20.05.2016, 3407 Zeichen
Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst CMC Markets, 20. Mai 2016
Nach der Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle der US-Notenbank in dieser Woche reagierte der Goldpreis mit einem Rutsch unter 1.250 US-Dollar und verpasste damit der seit langem mal wieder positiveren Stimmung unter den Gold-Fans einen Dämpfer. Was war passiert? Die Federal Reserve bereitet die Märkte langsam aber sicher auf einen weiteren Zinsschritt im Juni vor. Damit könnte die Zinswende, die bislang nur in den Köpfen standfand, doch tatsächlich Realität werden.
Juni ist kein geeigneter Zeitpunkt für Zinserhöhung
„Könnte“ aber heißt nicht „müsste“. Am 23. Juni wird Großbritannien über den Verbleib in der Europäischen Union abstimmen. Es ist ein unnötiges Risiko, die Zinsen eine Woche vor der Brexit-Abstimmung anzuheben. Das wäre ungewöhnlich für die zuletzt sehr auf die Begrenzung von Risiken bedachte US-Notenbank. Kneift die US-Notenbank deshalb im Juni erneut, sollte der Goldpreis seine Erholung fortsetzen können und auch in der Lage sein, die Marke von 1.307 US-Dollar hinter sich zu lassen.
Positive Haltekosten beim Goldkauf
Die Inflation in den USA zieht an. Sehr tiefe Nominalzinsen gepaart mit höherer Inflation führen zu sinkenden Realzinsen - historisch betrachtet das beste Umfeld für Gold. Außerdem werfen 35 Prozent der weltweiten Staatsanleihen Negativzinsen ab. Durch die Stabilität des Goldes erwirtschaftet der Anleger sogar positive Haltekosten, einfach dadurch, dass er es hält. Es verliert ja schließlich nicht an Wert, so wie viele Staatsanleihen.
Zentralbanken und China als Gold-Käufer
Nachfrage kommt auch von einer anderen Seite. Die Notenbanken haben im vergangenen Jahr 566 Tonnen Gold gekauft, in diesem Jahr sollen es zwischen 400 und 600 Tonnen werden. Das ist ordentlich. Vor allem kauft aber China, das Land importiert gut 1000 Tonnen, obwohl es selbst schon der größte Produzent ist. China benötigt sehr viel Gold. Dazu kommt noch Indien – beide nehmen fast zwei Drittel der Minenproduktion auf.
Spekulation bestimmt den Goldpreis
Kursfantasie kommt auch durch die Investmentprodukte. Mit Goldbarren besicherte ETFs zum Beispiel - hier fließt ganz schnell neues spekulatives Geld in die eine Richtung. Wenn sich aber die Rahmenbedingungen ändern, wird schnell auch wieder Geld abgezogen. Die Spekulation ist nicht so stabil wie etwa die Nachfrage der Zentralbanken oder aus China, hat aber am meisten Auswirkungen auf den Preis.
Öl-Gold-Verhältnis wieder im Gleichgewicht
Interessant ist auch der Blick auf die Korrelation zwischen den Preisen für Öl und Gold. Mit einer Unze Gold konnte man auf Jahresfrist zweimal kurz 40 Fässer Erdöl kaufen. Beide Male stellte dies die maximale Kaufkraft von Gold dar. Hier hat sich also ein Doppeltopp gebildet - ein ausgezeichnetes Signal dafür, dass der Ölpreis im Februar ein Tief ausgebildet hat. Jetzt hat sich die Situation normalisiert. Noch ist Gold etwas zu teuer und Öl noch etwas zu günstig, aber der Großteil dieser Fehlbewertungen ist behoben und der Markt wieder im Gleichgewicht.
Gold eignet sich daher aktuell sehr gut als Spekulation darauf, dass die Zinswende vor dem Hintergrund einer labilen konjunkturellen Verfassung und den lauernden Risiken noch nicht so schnell kommt wie der Markt aktuell erwartet. Das Risiko einer solchen Position besteht allerdings darin, dass die US-Notenbank die Normalisierung ihrer Geldpolitik doch schneller vollzieht.
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