04.07.2017, 3698 Zeichen
Den Spruch kennen wir doch, oder? Die Betreiber von Autobahnrestaurants haben ihn in unsere Emotionen gepflanzt. Wer rastet, genießt. An den Börsen sind dies die so genannten „Gewinnmitnahmen“.
Die letzten Junitage waren so ein Ausschnaufen an den Börsen. Von allen Seiten sind Aufrufe dazu gekommen. Die Technologiewerte sind zu teuer (in den USA), die Anleihen werden ab jetzt nur mehr fallen, die Automobilindustrie steht vor dem E-Mobility-Kollaps, die USA taumeln von einer innenpolitischen Peinlichkeit in die andere, und wenn das nicht reicht, unterhält man sich im Weißen Haus über die Möglichkeiten Nordkorea mit Waffen Manieren beizubringen. Kein Wunder, dass der Wunsch nach „Pause“ in vielen Köpfen kurzfristig überhandnahm. Quasi, den Stau vor Augen biegen wir einmal links ab.
Aber genauso wie die Erwartung nach dem ersten Getränk an der Raststätte sich auf die weitere Reise verlagert, genauso kam nach den ersten Verkäufen der Check, ob das alles so richtig war. Naja, wie man es nimmt. Kurzfristig sicher zu recht, aber wer kauft an der Börse schon kurzfristig. Es war daher wenig verwunderlich, dass gleich nach dem Ultimogewitter die ersten Konjunkturerwartungen kamen, die den bisherigen positiven Verlauf bestätigten. Selbst die Automobilkonjunktur, die davor noch als „toppish“ bezeichnet wurde konnte keinerlei Anzeichen einer zyklischen Amplitude bestätigen. Es läuft nach wie vor sehr gut, und die Kunden, die auf ihr neues Auto warten, warten nach wie vor. Die ersten Zweifel kamen daher auch sofort, ob es denn nicht zu kurz gedacht war, auf die Meldungen einiger Broker zu hören, die wie so oft kurz nach dem erhobenen Finger wieder die ersten waren, die zum erneuten Investment aufriefen. Es ist einfach deren Geschäft hier und da für Volatilität zu sorgen.
Apropos Volatilität: es hat sich in diesen Tagen erneut gezeigt, dass die einzige „Assetklasse“, die imstande war die Bewegungen der Anderen zu puffern, die Volatilität war. Bonds, Rohstoffe, (auch Gold) und Aktien sind alle kurzzeitig gefallen, Diversifikation auf Urlaub. Es wirkt abstrakt, ist aber inzwischen Faktum geworden, dass die Bewegung von einzelnen Assetklassen, deren Volatilität respektive Schwankungsbreite, als eigenes Asset investierbar geworden ist. Logisch, dass in vorher lange und einseitig gestiegenen Märkten ein kurzfristiger Rückgang die Schwankungsbreite erhöht und somit diese „Volatilität“ als Absicherungsinstrument unterstreicht. Sind ja kausale Zusammenhänge. Bevor man nun denkt welch Blödsinn das ist und vom Hund der sich in den Schwanz beißt bis zur eierlegenden Wollmilchsau sämtliche Parabeln der Finanzalchemie pauschal zu Hirngespinsten erklärt der Hinweis, dass es derzeit wirklich so ist. So pervers es klingen mag, Volatilität hat mittlerweile ein komplett anderes Asset-Dasein erhalten als die ihr zugrunde liegenden Wertpapiere. Man kann Vola kaufen in welchem Format auch immer man will. Klingt nach Entwicklung eines neuen Marktes, ist aber nicht ungefährlich, denn wir sind bei intensiver Anwendung solcher Instrumente recht nahe an einem Abgrund, dessen Ende wir erst dann sehen, wenn wir uns darüber beugen. Man muss dieses „Baby“ auch verstehen um es lieb zu gewinnen. Eine völlige Hingabe an die Vola könnte dabei vielleicht sogar mehr schaden als nutzen. Wie der Wellengang am Meer kann es lustig sein zu schaukeln, aber in hohen Wellen sollte man gut segeln können.
Was aber fix bleibt ist, dass die fundamentale Basis Kern jedes langfristigen Investments ist. Umso wichtiger ist es daher, dass die Märkte mit der ökonomischen Entwicklung stark verbunden bleiben. Und erfreulicherweise sieht diese ökonomische Entwicklung bei uns nach wie vor wirklich gut aus.
Börsepeople im Podcast S16/15: Elvira Karahasanovic
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