10.01.2018, 7082 Zeichen
Wie bei der Papstwahl wird auch in Berlin früher oder später weißer Rauch aufsteigen. Angela Merkels GroKo 2.0 wird schon deshalb kommen, weil alle Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD nach ihren hundsmiserablen Wahlergebnissen, dem Scheitern von Jamaika und der Wankelmütigkeit Pro- oder No-GroKo angeschlagen sind. Um keinen politisch unschönen Abgang zu riskieren, werden sie ihre letzte Chance nutzen, um nicht zu frühzeitig ihren Hobbies nachzugehen. Herr Schulz müsste sich dem Fußball widmen, Frau Merkel schreibt Kochbücher und Herr Seehofer vertreibt sich die Zeit mit seiner Modell-Eisenbahn. Die gute Nachricht zuerst: Deutschland bekommt wieder eine ordentliche Regierung. Wir werden nicht zu einer Bananenrepublik.
GroKo als Kuschelkoalition?
Theoretisch könnte eine GroKo viel für den Gemeinnutz tun. Allerdings, was hat denn die letzte im Parlament wirklich große GroKo praktisch erreicht? Ihre Reformen sind so wenig großartig wie der aktuelle Tabellenplatz des 1. FC Köln. Und was kann dann überhaupt eine nur noch „Kleine Große Koalition“ erreichen, deren Politiker zum eigenen politischen Überleben keine großen Risiken mehr eingehen wollen?
Tatsächlich ist die Versuchung der GroKo riesengroß, die aktuelle Sonnenseite der deutschen Konjunktur als willkommenes Alibi für die Fortsetzung des Reformmüßiggangs zu missbrauchen. Warum für Bewegung sorgen, wenn es sich schon bewegt? Bloß keinen Reformstress unter GroKo 2.0 produzieren, die noch weniger Liebesbeziehung sein wird als die GroKo 1.0. Man ist gezwungen, sich verbalerotisch lieb zu haben, um das unkalkulierbare Wagnis Neuwahlen zu umgehen. Da liegt es nahe, sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen, damit Ruhe im Berliner GroKo-Karton herrscht. Wie in einer guten Vernunftsehe wird Geld der Friedensstifter sein. Immerhin ist der Finanzspielraum zum Verteilen groß. Mit mindestens 45 Mrd. Euro werden alle Beziehungsprobleme zugeschüttet. So eine Politik erinnert mich an Eltern, die ihre schwierige Tochter bzw. ihren problematischen Sohn mit einer gehörigen Mitgift dennoch unter die Haube bringen wollen.
„Die Welt wartet nicht auf Deutschland“…
…hieß es in der Neujahrsansprache der Kanzlerin. Wie wahr! Es geht um unsere wirtschaftliche Zukunft in einer immer wettbewerbsstärkeren Welt. Nichts ist vergänglicher als der Erfolg der deutschen Industrie von gestern. Deutschland ist nicht automatisch eine Insel der konjunkturellen Glückseligkeit. Dazu brauchen wir massive Reformen, um unseren Wirtschaftsstandort auf Weltklasseniveau zu halten. In puncto Bildung, Infrastruktur, Steuersenkungen, Bürokratieabbau und vor allem Digitalisierung der Industriewelt hat aber das Ausland längst die Standort-Nase vorn und greift uns frontal an. So prescht Amerika mit seinen „virtuellen“ Firmenaushängeschildern davon und senkt die Steuern. Und in China regieren längst „digitalisierte Kommunisten“. Selbst Frankreich öffnet die bislang fest verschlossenen sozialistischen Fenster und lässt frischen marktwirtschaftlichen Wind rein. Aufgrund unseres hohen Wohlstandsniveaus hat kein Industrieland so viel Fallhöhe wie Deutschland.
Daher darf Deutschland nicht von einer „Wohlfühlkoalition“ nur verwaltet und moderiert, sondern muss gestaltet und regiert werden. Der Amtseid der regierenden Personen gemäß Grundgesetz „Schaden vom deutschen Volke abzuwenden“ heißt auch wie ein Eichhörnchen für den Winter vorzusorgen und nicht alle Nüsse in den guten Sommerzeiten aufzufuttern.
Arbeitnehmer hängen am Fliegenfänger der deutschen Wirtschaftspolitik
Grundsätzlich sind börsennotierte deutsche Unternehmen aufgrund ihrer globalen Ausrichtung immer weniger auf den nationalen Standort, auf deutsche Bratwurst festgelegt. Es darf auch Hamburger oder Sushi sein. Sie essen dort, wo die Geschmacksnerven den höchsten Renditekitzel erfahren. Ohnehin, die Kronjuwelen der deutschen Industrie werden überall zum Essen eingeladen. Und wenn diese Aktiengesellschaften dann dort erfolgreich Umsätze machen und Gewinne steigern, kommen immerhin deutsche Anleger in den Genuss von steigenden Kursen und Dividenden, ziemlich unabhängig von den Darbietungen deutscher Politik.
Leider besitzen diese globale Mobilität aber nur die allerwenigsten deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie müssen sich auf die deutsche Politik verlassen oder sind verlassen. Daher hat die GroKo die verdammte Pflicht, wirtschaftspolitisch Reformen zügig anzugehen. Diese unpopulären Schritte mögen der Bevölkerung zunächst wehtun, sind aber notwendig, damit Millionen an Arbeitsplätzen und Sozialleistungen auch noch morgen und übermorgen auf Grundlage einer stark wertschöpfenden Wirtschaft gesichert bzw. zu bezahlen sind. Hat jemand „Rücken“, so tut die Physiotherapie am Anfang auch weh. Aber ohne diese Behandlung ist der schmerzfreie aufrechte Gang längerfristig nicht möglich. Couch Potatoe zu bleiben und zur Schmerztablette zu greifen, ist zwar angenehmer. Allerdings wird damit nur das Symptom, nicht der Kreuzschmerz kuriert, der immer größer wird.
Das „Steuer-Tourette“, das unkontrolliert den Tic „Steuererhöhung“ erschallen lässt, muss zukünftig unbedingt in Schach gehalten werden. Noch mehr fiskale Enteignung führt zu Abwanderung und damit weniger Wirtschaftswachstum.
GroKo-Politiker dürfen sich nicht als Direktoren eines deutschen Industriemuseums empfehlen
Unternehmen sollten Deutschland aber möglichst wenig mit Amerika oder Asien fremdgehen müssen. Sie sollen hier investieren und für nachhaltigen Wohlstand sorgen. Erst dann macht der großkoalitionär kombinierte Wahlslogan von Union und SPD der Bundestagswahl 2017 Sinn: Für soziale Gerechtigkeit in einem Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.
Alternativ werden Entlassungen in Deutschland wie bei Siemens oder ThyssenKrupp nur der Beginn einer fatalen Entwicklung sein. Dabei kann die Wirtschaftspolitik der betriebswirtschaftlichen Seite – wo sicher keine Fehlerfreiheit herrscht – nicht einfach den schwarzen Peter zuschieben. Der Wirtschafts-Fisch stinkt vom Berliner Regierungs-Kopf her.
Süße politische Überkorrektheit, Selbstzufriedenheit, Innovationsalarm und das grenzenlose Verlassen auf das zinsdrückende Sonderkonjunkturprogramm der EZB wirken auf den Wirtschaftsstandort Deutschland wie ungefilterte Abgase auf die Luftqualität. Wer nicht mit der Zeit geht, verduftet früher oder später.
Hat eine GroKo 2.0 den wirtschaftlichen Ernst erkannt? Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Ein Beitrag von Robert Halver.
Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die CASMOS Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.
Wiener Börse Party #700: XL zum Jubiläum feat. Aktienforum-Präsidentin, IVA-Input, Immofinanz-Idee und Tojner-Gesamtsicht
Bildnachweis
1.
Deutschland, DAX
>> Öffnen auf photaq.com
Aktien auf dem Radar:Warimpex, CA Immo, RHI Magnesita, Austriacard Holdings AG, Addiko Bank, Polytec Group, Immofinanz, EVN, Kapsch TrafficCom, Lenzing, Verbund, VIG, Pierer Mobility, Marinomed Biotech, Frequentis, SBO, DO&CO, Stadlauer Malzfabrik AG, Wolford, Wiener Privatbank, Oberbank AG Stamm, Agrana, Semperit, Amag, Erste Group, Flughafen Wien, Österreichische Post, Rosenbauer, S Immo, Telekom Austria, Uniqa.
Random Partner
BNP Paribas
BNP Paribas ist eine führende europäische Bank mit internationaler Reichweite. Sie ist mit mehr als 190.000 Mitarbeitern in 74 Ländern vertreten, davon über 146.000 in Europa. BNP Paribas ist in vielen Bereichen Marktführer oder besetzt Schlüsselpositionen am Markt und gehört weltweit zu den kapitalstärksten Banken.
>> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner
Latest Blogs
» Österreich-Depots: Tojner-Verluste, wir rechnen Tojner-Gewinne dagegen (...
» Börsegeschichte 24.7.: stage1.cc, Uniqa, bwin, Wienerberger (Börse Gesch...
» Wiener Börse Party Jubiläumsfolge #700: XL feat. Aktienforum-Präsidentin...
» PIR-News: News zu Kapsch TrafficCom, Verbund, Immofinanz, DO & CO, EAM, ...
» Nachlese: DAX vs. ATX, Einbrecher, Barrique de Beurse, Angelika Sommer-H...
» Wiener Börse zu Mittag stärker: Palfinger, Verbund, Immofinanz gesucht, ...
» Börsenradio Live-Blick 24/7: DAX startet leichter, Deutsche Bank Aktie a...
» Börse-Inputs auf Spotify zu u.a. Addiko Bank, Einbrecher, SAP, Porsche, ...
» Börsepeople im Podcast S14/01:Angelika Sommer-Hemetsberger
» ATX-Trends: DO & CO, Immofinanz, OMV ...
Useletter
Die Useletter "Morning Xpresso" und "Evening Xtrakt" heben sich deutlich von den gängigen Newslettern ab.
Beispiele ansehen bzw. kostenfrei anmelden. Wichtige Börse-Infos garantiert.
Newsletter abonnieren
Runplugged
Infos über neue Financial Literacy Audio Files für die Runplugged App
(kostenfrei downloaden über http://runplugged.com/spreadit)
per Newsletter erhalten
AT0000A2VKV7 | |
AT0000A2YNV5 | |
AT0000A3C5D2 |
- Wie publity, Varta AG, Suess Microtec, Pantaflix,...
- Wie Varta AG, Deutsche Bank, Ahlers, SMA Solar, W...
- Wie VISA, Boeing, Nike, Johnson & Johnson, Verizo...
- Wie Deutsche Bank, Sartorius, DAIMLER TRUCK HLD.....
- Wiener Börse Nebenwerte-Blick: Warimpex büßt 3,85...
- Wiener Börse: ATX etwas schwächer, Immofinanz on top
Featured Partner Video
Börsenradio Live-Blick, Mo.1.7.24: Guter Start ins 2. Halbjahr für DAX & ATX, Zalando, Airbus und Commerzbank gesucht
Christian Drastil mit dem Live-Blick aus dem Studio des Börsenradio-Partners audio-cd.at in Wien wieder intraday mit Kurslisten, Statistiken und News aus Frankfurt und Wien. Es ist der Podcast, der...
Books josefchladek.com
Helen Levitt
A Way of Seeing
1965
The Viking Press
Dominic Turner
False friends
2023
Self published
Valie Export
Körpersplitter
1980
Veralg Droschl
Eron Rauch
The Eternal Garden
2023
Self published
Martin Frey & Philipp Graf
Spurensuche 2023
2023
Self published