21.12.2015, 5123 Zeichen
Eine stabile Aktionärsstruktur ist für viele Privatanleger ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl einer Aktienanlage. Doch so mancher Großaktionär hat sich in der jüngeren Vergangenheit eher als Problem für Privatanleger, denn als Stütze des Aktienengagements herausgestellt.
Jüngstes Beispiel ist der Lkw-Hersteller MAN (WKN 593700). Als Großaktionär hat Europas größter Autobauer Volkswagen (WKN 766403) zuletzt eine Komplettübernahme immer wieder abgelehnt. Stattdessen sollte mit einer unabhängigen MAN SE unter Einbeziehung von Scania ein schlagkräftiger Lkw-Konzern entstehen.
Daher notierte die MAN-Aktie weiterhin im MidCap-Segment MDAX. Anleger konnten sich über eine mäßige – zugleich aber bedingt durch Dividendenzahlungen stabile – Aktienrendite erfreuen. Das galt zumindest bis zum 2. September 2015. An diesem Tag erklärte MAN per Ad-hoc-Mitteilung, dass man einen Antrag gestellt habe, um den regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse zu verlassen. Statt zum Prime Standard wolle MAN sowohl mit den Stamm als auch mit den Vorzugsaktien künftig im General Standard notiert sein. Die Begründung für diese für Privatanleger sehr weitreichende Entscheidung war recht knapp: „Der Wechsel des Börsensegmentes eröffnet MAN SE die Möglichkeit, den mit der Notierung im Prime Standard verbundenen Zusatzaufwand zu reduzieren.“
Ein verhängnisvolles Urteil für die Aktienkultur
Zusatzaufwand? Nun ja, eine Notierung im Prime Standard und dann auch noch im MDAX ist nicht ohne. Quartalsberichte sind zeitnah zu veröffentlichen. Die Investor Relations-Arbeit hat zahlreiche weitere Offenlegungs- und Berichtspflichten zu erfüllen. Das kostet Geld. Aber das ist bei einer Börsennotierung eben so. Wenn man das nicht mehr will, muss man eben seine Anleger abfinden und die freien Anteile erwerben. Muss man? Tja genau hier liegt der Hase im Pfeffer.
Seit einem für die Aktienkultur in Deutschland verhängnisvollen Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 haben Großaktionäre und/oder das Management einer Aktiengesellschaft freie Bahn was die Börsennotierung angeht. Laut den Karlsruher Richtern muss man als Aktionär hinnehmen, dass „der Widerruf der Börsenzulassung für den regulierten Markt grundsätzlich nicht den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des Aktionärs berührt“. Übersetzt: Eine Entschädigungszahlung muss es nicht geben. Ganz schön starker Tobak, denn:
Wenn ich meine Aktie nicht mehr zu vernünftigen Preisen verkaufen kann, ist mein Eigentumsgrundrecht in meinen Augen sehr wohl eingeschränkt. Der Rückzug in ein unreguliertes Börsensegment oder am Ende sogar der gesamte Börsenrückzug verhindern, dass es vernünftige Preise gibt. Es fehlen einfach Nachfrage sowie daraus resultierende Umsätze. In einem ohnehin Aktien-skeptischen Land ist für solche Nischenaktien so gut wie kein Platz. Das grenzt dann schon an Liebhaberei. Zwar versuchen Anbieter wie Valora Effekten nach Kräften ein vernünftiges Angebot für den Handel von nicht mehr gehandelten Aktien bereitzustellen. Doch wo keine Nachfrage, da findet auch das beste Angebot keinen Käufer.
Der Dumme ist der Privatanleger…
Zurück zu MAN: Anleger blieben ob der Nachricht über den Prime-Standard-Abschied erstaunlich ruhig. Der Kurs bewegte sich nicht. Das galt auch für den 4. Dezember. Am Vorabend hatte die Deutsche Börse (WKN 581005) bekannt gegeben, dass die MAN-Stämme per 21. Dezember aus dem MDAX fliegen. Die Zukunft für die MAN-Anleger dürfte spannend werden. Das gilt nicht nur aufgrund des Abgas-Skandals bei der Konzernmutter Volkswagen, sondern auch, ob am Ende nicht doch noch ein Delisting bei MAN erfolgt.
Etwas Zeit dürfte bis dahin noch vergehen. Noch besitzen die Wolfsburger nur etwas mehr als dreiviertel der MAN-Anteile. Sollte Volkswagen die Anteile in der Zukunft nun Stück für Stück günstig im General Standard einsammeln können, dürfte irgendwann der Squeeze-out und das Delisting folgen. Die Regelungen sehen vor, dass dann nur noch der Durchschnittskurs der letzten 30 Tage zu zahlen ist.
Am Ende wird deutlich: Bringt man als Großaktionär etwas Zeit mit, kann man eine Übernahme auf diese Weise deutlich günstiger hinbekommen, als wenn man eine Übernahme in einem Guss stemmt. Der Dumme ist dabei der Privatanleger, der durch diese schrittweise Übernahme, an deren Ende ein kaltes Delisting steht, quasi enteignet wird.
Abhilfe ist nicht in Sicht. Da das ganze Verfahren höchstrichterlich abgesegnet ist, muss für eine Neuregelung des Aspekts Börsennotierung/Delisting parlamentarischer Handeln erfolgen. Doch das Thema, insbesondere auch hinsichtlich der Förderung der Aktienkultur, scheint keine der im Bundestag vertretenen Parteien auf der Agenda zu haben. Leider. Als Privatanleger kann man in dieser Situation einfach nur mit offenen Augen über den Kurszettel gehen und Unternehmen mit unklaren Absichten seitens der Großaktionäre meiden.
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