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Ist die Ära des Valiums an den Finanzmärkten vorbei? (Robert Halver, Christoph Scherbaum)

Autor:
Christoph Scherbaum

Die Börsenblogger ist das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehntelanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer. Letztlich sind wir alle Börsenfans. Aber wir vertreten in diesem Blog auch eine ganz simple Philosophie: Wir wollen unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus schreiben, was wir zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken, was uns beschäftigt. Das kommt Ihnen, dem Leser, zu Gute.

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21.06.2017, 7144 Zeichen

Valium ist ein Psychopharmaka, das Ängste bekämpft und die Nerven beruhigt. Es wirkt schnell, doch ist seine Wirkungsdauer nur kurz. Damit hat Valium eine Nebenwirkung: Es macht abhängig. Um einen anhaltenden Effekt zu erzielen, muss es regelmäßig eingenommen werden.

An den Finanzmärkten heißt das Valium seit 2008 Geldpolitik. Mit Zinssenkungen und sintflutartiger Geldmengenausweitung entfaltet sie ähnliche Wirkungen und Nebenwirkungen.

Die Geldpolitik agiert wie ein Nachtwächterstaat

Der Erfolg dieser Beruhigung lässt sich an den ultraniedrigen Schwankungsbreiten der Aktien- und Rentenmärkte ablesen. Kein noch so großes (finanz-)politisches Risiko konnte Schaden anrichten. Fed und EZB sind unschlagbare Sondereinsatzkommandos.

Durch die geldpolitische Entmachtung der Marktwirtschaft bewegt sich ebenso die Volatilität der krisenempfindlichsten Anlageklasse „Staatsanleihen“ nahe historischer Tiefstände. Die Anleihemärkte sind planwirtschaftlich eingesperrt, genießen keine eigenen Freiheiten mehr, sind fremdbestimmt.

Entscheidend ist, was bei der Geldpolitik hinten rauskommt

 Neben den Beruhigungspillen für die Finanzmärkte ging es den Notenbanken nach der weltweiten Rezession 2008/2009  auch um den Kaltstart der Konjunkturen. Beginnend in Amerika sollten Banken mit viel billigem Zentralbankgeld – Quantitative Easing genannt – so überfüttert werden, dass sie gar nicht anders können als massenweise neue Kredite an die Privatwirtschaft auszuleihen.

In den USA hat das anfänglich zwar zu einem verstärkten Kreditvolumen geführt. Doch seit Ende 2016 hat sich das Kreditwachstum deutlich abgeschwächt.

Noch erbärmlicher ist übrigens das Kreditwachstum in der Eurozone. Die Kreditinstitute verschmähen das überreichliche Geld der EZB wie der Veganer fettige Mettbrötchen.

Dass sich die Volkswirtschaften dennoch insgesamt stabil entwickeln, liegt an der explodierenden, zu günstigen Zinsen finanzierten Staatsverschuldung z.B. in den USA, die wie Kunstdünger wirkte.

Die im Vergleich relative Schwäche im amerikanischen Privatsektor offenbart auch der mitunter bis in den Himmel gelobte US-Arbeitsmarkt. Es wurden zwar zahlreiche Jobs geschaffen. Aber diese sind vor allem im Bereich „Schiffschaukelbremser“ oder „Fast Food“ angesiedelt und nicht in der qualitativ hochwertigen Industrie oder im Dienstleistungssektor. Doch mittlerweile schwächelt selbst die quantitative job creation. Die Stellenausschreibungen und der Stellenaufbau haben ihre Gipfel hinter sich. Vom Trump-Effekt ist hier bislang ebenso wenig zu sehen wie von blühenden Landschaften in der Wüste.

Der geldpolitische Schuss ging nicht realwirtschaftlich nach vorn, sondern finanzwirtschaftlich vor allem nach hinten los. Auffangbecken für das konjunkturell verschmähte Geld sind die Aktien-, Anleihe- und Immobilienmärkte. Dort haben wir es mittlerweile mit den Müttern und Vätern aller Anlageblasen zu tun.

Die Notenbanken stecken in einem dramatischen Dilemma

 Vor diesem Hintergrund stecken die Notenbanken in einem gewaltigen Zwiespalt. Einerseits sind sie mit Blick auf ihre Konjunkturen weiter an einer üppigen Geldpolitik interessiert. Doch ihre Lockerheit macht die Finanzmärkte ähnlich wie bei Valium gelddrogenabhängig und bläht die bereits bestehenden Anlageblasen noch weiter auf.

Andererseits wissen die Notenbanken, dass der umgekehrte Zahnpasta-Effekt – billige Liquidität wieder einsammeln – zu einem schmutzigen Zinsschock führen kann. Wenn das Valium fehlt, platzen nicht nur Blasen. Anschließend wird auch die Realwirtschaft geschoren wie Schafe im Juni. Wenn medial mit Sondersendungen und Bildern von Tsunamis und Lawinen über Aktiencrashs berichtet wird, erleben wir ein Déjà-vu, ähnliche Kollateralschäden wie 2008. Aus Angst wird dann das Portemonnaie zugenagelt, aus der Fernreise wird der Besuch im Freizeitpark, der Autokauf und die Firmeninvestition weit in die Zukunft verschoben. Und da dies millionenfach passiert, geht die Wirtschaft in die Knie und die Rezession zeigt ihre hässliche Fratze. Arbeitsplätze werden abgebaut und der soziale Frieden hängt am seidenen Faden. Die Geldpolitik riskierte ihr eigenes Rettungswerk. Sie stünde da wie Popeye ohne Spinat.

Die Geldpolitik verhält sich politisch korrekt   

 Wie man mit diesem Zwiespalt umgeht, zeigt die US-Notenbank: Seit Amtsantritt im Februar 2014 verschafft sich Fed-Präsidentin Yellen mit ihrem Zickzack-Kurs wie ein Politiker einen Zeitgewinn. Sie hat die Notenbankzinsen zwar mittlerweile zum vierten Mal erhöht. Denn die Fed ist nicht irgendeine Pommesbude, sie ist die bedeutendste Notenbank der Welt. Insofern muss sie de jure eine vertrauenswürdige Zinspolitik vertreten. Doch dieser Zinserhöhungszyklus ist der trägste, seitdem man in den USA nicht mehr mit Tierknochen bezahlt. Im Übrigen sind die US-Notenbankzinsen nach Inflation negativ. Das ist insgesamt eine verbale, aber keine tatsächliche Zinserhöhungspolitik. De facto ist die Fed ein Zins-Bluffer.

Wirklich restriktive Zinspolitik hatte die Deutsche Bundesbank betrieben. In ihrer Ära waren die Notenbankzinsen nach Inflation fast immer positiv. Und in Zinserhöhungsphasen wurde besonders für Stabilität geknüppelt.

Entblähung der Fed-Bilanz als Einstieg in die Normalisierung?

Wie bei ihrer Zinspolitik spielt die Fed auch bei der Geldmengenpolitik auf Zeitgewinn. Frau Yellen hat zwar kürzlich die Entblähung der durch Anleihekäufe fett gewordenen Bilanz der US-Notenbank skizziert. So könnten schon ab der Fed-Sitzung im September auslaufende Anleihen im Besitz der Notenbank nicht wieder vollständig neuangelegt werden. Und im weiteren Verlauf spricht Yellen sogar von Netto-Liquiditätsabzügen. Was auf den ersten Blick wie Schluss mit geldpolitisch-lustig klingt, ist auf den zweiten Blick weit weniger dramatisch. Denn zur Frage, wie lange dieser kalte Entzug dauert und welche Größenordnung er annimmt, schweigt sich die ebenso weißhaarige wie weise „Politikerin“ Yellen aus. Bloß nicht festlegen! Sie hält sich alle Fluchttüren offen. Und ihr permanentes Herumreiten auf der sinkenden Inflation – die im Februar ihren Gipfel erreicht hat – nutzt sie dabei geschickt als willkommenen Türstopper.

Insgesamt hat die Fed zwei Ziele erreicht. Politisch suggeriert sie eine restriktive, stabile Geldpolitik. Doch den Anlagemärkten tut sie nicht weh. Sie verteilt weiter Valium, wenn auch unter der Ladentheke. Genauso politisch korrekt wie die Fed wird sich auch die EZB bei ihrer vorgetäuschten Entzugstherapie verhalten.

Im Zweifel für den Angeklagten, oder besser gesagt für den Finanzmarkt-Patienten: Die Ära des Valiums ist nicht vorbei. Die Aktien- und Rentenmärkte glauben selbst nicht daran: Sie zeigen dem kalten Entzug die kalte Schulter.

Ein Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

 


(21.06.2017)

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