26.11.2015, 9891 Zeichen
Der österreichische Ölfeldausrüster Schöller-Bleckmann Oilfield Equipment AG, kurz SBO AG wurde im Bargain Magazine schon ausführlich behandelt und befindet sich als kleine Position auch im Bargain Musterportfolio. Heute wurden die Zahlen zum dritten Quartal veröffentlicht und ich möchte in diesem Artikel die aus meiner Sicht wichtigsten Punkte kurz erörtern.
Das Marktumfeld
Derzeit ist der Ölmarkt von einem Angebotsüberhang gekennzeichnet. Es wird also ganz einfach zuviel Öl produziert und zu wenig davon verbraucht. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass sich der Ölpreis innerhalb des letzten Jahres mehr als halbiert hat. Für viele Marktbeobachter ist dieser Zustand nun die neue „Normalverfassung“ des Ölmarktes. Ich habe bereits in mehreren Artikeln, unter anderem hier und hier, meinen Standpunkt dahingehend bezogen, dass ich langfristig weiterhin von steigenden Ölpreisen ausgehe. An dieser Einschätzung hat sich meinerseits bis dato nichts geändert. Die Entwicklung der Fundamentaldaten, welche ich nun aus dem Bericht zum Q3 von SBO zitiere, weist jene Elemente auf, die ich in meinen früheren Artikeln angesprochen habe. Die Angebotsseite muss sich angesichts dieses Preisniveaus zusammenziehen. Genau dieser Prozess ist derzeit offensichtlich im Gange. Die weltweite Bohraktivität hat sich drastisch reduziert, nämlich – gemessen am rig count – um 40,7%. Dieser Rückgang wird vor allem durch drastische Einschnitte in den USA getragen, wo sich der rig count um über 56% im Vergleich zum Vorjahr verringert hat. Die weltweite Ölförderung liegt derzeit bei ca. 96,9 Mio. Barrel pro Tag. Die weltweite Ölnachfrage liegt bei 95,3 Mio. Barrel pro Tag. Relativ ausgedrückt wird also um 1,7% mehr Öl produziert, als Nachfrage vorhanden ist. Das ist eine sehr geringe Spanne.
Interessant ist vor allem die Entwicklung im Q3 2015 im Vergleich zu Q2 2015: hier hat sich die Produktion um ca. 0,7 Mio. Barrel erhöht, die Nachfrage jedoch um 1,4 Mio. Barrel. Das bedeutet nichts anderes, als dass die momentan stattfindenden Angebotsausweitungen langfristig nicht mehr ausreichend wären, um die steigende Nachfrage zu decken. Das gilt umso mehr, als dass vor allem in den letzten Jahren extrem viele Schieferölfelder durch die Bohrungen in den USA erschlossen wurden, als die Preise noch höher waren. Deren Volumina sind jetzt zum Angebot dazugekommen und stützen das Überangebot momentan. Die Erfahrung zeigt aber, dass gerade solche Felder eine besonders hohe depletion rate, das heißt eine abnehmende Ergiebigkeit im Zeitverlauf aufweisen. SBO hat diese depletion rate einmal mit grob 6% pro Jahr im weltweiten Durchschnitt beziffert, wobei jene der Schieferölquellen noch wesentlich höher liegt. Würden gar keine neuen Vorkommen erschlossen, würde also das Angebot um 6% pro Jahr sinken. Wie ich schon in einem früheren Artikel geschrieben habe, waren die gesamten Ausgaben für Exploration und Produktion weltweit im Vorjahr dazu in der Lage, einerseits die depletion auszugleichen und andererseits noch über 3 Mio. Barrel pro Tag zusätzliches Angebot auf den Markt zu bringen. So gesehen entfielen also ca. 2/3 des Gesamtbudgets, das für E&P aufgewendet wurde, lediglich auf den Ausgleich der Depletion und gerade einmal 1/3 auf die zusätzliche Ausweitung des Angebotes. Man mag nun naiv die Frage in den Raum stellen, was passieren wird, nachdem die Investitionsbudgets der Ölriesen quer durch die Bank zwischen 20 und 40 Prozent gekürzt werden, wenn also grob gesagt genau der Betrag, der notwendig war, um das Angebot unter dem Strich auszuweiten, einfach nicht mehr ausgegeben wird.
Bemerkenswert ist auch ein Blick auf die Rate des Anstieges der Ölnachfrage, also auf die andere Seite der Gleichung. Im ersten Quartal des laufenden Jahres lag die durchschnittliche Nachfrage laut Schätzungen der IEA noch bei etwas über 93 Mio. Barrel. Es sind also deutlich über 2 Mio. Barrel allein in diesem Jahr dazu gekommen. Logisch: es werden so viele SUVs wie schon lange nicht mehr verkauft, die Flugbewegungen steigen, alternative Heizungskonzepte im Einfamilienhaus werden wieder verworfen, weil Heizöl so billig ist, wie schon lange nicht mehr. Der jüngste Anstieg militärischer Aktivitäten im Nahen Osten tut auch das seinige. Interessant wird natürlich sein, wie viel zusätzliches Angebot vom Iran dazu kommt. Hierüber gibt es nur Mutmaßungen. Man darf auch eines nicht vergessen: eine stärkere Einbindung des Iran in die Weltgemeinschaft und die Lockerung von Wirtschaftssanktionen wird zu Wohlstandsgewinn und entsprechend steigender Inlandsnachfrage führen. Wie stark sich das aber auf Angebot und Nachfrage am Weltmarkt auswirken wird, kann niemand sagen. Es liegt aber schon die Vermutung nahe, dass sehr viel von dem Öl, das der Iran liefern wird können, notwendig sein wird, um die aufgrund des niedrigen Preisniveaus massiv gekürzten E&P-Ausgaben weltweit auszugleichen.
Eine gute Nachricht für die SBO ist übrigens, dass der prozentuelle Anteil der „directional drilling rigs“ an der Gesamtzahl der Bohrungen weiter gestiegen ist. Das bedeutet, dass jene Bohrvorgänge, für die SBO wichtige Komponenten zuliefert, weniger stark gekürzt wurden, als althergebrachte Bohrvorgänge.
Geschäftsentwicklung und Stabilität der SBO
Nichtsdestoweniger bekommt auch SBO die Investitionskürzungen seiner Kunden voll zu spüren. Der Umsatz ist bisher um 27% gesunken, das EBITDA um 46%, das EBIT um 77%. Aufgrund von Firmenwertabschreibungen, die nur zum Teil von positiven Sondereffekten aus der Bewertung von Optionsverbindlichkeiten kompensiert wurden, ist man unter dem Strich rot. Die überproportionale Verringerung, je weiter man in der GuV nach unten blickt, ist einfach erklärt: SBO hat als Industriebetrieb natürlich eine gewisse Fixkostenbasis, die man nicht einfach mit einem Fingerschnippen reduzieren kann, wenn die Umsätze zu sinken beginnen. Hierzu ist Folgendes zu sagen: Zum Teil sind die Fixkosten cashwirksam (Kernpersonal), zum Teil nicht (Abschreibungen). Gerade beim Personal hat man eine gewisse Flexibilität aufgrund der Möglichkeit, auf Leiharbeit, Kurzarbeit und den Abbau von Zeitguthaben zurückzugreifen. Auf der anderen Seite ist die Abschreibungsbasis aufgrund erheblicher Erweiterungsinvestitionen in den letzten Jahren deutlich höher, als die zur Aufrechterhaltung dieses Betriebes notwendigen, liquiditätswirksamen CAPEX der SBO. Man sieht das an der Gegenüberstellung der Abschreibungen im laufenden Geschäftsjahr (ca. 38,5 MEUR) mit dem Betrag, der an Investitionen wirklich abgeflossen ist (18 MEUR). Daraus folgt, dass selbst ein moderater Verlust in der GuV die Stabilität der Gesellschaft überhaupt nicht beeinträchtigt. Entscheidend ist die Fähigkeit, positive Free Cashflows zu produzieren. Diese ist derzeit eindeutig gegeben, selbst wenn man das schlechte dritte Quartal betrachtet, wo bereits ein leicht negatives EBIT vor Wertminderungen (-2,8 MEUR) zu Buche stand. Die zuvor erörterte Abweichung von Abschreibungen und tatsächlichen CAPEX beläuft sich auf über 6 MEUR pro Quartal. An Zinsaufwendungen fielen ca. 0,9 MEUR im Q3 an. Die Sondereffekte, sowohl positiv als auch negativ kann man ausblenden. Unter dem Strich wäre man also im niedrigen einstelligen Millionenbetrag cashflow-positiv.
In dem Zusammenhang tut sich die Frage auf, um wieviel schlechter es operativ gesehen für die SBO noch kommen kann. Der Auftragsbestand zum 30.09.2015 reicht mit 40 MEUR nicht aus, um den ohnehin schon schlechten Umsatz im abgelaufenen Quartal 3 mit 70 MEUR noch einmal zu erwirtschaften. Der Vorratsbestand im Q3 ist noch einmal niedriger, als im Q2. Generell wurde das Working Capital reduziert. Aus diesen Gründen kann man schon in Betracht ziehen, dass die operative Talsohle noch nicht erreicht sein könnte. Ich persönlich gehe aber davon aus, dass die Kunden des Unternehmens derzeit einerseits Lagerbestände aus dem letzten Aufwärtszyklus abbauen und andererseits die Nutzungsdauer ihrer jetzt im Einsatz befindlichen Produkte etwas zu strecken versuchen. Es wird also mal vorsorglich so wenig wie möglich bestellt und versucht, mit dem auszukommen, was man schon gekauft hat. Selbst für die derzeitige Bohraktivität schätze ich also die nachhaltig notwendigen Bestellumfänge höher ein. Aus den weiter oben erläuterten Gründen sehe ich außerdem die momentane Bohraktivität bei weitem nicht als ausreichend an, um den weltweiten Ölbedarf nachhaltig zu decken. Selbst wenn der Ölpreis auf mehrere Jahre so tief bleibt wie jetzt (oder noch weiter sinkt), wird man bald wieder mehr bohren müssen, als jetzt.
Wenn man davon ausgeht, dass es für SBO noch schlimmer kommen kann und das Unternehmen auch cashflow-negativ wird, stellt sich die Frage, wie viel Standfestigkeit man besitzt. Hier kommt die außergewöhnlich starke Bilanz ins Spiel. Die Eigenkapitalquote liegt bei fast 60%. Die Net Cash Position beträgt 12 MEUR. Das Umlaufvermögen übersteigt die gesamten lang- und kurzfristigen Verbindlichkeiten um ca. 90 MEUR. Die Bilanzqualität hat sich dabei im Vergleich zum Halbjahr noch einmal deutlich verbessert. Aus diesen Gründen könnte man also auch einige Zeit negativer Cashflows ganz gut verkraften.
Fazit
Auf kurze Sicht ist es nicht auszuschließen, dass es noch etwas schlimmer kommt. Insbesondere könnte es noch weitere Firmenwertabschreibungen geben. Das Bestellverhalten der Kunden könnte sich weiter abschwächen und die operativen Margen der SBO noch deutlicher unter Druck setzen. Angesichts der vorhandenen Fixkostenbasis ist auch das eine oder andere Quartal im cashflow-negativen Bereich zumindest denkbar. Aber ich sehe einfach keinen rational begründbaren Anhaltspunkt dafür, dass die momentan getätigten Bohrvorgänge und vor allem die derzeit beobachtbaren Bohrstrangbestellungen auch nur irgendwie dafür ausreichend wären, um den Ölhunger der Welt nachhaltig zu stillen.
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Börsepeople im Podcast S15/17: Dominik Lindner
SBO
Uhrzeit: 19:02:46
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