26.06.2016, 4155 Zeichen
Von Ulrich W. Hanke, boersianer.info – Das digitale Anlegermagazin
Auch ich komme heute nicht um das Thema Brexit herum, versuche den Ausstieg der Briten aus der Europäischen Union jedoch so rational wie möglich einzuordnen, dessen Auswirkungen natürlich noch lange nicht abzuschätzen sind. Aber Panik ist auf jeden Fall kein guter Ratgeber an der Börse. Ja, der deutsche Leitindex Dax ist am Freitag rund 1.000 Punkte oder zehn Prozent unter seinem Donnerstagschlusskurs gestartet. Der Brexit war ein Schock, hat doch niemand damit gerechnet und haben sich viele Investoren auf die Idee versteift, Wettquoten als Indikator heranzuziehen. Der Dax-Schlussstand nach dem Brexit am Freitagabend: 9.557 Punkte. Das ist fast eine Punktlandung, schaut man sich einmal den Schlussstand vom Freitag zuvor an: 9.631 Punkte. Also nur -0,77 Prozent Verlust auf Wochenbasis. Oder alles beim Alten.
Was für die Börse zu scheinen gilt, wird für Großbritannien und die EU nicht zutreffen. Und darf auch nicht sein. Hier liegt meiner Meinung nach eine große Chance für die EU. Verstehen Sie mich nicht falsch, Großbritannien (oder vielleicht auch nur Kleinbritannien) ist und bleibt ein wichtiger Nachbar. Aber die EU sollte sich freuen, nun eine Art Feindbild zu haben. Das kann nämlich alle anderen zusammenschweißen und das ist das, was der EU fehlt: Ein Wir-Gefühl. Insbesondere die Vorteile müssen in den Köpfen der EU-Bürger ankommen – und damit meine ich auch die Köpfe der Bürger aus den Geberländern. Das geht am einfachsten, wenn die EU nun die Nachteile für die Briten möglichst deutlich macht. Die Briten wollten ohnehin immer ihre Extrawurst, haben den Britenrabatt herausgehandelt, das britische Pfund für den Euro nicht aufgegeben und nicht dem Schengener Abkommen beitreten wollen.
Bye-Bye Britain, aber gerne doch! Jetzt bitte nicht wieder falsch agieren, liebe Frau Bundeskanzlerin. No Return und keine Gnade, stattdessen knallhart, eisern verhandeln wie einst Margaret Thatcher. Sonst kommen die nächsten Euroländer auf dumme Ideen und spätestens dann, ist die EU und mit ihr der Euro gescheitert. Und das will die Mehrheit von uns (jungen) EU-Bürgern nicht!
Zurück zur Börse. Panikverkäufe sind sicher nicht die Strategie der Stunde, eher Ruhe bewahren. Nicht nur der Dax meldet mit einem Wochenminus von nur 0,77 Prozent nicht gerade ein starkes Verkaufssignal, auch der von mir gerne betrachtete, breite und gleichgewichtete Value Line Index, kurz VLA. Dieser verlor in der vergangenen Woche lediglich 1,66 Prozent an Wert. Beide Indizes melden also aufgrund der nur geringen Rückgänge und vorherigen Kursanstiege weiterhin grünes Licht für Aktien.
Durch die Schwäche des britischen Pfunds und auch des Euros ist darüber hinaus der US-Dollar wieder etwas stärker, was generell als gut für die Aktienmärkte gilt. Niedrige Zinsen und Rohstoffpreise sind ebenfalls positiv. Negativ einzuordnen ist nach wie vor natürlich die saisonale Betrachtung („Sell in May and go away, come back on September“), wonach Anleger erst Ende September wieder in Aktien investieren sollten und auch die meisten Aktienindizes liegen unter ihren 200-Tage-Durchschnittskursen.
Ob wir jetzt Einstiegskurse gesehen haben, kann niemand sicher prognostizieren. Sicher ist, die Unsicherheit bleibt hoch und mit ihr die Schwankungsbreite der Aktienkurse (Volatilität). Vielleicht macht es Sinn, erst einmal die kommende Woche abzuwarten, bis sich ein Trend herausgebildet hat. Vor dem Brexit, der ja vermutlich erst in zwei Jahren Realität wird, brauchen Börsianer aber keine Angst haben.
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Ihr Ulrich W. Hanke,
Börsenstratege und Herausgeber von www.boersianer.info
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Wiener Börse Party #806: ATX schwächer, morgen Verfallstag, im Jänner unter Strom und viele Abschiede im Dezember
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