23.04.2020, 9815 Zeichen
Europas Börsen haben am Mittwoch nach kräftigen Verlusten wieder zugelegt, Unterstützung kam insbesondere vom Ölmarkt, denn die zu Wochenbeginn auf historische Tiefs gefallenen Rohölpreise erholten sich wieder etwas, auch wurde die neu entfachte Risikofreudigkeit durch positive Nachrichten im Kampf gegen das Coronavirus belebt. Der EuroStoxx 50 schloss mit einem Plus von 1,6%, der CAC 40 konnte sich um 1,3% verbessern, für den Dax gab es einen Zuwachs von 1,6% und in London konnte der FTSE 100 um 2,3% vorrücken.
Aus Branchensicht war vor allem der Sektor Öl und Gas gefragt, der um 4,7% ansteigen konnte, es gab keine Verlierer, am schwächsten war der Einzelhandelssektor mit einem Anstieg um 0,5%. Unternehmensseitig rückten vor allem Quartalsbilanzen in den Blick, der Luxusgüterkonzern Kering enttäuschte mit seinen Umsätzen und fand sich mit einem Minus von 4,9% am Ende des EuroStoxx wieder. Spitzenreiter in dem Index war CRH, der irische Baustoffkonzern reagiert auf die Krise mit Sparmaßnahmen und kürzt die Gehälter der führenden Manager um ein Viertel, Aktienrückkäufe wurden ebenfalls ausgesetzt, die Aktie reagierte auf diese Nachrichten mit einem Plus von 7,1%. STMicroelectronics war mit einer Verbesserung von 8,6% ebenfalls sehr gefragt, der Chiphersteller lag auch mit der reduzierten Jahresprognose für den Umsatz über den Schätzungen der Analysten. Dank dieser guten Ergebnisse konnte auch der Konkurrent Infineon einen Zuwachs von 5,7% erzielen. Auch für Akzo Nobel verlief der Tag sehr positiv, der Hersteller von Farben und Lacken konnte dank einer erfolgreichen Restrukturierung der Krise bisher trotzen und verzeichnete trotz Umsatzrückgängen einen Gewinnsprung, von den Anlegern wurde dieses Ergebnis mit einer 7,9% höheren Notierung belohnt. Positive Aussagen zur Nachfrage und zum 5G-Anlauf sorgten zudem beim schwedischen Netzwerkausrüster Ericsson für ein Kursplus von 4,8%. Der Schweizer Pharmakonzern Roche legte ebenfalls starke Erträge vor und konnte um 2,7% anziehen. International Consolidated Airlines will laut Berichten bei der schon vereinbarten Übernahme der spanischen Air Europa einen Preisnachlass aushandeln, zudem äußerte sich Citigroup skeptisch zur gesamten Branche, das bedeutete für das britische Unternehmen einen Rückgang von 1,8%. Bei Wirecard wird weiter auf das Ergebnis der Sonderprüfung gewartet, der gestrige Tag brachte für den Zahlungsabwickler einen Anstieg von 3,2%. Die Papiere des Softwarespezialisten TeamViewer machten mit einem weiteren Rekordhoch und einem Plus von 7,7%ihrem Ruf als Profiteure der Corona-Krise wieder alle Ehre.
Klare Gewinne gab es nach dem verlustreichen Vortag auch für den heimischen Markt, der ATX konnte mit einem Plus von 2,2% den Tag beenden. Auch in Wien war die Erholung bei den Ölpreisen ein wesentlicher Kurstreiber, so konnte die in den letzten Tagen deutlich unter die Räder gekommene OMV eine Verbesserung von 6,1% erzielen, nicht ganz so gut lief es für Schoeller-Bleckmann, der Ölfeldausrüster schloss mit einer unveränderten Notierung. Die Banken gaben ein kräftiges Lebenszeichen von sich, die Bawag konnte um 2,3% vorrücken, bei der Raiffeisen ging es 3,4% nach oben, und die Erste Group war in diesem Sektor mit einem Anstieg um 5,2% der stärkste Titel. Immofinanz konnte den Nettogewinn 2019 um fast zwei Drittel steigern, über die Dividende soll erst nach Veröffentlichung der Halbjahreszahlen im August entschieden werden, gestern konnte der Immobilienkonzern 3,4% anziehen. Agrana legte kurz vor Börsenschluss vorläufige Zahlen zum abgelaufenen Geschäftsjahr vor, das Ergebnis aus der Betriebstätigkeit konnte deutlich gesteigert werden, der Umsatz erhöhte sich leicht, allerdings soll die Dividende gekürzt werden, was den Titel 0,4% nach unten brachte. Der Anlagenbauer Andritz erhielt von der chinesischen Kupferfirma Northern Copper Industry einen Auftrag zur Lieferung eines Kaltwalzwerks, diese Nachricht brachte einen Kursanstieg um 1,3%. Ebenfalls zu den klaren Gewinnern zählte Porr, der Baukonzern konnte sich um 3,5% verbessern. Verlierer des Tages war Marinomed mit einem Rückgang um 3,6%, auch AT&S konnte von der Stärke großer europäischer Mitbewerber nicht profitieren und beendete den Handel mit einer 2,6% tieferen Notierung.
Auch in den USA konnten die Börsen nach zwei verlustreichen Tagen wieder zulegen, getrieben von den selben Faktoren wie in Europa, der Erholung an den Ölmärkten und positiven Signalen hinsichtlich des Kampfes gegen den Corona-Virus, wo es immer wahrscheinlicher scheint, dass bald ein Impfstoff gefunden wird. Der Dow Jones beendete den Tag mit einem Aufschlag von 2,0%, für den S&P 500 ging es 2,3% nach oben, noch deutlich stärker war der technologielastige Nasdaq 100, der um 3,1% ansteigen konnte. Das deutsche Unternehmen Biontech, das auch in den USA notiert, forscht gemeinsam mit Pfizer an einem Impfstoff und hat die Zulassung für eine klinische Studie in Deutschland erhalten. Das brachte den Titel in den USA genauso wie in Deutschland rund 26,7% nach oben, Pfizer konnte marktkonforme 1,8% zulegen. Sonst standen Unternehmensergebnisse im Fokus, Texas Instruments büßte sowohl bei Umsatz als auch bei Gewinn weniger ein als befürchtet, was die Aktie 4,8% ansteigen liess. Der Telekomkonzern AT&T hingegen verzeichnete stärkere Umsatzeinbußen als erwartet und zog den Jahresausblick zurück, das führte zu einem Minus von 1,3%. Biogen präsentierte nicht nur schwache Zahlen, sondern meldete auch, dass der Zulassungsantrag für den Wirkstoff Aducanumab gegen Alzheimer später eingebracht werden soll, die dadurch aufkommenden Zweifel liessen den Aktienkurs 9,4% nach unten sinken. United Airlines plant eine Kapitalerhöhung, wodurch der Titel um 7,2% abrutschte, Facebook will weiter nach Indien vordringen und kauft für 5,7 Milliarden Dollar knapp 10 Prozent der Jio Platforms, einer Tochter des führenden Mobilfunkanbieters, der Netzgigant konnte sich auf Grund dieser Meldung um 6,7% verbessern.
Öl konnte sich deutlich erholen, Brent legte um 7,6% zu, auch WTI notierte deutlich höher, wenngleich der Preis für den Juni-Kontrakt noch immer unter 15 US-Dollar pro Barrel blieb. Gold konnte sich während des gesamten Handelsverlaufes verbessern und erreichte gegen Ende eine Notierung von rund 1.715 US-Dollar. Der Euro musste in der zweiten Tageshälfte leicht gegen den US-Dollar nachgeben, das Währungspaar notierte gegen Abend bei einem Kurs von rund 1,082.
Vorbörslich sind die Märkte in Europa heute Donnerstag zur Eröffnung nahezu unverändert zum Vortag indiziert. Die Börsen in Asien tendierten freundlich. Unternehmensseitig gibt es Neuigkeiten zu AGRANA und VIG (siehe unten). Makroseitig stehen in Europa heute das GfK-Verbrauchervertrauen (DEU), PMI verarbeitendes Gewerbe und Dienste (EUR & GBR) sowie der Einzelhandelsumsatz (GBR), in den USA die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe, PMI verarbeitendes Gewerbe und Dienste sowie Verkauf neuer Häuser im Fokus der Märkte.
UNTERNEHMENSNACHRICHTEN
Agrana
Der heimische Nahrungsmittel- und Industriegüterkonzern Agrana gab gestern bekannt, dass der Vorstand der 33. ordentlichen Hauptversammlung am 3. Juli 2020 eine Dividende in Höhe von €0,77/Aktie für das Geschäftsjahr 2019/20 vorschlagen wird (Dividende für 2018/19: €1,00/Aktie). Nach vorläufigen Zahlen erzielte AGRANA im Geschäftsjahr 2019/20 (1. März 2019 bis 29. Februar 2020) erwartungsgemäß ein deutlich über Vorjahr liegendes Ergebnis der Betriebstätigkeit (EBIT) von €87,1 Mio. (2018/19: €66,6 Mio.). Die Umsatzerlöse der Gruppe betrugen €2.480,7 Mio. (2018/19: €2.443,0 Mio.). Die Prognose für das Geschäftsjahr 2020/21 steht per 22. April 2020 unter dem Vorbehalt der aktuell noch nicht absehbaren wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen sowie Dauer der COVID-19-Pandemie. Aufgrund ihrer Dynamik hätten quantitative Annahmen darüber überwiegend spekulativen Charakter. Auf Basis der vor dem Auftreten von COVID-19 erfolgten Planungen würde die AGRANA-Gruppe mit einem deutlichen Anstieg (+10 % bis +50 %) beim Konzern-EBIT rechnen. Es sind zwar negative Effekte von COVID-19 auf Umsatz und EBIT in allen Segmenten zu erwarten, aktuell sind diese allerdings noch nicht hinreichend quantifizierbar.
Vienna Insurance Group
Das heimische Versicherungsunternehmen Vienna Insurance Group (VIG) veröffentlichte gestern eine Ad-hoc Meldung, wonach man vor dem Hintergrund der andauernden COVID-19-Krise und der damit verbundenen erhöhten Unsicherheiten im Kapitalmarktumfeld und in der operativen Geschäftsentwicklung, eine dämpfende Auswirkungen auf das Ergebnis für das Geschäftsjahr 2020 erwartet. Das Ergebnis des ersten Quartals ist von der COVID-19-Pandemie noch nicht wesentlich belastet; es zeichnet sich im Gegenteil eine positive Prämien- und stabile Ergebnisentwicklung für die ersten drei Monate 2020 im Vergleich zum Vorjahr ab. Dementsprechend lassen diese Zahlen noch keine Rückschlüsse auf das Gesamtjahr zu. Die zu erwartenden Auswirkungen der COVID-19-Krise über den gesamten Jahresverlauf lassen sich aufgrund der großen Unsicherheiten sowohl im operativen Versicherungsgeschäft als auch auf den Kapitalmärkten zum aktuellen Zeitpunkt nicht abschätzen. Insbesondere ist von einem Rückgang des Neugeschäftes auszugehen; gleichzeitig können negative Effekte aus Impairments insbesondere auf das Finanzergebnis in den Folgequartalen nicht ausgeschlossen werden. Entsprechend engmaschig beobachtet die VIG Gruppe das wirtschaftliche Umfeld und die Kapitalmärkte, um Auswirkungen auf ihre Bilanzwerte zeitnah einschätzen zu können. Die Solvenzquote der Gruppe befindet sich nach ersten Schätzungen zum 31. März 2020 und somit unter Berücksichtigung der erheblichen Volatilitäten bei Zinsen und Kreditrisikoaufschlägen auf anhaltend solidem Niveau am unteren Ende der definierten Komfortzone von 170% - 230%.
Song #60: Market & Me & Maria Ma ... (or the Jingle Evolution for Wiener Börse Party Podcast)
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