwärts. Das Platzen der Dotcom-Blase war die erste große Krise, die ich hautnah miterlebte, weitere sollten folgen. Im Jahr 2008 hießen die Problemkinder amerikanischer Immobilienmarkt und Subprime-Hypotheken. Drückerkolonnen rückten mit dem verlockenden Versprechen aus, dass jeder in Reichtum leben könne, wenn er sich nur ausreichend verschulde. Also: mehr Schulden, mehr Wohlstand. Die Lehman-Brothers-Pleite riss fast die gesamte Finanzindustrie in den Abgrund. Wie ein Virus hatten faule Immobilienkredite die ganze Welt befallen und lösten zum großen Entsetzen bei Banken und Anlegern eine globale Finanz-Pandemie aus. Ich war zu dieser Zeit immer noch Investment-Banker und verfolgte, wie die ersten großen Rettungspakete gegen den Systemkollaps geschnürt wurden. Die Menschen standen bei den Goldhändlern Schlange.
Gründung eines Edelmetallhändlers. Für mich war das die zentrale Zäsur in meinem Berufsleben: Ich verließ das sinkende Investment-Schiff und gründete mit meinem Schulfreund René Brückler den Edelmetallhändler philoro. Die Trends standen auf unserer Seite: Die Zinsen sanken in den Folgejahren ins Negative – eine Entwicklung, die Finanzökonomen über Jahrhunderte für unmöglich erklärt hatten. Meine jahrelange Liebe zum goldenen Glanz begann sich auszuzahlen. Das Geschäft florierte, eine Erfolgsstory entstand. Meine ehemaligen Kollegen von der Deutschen Bank gingen allerdings auf der Straße grußlos an mir vorbei.
1 Mrd. Umsatz. Zehn Jahre später tauchte ein neues Virus auf, das die Welt in Angst und Schrecken versetzte: SARS-CoV-2. Auf die düsteren Prognosen und präzisen Berechnungen über Ausbreitung und Gefahren des neuartigen Virus folgten weltweit dramatische Restriktionen. Plötzlich stand der Mensch im Mittelpunkt, das neue ideologische Feigenblatt hieß in diesen Tagen: Leben retten. Wieder standen die Menschen vor den philoro-Filialen Schlange – bis wir aufgrund der Restriktionen unsere Shops schließen mussten. Danach boomte der Online-Handel. Die philoro-Gruppe beschäftigt mittlerweile mehr als 100 Personen; in diesem Jahr werden wir einen Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro erwirtschaften. Wir begrüßen mit großer Freude unsere Kunden in bereits 14 Filialen in Österreich, Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein.
PHILORO. Rudolf Brenner ist Gründer und Haupteigentümer
Rudolf Brenner ist mit seiner Börsegeschichte Supporter von https://boersegeschichte.at
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(Der Input von Börse Geschichte für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 27.08.)
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