22.01.2018, 5552 Zeichen
Heute die erste DAX-Dividende des Jahres: Wie im Vorjahr überweist ThyssenKrupp seinen Anteilseignern 0,15 Euro je Aktie. Abgesehen davon, dass der Stahlkocher aufgrund seines versetzten Geschäftsjahres (30.09.) traditionell die Dividendensaison eröffnet, ist die Ausschüttung allerdings kaum der Rede wert – weder unter Rendite-Aspekten noch qualitativ.
Vor allem die Payout-Quote sorgt für Verwirrung. Denn gemessen am Jahresüberschuss haben die Essener im Geschäftsjahr 2016/17 mal wieder mehr verloren als sie in den zwei Jahren zuvor verdient hatten. Auf Basis der um Sonderfaktoren bereinigten Zahlen wird hingegen gerade einmal ein Zehntel des Gewinns ausgeschüttet. Oder um es kurz zu machen: Wer Baustellen mag, kann bei ThyssenKrupp vielleicht mitspielen. In einem soliden Income-Portfolio hat die Aktie aber nichts verloren.
Neuer Dividenden-Rekord voraus
Mit derselben Vorsicht zu genießen sind auch die Dividenden-Ausblicke und Rendite-Ranglisten, die in diesen Tagen wieder durch die Medien geistern. Dass es am deutschen Aktienmarkt 2018 einen neuen Ausschüttungsrekord geben wird, scheint festzustehen. Doch ob die DAX-Konzerne nun in Summe 34,3 oder 35,3 Mrd. Euro unters (ohnehin überwiegend im Ausland ansässige) Aktionärsvolk bringen, spielt für den einzelnen Anleger keine Rolle. Viel spannender ist, was bei den einzelnen Firmen passiert. Aber das weiß noch niemand.
Formelle Dividenden-Ankündigungen kommen erst noch
Denn weil das Geschäftsjahr 2017 gerade einmal seit drei Wochen beendet ist, liegen bislang nicht einmal die Ergebnisse vor – geschweige denn formelle Dividenden-Ankündigungen. Wenn es also etwa in der Presse heißt, Bayer würde die Ausschüttung von 2,50 Euro im Vorjahr auf nunmehr 2,75 Euro anheben, steht dahinter mitnichten ein offizielles Statement des Unternehmens. Das gibt’s nämlich erst am 28. Februar. Bis dahin stehen nur die Prognosen der Analysten im Raum und die 2,75 Euro sind nichts anderes als der Mittelwert der Schätzungen, die insgesamt 18 Geld-Glaskugel-Gucker an die Nachrichtenagentur Bloomberg übermittelt haben.
Bei Bayer ist nicht einmal die Tendenz klar
Wer ein bisschen tiefer im Bloomberg-Terminal gräbt, stellt allerdings fest: So einig, wie der Mittelwert suggeriert, sind die Analysten sich nicht. Im Gegenteil – nicht einmal die Mehrheitsmeinung, dass der Leverkusener Chemiekonzern seine Dividende anhebt, ist unumstritten. Daniel Wendorff von der Commerzbank etwa geht von einer leichten Kürzung aus und die niedrigste Schätzung liegt sogar nur bei 2,34 Euro. Volker Braun vom Bankhaus Lampe hingegen kalkuliert mit 3,00 Euro je Aktie.
Ergibt also eine Spannweite von rund 28% und eine erwartete Dividendenrendite, die bei Aktienkursen um 105,00 Euro zwischen 2,2% und 2,9% liegt. Oder, um es mit Goethes Faust zu sagen: „Da steh’ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.“
Über 100% Spannweite bei der Lufthansa
Noch weitaus krasser ist die Situation bei der Lufthansa. Für den Top-Performer des DAX-Jahres 2017, der sich am 15. März zur Ausschüttung erklären will, gab es allein in den letzten sieben (!) Tagen vier neue Dividendenschätzungen – die sich zwischen 0,60 und 1,03 Euro je Aktie bewegen.
Wie aussagekräftig ist da der aus 20 Analystenmeinungen berechnete Mittelwert von 0,72 Euro!? Zumal es im Dezember einige Stimmen gab, die sogar nur 0,50/0,55 Euro je Aktie für möglich hielten…
Allianz als neuer Dividenden-Krösus?
Auch die – ebenso beliebte wie nutzlose – Frage, wer denn 2018 am meisten Geld unter die Leute bringt, lässt sich noch nicht endgültig beantworten. Sofern der so genannte „Analystenkonsens“ richtig liegt, Daimler von 3,25 auf 3,50 Euro erhöht und Allianz von 7,60 auf 7,90 Euro anhebt, funkelt ganz oben wieder der Stern: Mit 3,7 Mrd. Euro würde der Stuttgarter Autobauer deutlich mehr ausschütten als die 3,5 Mrd. Euro, die der Durchschnitt vom Versicherungsriesen aus München erwartet.
Nicht ausgeschlossen jedoch, dass Daimler mit Blick auf die kommenden Herausforderungen – Stichwort Elektromobilität – lieber mehr Geld im Unternehmen lässt und die Dividende wie im Vorjahr nur konstant hält. Immerhin sieben von 26 Analysten, die in den letzten zwei Monaten eine Schätzung abgegeben haben, gehen genau davon aus. Und wenn die Allianz parallel die Erwartungen nur leicht übertrifft und glatte 8,00 Euro überweist, gibt’s einen neuen Dividenden-Krösus aus Bayern.
Jedes Jahr ein paar böse Überraschungen
Natürlich, in den meisten Fällen zeigt das Analysten-Barometer durchaus die richtige Richtung an. Doch jedes Jahr gibt’s Flops wie zuletzt bei RWE, wo 2017 nur fünf von 16 Experten den erneuten Dividendenausfall auf der Rechnung gehabt hatten. Ernsthafte Investoren lassen die auf Schätzungen basierenden Rendite-Rankings à la „Deutschlands dickste Dividenden“ deshalb links liegen und fokussieren sich auf die Fakten.
Fakten, Fakten, Fakten – und an Twitter denken!
Die werden ab dem 1. Februar geschaffen, wenn Daimler als erster DAX-Wert, dessen Geschäftsjahr das Kalenderjahr ist, seine 2017er Zahlen samt Dividenden-Ankündigung vorlegt. Dann muss man nicht mehr im Nebel stochern, sondern kann eine seriöse Einordnung der Ausschüttungsqualität vornehmen. Im Einzelfall wird das hier im Blog passieren, die meisten und schnellsten Einschätzungen gibt’s allerdings auf Twitter – auch ohne dort angemeldet zu sein: Unter dem Menüpunkt „Kurz notiert“ ist der komplette Twitter-Account @CWRoehl hier auf der Website gespiegelt!
Der Beitrag So beliebt wie nutzlos: Stochern im Nebel der Dividenden-Schätzungen erschien zuerst auf DividendenAdel.
Börsenradio Live-Blick, Do. 8.8.24: DAX schwach & Passagier, Rheinmetall nach Zahlen top, Siemens Energy nach Wind-Update flop
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