02.12.2014, 3335 Zeichen
Am Energiemarkt liegen die Nerven blank. Händler, Unternehmen, Branchen und ganze Staaten stehen vor einer Preislandschaft, die so die Allerwenigsten zu Jahresbeginn erwartet hatten. Der Zug zum schnellen Reagieren wird jetzt für Viele zur Maxime.
Die Meldungen in den USA überschlagen sich. Die Insolvenzen im Zulieferbereich zu Schiefergas sollen Höchststände erreicht haben. Während etliche Unternehmer noch betonen, dass die mittlerweile gestiegene Fördereffizienz einen Preisverfall bis 50 US$/barrel erträglich macht, gibt die Börse andere Signale. Der Sektor ist stark getroffen. Kursrückgänge um bis zu 30% bei Aktien, sektorspezifische Unternehmensanleihen stark unter Druck, selbst die großen „Globals“ im verschärften strategischen Workshop. M&A oder strategische Flucht als Brainstormingaufgabe.
Genauso trifft es, weniger stark sichtbar, aber in Kommentaren evident, etliche Staaten. Wenn Russland sein Budget auf eine Preiserwartung von 99 $/barrel (von 104 $) für 2014 (!) kürzt, dann geht selbst dem Volksschüler auf, dass sich das wohl ebenso wenig ausgehen wird wie Budgets etlicher arabischer Staaten, angeführt von Bahrain (125 $), Oman (100 $) und selbst Saudi Arabien (98 $). Über Libyen und den Iran kann man nur munkeln, aber besser wird es dort wohl auch nicht laufen.
Am Rande der Wahrnehmung, aber mindestens ebenso kritisch, sind Afrika und Südamerika. Dort sind etliche Staaten schwer getroffen, weil deren Steuereinkommen überwiegend aus dem Ölgeschäft resultiert. Angola, Kongo, Gabun in Afrika und Venezuela und Ecuador in Südamerika haben den meisten Grund völlig neu zu budgetieren.
Ganze Sektoren sind betroffen. Die Solarindustrie wird wohl die höchsten Probleme bei den Alternativen Energien zu bewältigen haben. Öl-Sande sind aufgrund ihrer hohen Produktionskosten de facto aus dem Markt geschossen worden. Und Offshore-Plattformen wird man sich auch öfter als sonst durchrechnen müssen, bevor man sich das teure Bohren in der Tiefsee wirklich leistet.
Die Konsumenten sehen auf den ersten Blick als Sieger aus. Denen bleibt, sofern die tieferen Ölpreise den unglaublich verschlungenen Weg an die Zapfsäulen finden, mehr im Geldbörserl. Auch die EZB hat dadurch im Kampf gegen Konjunkturflaute einen Trumpf erhalten. Wird zwar kurzfristig die Inflation nochmals dämpfen, aber via Konsum gegenarbeiten. Entlastung in Richtung QE-Verpflichtung ist allemal willkommen. Na ja, geopolitisch gibt es natürlich auch Bewegungen zu erwarten. Ein über den Ölpreis waidwund geschossenes Russland sollte man ernst nehmen und gerade jetzt gesichtswahrend eine Lösung im bestehenden Konflikt suchen. Der IS die Raffinerien abzujagen und sie dadurch von deren Refinanzierungsquelle abzuschneiden, ist nicht mehr so drängend für die USA geworden. Und Libyens Rebellen werden sich auch mittlerweile demütiger im Dollarzählen geübt haben.
Und am Ende profitieren auch China und die EU davon, dass die Energievorteile der USA etwas nivelliert wurden. Gleicher Preis für alle ist die Maxime geworden. Fehlt für uns nur mehr das Gas. Dort herrschen noch enorme globale Preisungleichgewichte und allein die Absage Russlands, South Stream zu bauen, somit Europa in bestehenden Lieferabhängigkeiten zu belassen, ist ein starkes Indiz, dass dies noch etwas länger vorhalten dürfte.
Anyhow, ich freu mich jetzt einmal aufs Tanken.
Wiener Börse Party #806: ATX schwächer, morgen Verfallstag, im Jänner unter Strom und viele Abschiede im Dezember
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