26.02.2017, 4611 Zeichen
Früher war ja irgendwie alles besser. Das behaupten zumindest all diejenigen, die schon lange genug auf Gottes schönem Erdboden wandeln, um überhaupt auf ein nennenswertes Früher zurückblicken können. Na gut, „alle“ ist vielleicht übertrieben, aber viele sind es durchaus. Ganz interessant dabei ist auch, was da so alles als „besser“ beschrieben wird. Sehr oft ist es die Musik (volle Zustimmung meinerseits). Oder Filme, vor allem Spielfilme in Kinolänge. Wenn wir schon bei dem Thema sind: ich setze 10 Euro auf „La La Land“ für die „Big Five“ bei der Oscarverleihung am Sonntag! Nicht ganz so eindeutig fällt das Urteil zum Thema Mode aus, da streiten sich die Geister bzw. die Geschmäcker schon eher, ob die Schulterpolster und Fönfrisuren in den Achtzigern oder die Schlaghosen und Nickelbrillen in den Siebzigern wirklich besser im Sinne von schöner waren. Und wenn wir schon bei diesem Thema sind – wann kommen eigentlich diese monströsen Plateauschuhe aus den Neunzigern wieder? Wirklich brandgefährlich wird diese Retro-Welle allerdings, wenn sie A aus den USA kommt und B von DJ Trump losgetreten wird. Der ergeht sich derzeit nämlich in einer brandgefährlichen Nostalgieverklärung. Deregulierung der Banken, das hat Reagan anno 1980 schon vorangetrieben, und ebenfalls auf das Konto des Schauspieler-Präsidenten ging ein ausgeprägter Hang zum nationalen Protektionismus, „make America great again“ stammt schließlich aus der Feder seines Wahlkampfteams, wie gesagt, 1980 war das. Der amtierende Präsidenten-Darsteller wünscht sich und sein Land offenbar auch zurück in die Vergangenheit, dabei übersieht er allerdings ein winziges Detail:
Flache Lernkurve
Das Leben kommt von vorne! Die Börsenkurse übrigens auch. Und in den Zeiten der Globalisierung (deren heutiges Ausmaß Reagan freilich nicht mehr miterlebte) ist es schier unmöglich, das Rad der Zeit dergestalt zurückzudrehen, dass am Ende die Sonne nur noch für einen (in diesem Falle God’s Own Country, also die USA) scheint. Insofern (und auch wenn wir uns hier wiederholen) mag Trump noch so laut trumpeten, solange den markigen Präsidenten-Phrasen keine belastbaren (realen!) Fakten folgen, droht den Märkten massives Ungemach. Oder anders formuliert: Die aktuelle Rallye (vor allem) an den US-Märkten basiert auf den Phantasien eines Mannes, dessen Lernkurve bislang eher flach ausfällt. Umso höher hingegen mittlerweile die Erwartungen der Anleger. Alles unter einem Wunder dürfte demnach als Enttäuschung gewertet werden, damit steigt das Rückschlagspotenzial mit jedem neuen Allzeithoch an. Offenbar scheint dies in der momentan herrschenden Sorglosigkeit erfolgreich ausgeblendet zu werden. Doch das dicke Ende dürfte nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Auch wenn es erst einmal noch ganz und gar nicht danach aussah:
Achtungserfolg
Die Narren sind los, und auch an den Aktienmärkten geht die große Party weiter. Naja, ging, heute weht ja so ein Hauch von Katerstimmung über das Parkett. Aber bis einschließlich Donnerstag war die (Anleger-)Welt durchaus in Ordnung: Neben den beinahe schon gesetzten Rekordlieferanten von der Wall Street, die zuverlässig ein Allzeithoch nach dem anderen lieferten – der Dow Jones hat dabei mittlerweile die 20.800er-Marke geknackt – und einem zunächst knüppelfesten MDAX gab in dieser Handelswoche auch der DAX selbst endlich einmal Gas und kletterte, man glaubt es kaum, doch tatsächlich über die 12.000er-Barriere. Nun gut, der Ausflug währte nur kurz, und mehr als 12.031 Zähler waren erst einmal nicht drin für die deutschen Blue Chips. Aber hey! Neues Jahreshoch und erstmals seit April 2015 (!) über 12.000, das ist zumindest ein Achtungserfolg! Mehr aber auch nicht, sondern vielleicht sogar schon ein erstes Warnzeichen. Ein kleines zumindest, denn aktuell scheint eine Konsolidierung allmählich als mögliche Option für die Märkte am Horizont aufzutauchen. Richtig spannend wird es jedoch, wenn aus der Konsolidierung eventuell gar eine waschechte Korrektur erwächst. Mag sein, dass wir da jetzt ein wenig der Zeit voraus sind. Aber: ein wenig Weitsicht schadet nicht. Jedenfalls nicht immer.
Ein Beitrag von Sebastian Jonkisch von Prime Quants
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