16.09.2014, 16113 Zeichen
Die Alpbacher Finanzmarktgespräche 2014 brachten subtile Diskussionen, wie Zitate von zwei Dutzend Vertretern aus Finanzindustrie, Aufsicht und Politik zeigen. Ein Fazit von Roland Meier für das Fachheft 24.
Wie alle Jahre wieder versammelten sich Ende August zahlreiche Vertreter der Finanzindustrie und Aufsichtsbehörden in Alpbach, um aktuelle Themen zu diskutieren. „Aktuell“ ist dabei immer ein relativer Begriff, denn viele der Themen begleiten die Akteure schon seit einigen Jahren in unterschiedlich intensivem Ausmaß. Im Jahr 2014 war insbesondere die Fragestellung, ob nun durch Bankenunion, etc. der Finanzsektor insgesamt stabiler geworden ist, und wie es nun mit der immer beschworenen Formel „Finanzsektor soll der Realwirtschaft dienen und nicht umgekehrt“ steht. Wie es in Alpbach auch sein soll, ist es dabei auch zu subtil ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten gekommen.
Alpbach-Präsident Franz Fischler betonte gleich zu Beginn die politische Dimension der Finanzmarktfragen, indem er klar feststellte, dass der „Euro die reale Identität Europas“ ist. Er betonte auch, dass es neben all den regulatorischen Fragen und Stabilitätsfragen wichtig sei, sich Themen wie Venture Capital oder auch dem in Mode kommenden Thema „Impact Investing“ intensiver zu widmen; dies auch zur Stärkung der Realwirtschaft.
Rainer Münz, als Programmkoordinator der Finanzmarktgespräche, wies – vielleicht auch in Anspielung auf die zugespitzte österreichische Lage – darauf hin, dass man an der japanischen Abenomics klar sehen könne, dass eine lockere Geldpolitik Zeit kaufen, aber keine Reformen ersetzen kann. Diese Schlussfolgerung findet hoffentlich bald den Weg von der Geldpolitik zur Wirtschaftsund Sozialpolitik.
Mit Marek Belka hielt ein Vertreter eines Nicht-Euro-Landes den Eröffnungsvortrag und strich die wesentlichsten Parameter der Bankenunion aus seiner Sicht hervor. Dies geriet streckenweise zu einem stark mit Abkürzungen und Fachbegriffen gespickten Vortrag, dessen Komplexität und Umfang auch später in der Diskussion als eines der Probleme der verstärkten Regulierung angesprochen wurde. Belka wies auch darauf hin, dass der polnische Bankensektor zu mehr als 65% in ausländischer Hand ist, weshalb jede Maßnahme im Rahmen der Bankenunion aus polnischer Sicht nicht lokal betrachtet werden kann. Letztlich wird der angestrebte Beitritt zur Eurozone eng mit der Bankenunion zu beurteilen sein.
Wer finanziert die Wirtschaft?
Zur Finanzierung der Wirtschaft kam dann auch die erste Panelrunde zusammen, in der Thomas Uher von der Erste Bank gleich zu Beginn festhielt: Wir finanzieren KMUs, weil dies unser Kerngeschäft ist. Dies trotz Regulierung und erhöhter Kapitalvorschriften, aber die Kreditnachfrage bleibt derzeit klar hinter den Erwartungen zurück. Johann Hansmann als Vertreter der Angel-Investoren assistierte dabei und betonte auch, dass Banken keine Risikofinanzierung übernehmen sollten, da dort zu wenig Know-how für Risikoeinschätzungen vorhanden ist, und die Finanzierung von bestehenden Unternehmen mit einem soliden Geschäftsmodell im wirtschaftlichen Wandel schon riskant genug sei. Heimo Scheuch von Wienerberger wünscht sich eine dynamische Bankenlandschaft, die nicht von Regulierung getrieben und nicht ausschließlich nach innen gerichtet agiert. Wilhelm Molterer von der EIB betonte die Notwendigkeit der eingeschlagenen Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarkts, warnte aber davor, über die Regelungen von Basel III hinauszugehen und sieht – sehr zum Gefallen der anwesenden Bankenvertreter – keinen Platz für eine nationale Bankenbesteuerung über das europäische Regime hinaus: „Dies trifft direkt die Realwirtschaft.“ Damit war das Thema Realwirtschaft auf einmal der Mittelpunkt der Diskussion, Hansmann wies kritisch darauf hin, dass Österreich bei Venture Capital-Finanzierungen etwa das Niveau Kasachstans hat, der Rückgang in 2013 sei mit mehr als 80% dramatisch gewesen. Er würde zur Ankurbelung einen Fonds mit 50-100 Mio. € als sinnvoll erachten, „da kann man schon viel bewegen“. Da sollten die Banken mitmachen, die öffentliche Hand nur, wenn sie nicht überall mitreden will. Dies unterstützte Scheuch. „Geld ist in Österreich genug vorhanden, wir müssen uns öffnen, Schwerfälligkeiten abbauen, Bürokratie reduzieren und nach vorne schauen.“ Insgesamt herrschte die Einschätzung, dass Österreich bei einem Aufschwung wahrscheinlich eine wirkliche Kreditklemme hätte, Stiftungen müssen mobilisiert werden, wieder statt Zinshäusern auch in neue Unternehmen zu investieren, dazu bedarf es aber planbarer und verlässlicher Rahmenbedingungen – dies klang wie ein dramatischer Appell an unsere Politik. Hansmann berichtete abschließend von der Bedingung eines US-Venture-Hauses, dass zumindest ein Gründer bei Start-ups dabei sein muss, der schon einmal gescheitert ist. „Scheitern muss erlaubt sein, unternehmerisches Denken gefördert werden.“
Kurz kam auch das Thema der „GoogleBank“ zur Sprache, wo Uher klar Position bezog: „Wir handeln nicht mit den Daten unserer Kunden.“ Dies sei ein echter USP, wo sich Uher überzeugt zeigte, für den Wettbewerb mit allenfalls neuen internationalen Playern gerüstet zu sein.
SPÖ-Krainer vs. Neos-Strolz zu Regulierung und Kapitalmarkt
Dass die verstärkte Regulierung zu mehr Stabilisierung des Finanzmarkts geführt hat, da war man sich einig. Ob bereits zu viel reguliert wurde und warum, da gingen die Meinungen auseinander; Krainer betonte, dass viele der komplexen Regelungen von der Industrie selbst gewünscht wurden. „Wenn Basel mit 100 Seiten Regelungen kommt, dann machen wir aufgrund der nationalen Diskussionen daraus 1.000 Seiten, aber das kommt in der Regel nicht von der Politik.“ Matthias Strolz kritisierte das fallweise „Golden Plating“, auch hier sieht Krainer die Industrie als Verursacher, aber insbesondere bei Alternativen Investments vertreibt das den Markt aus Österreich und verhindert ein höheres Engagement in solche Instrumente. Krainer betonte, dass der Staat täglich darauf schauen muss, dass er effizient funktioniert und – für viele Anwesende überraschend – dass Bereiche, die privat besser erbracht werden können, auch privat erbracht werden sollen. Nichtsdestotrotz betonte er die Notwendigkeit einer Steuerreform mit einer stärkeren Vermögensbesteuerung. Strolz widersprach massiv und lehnte mehr Steuern in ein Faß mit vielen Löchern zu kippen prinzipiell ab. Auf die lapidar hingeworfene Bemerkung, dass Krainer nur den alten Kalauer „Eat the Rich“ fröne, konterte Krainer fast humorvoll mit „We don ́t want to eat them, we want to tax them.“ Auf die Fragestellung, warum in einem Land mit mehr als 45% Staatsquote noch immer zu wenig Geld da ist, wurde leider nicht eingegangen. Es ist halt leichter, über neue Einnahmen zu philosophieren, als sich echt über Einsparungen herzumachen. Dies ist ein lohnendes Aufgabenfeld für den neuen Finanzminister, wir wünschen ihm – auch im Namen aller steuerzahlenden Packesel – viel Erfolg dabei.
Banking 2.0 – Banken und Innovationen
In einem neuen Format in Alpbach wurden in speziellen Breakfast Clubs branchenspezifische Themen aufgegriffen. Boris Marte vom Erste Hub eröffnete das Breakfast zu Banking 2.0 sehr direkt: „Kein Stein wird auf dem anderen bleiben.“ Die Digitalisierung des Geschäfts folgt anderen Regeln, die im Wesentlichen bedeuten, dass Banken nur begrenzt die Möglichkeit haben, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Begrenzt, weil man nur begrenzt Einfluss auf die Kunden, auf die Technologie und auf die Regularien hat und weil man auch die Fähigkeit erlernen muss, allenfalls eigene Geschäftsmodelle zu kannibalisieren. „Das, was Bank im Verhältnis zum Kunden ist, muss neu erfunden werden.“ Kunden erwarten Schnelligkeit, Transparenz, Individualität, aber sicher keine „Kontopakete“ mehr. Diese neue Erwartungshaltung der Kunden lässt sich mit digitalen Schlagworten beschreiben, „simplicity in experience“, „value trough information“, und „empowering trough literacy“. Insbesondere beim Datenthema betonte Marte, dass die Banken über die absolut meisten Kundendaten verfügen, diese aber „nur“ abspeichern. Zusätzlich wird das Geschäftsmodell der Zukunft zunehmend auch vom Regulator bestimmt, was Fluch und (so absurd es klingt) auch Segen ist, da dadurch auch internationale Player gehemmt werden. Die Jobs der Zukunft in einer Bank sieht Marte kreativ: „Wir werden gleich viel Designer wie Risk-Manager benötigen“; dies wurde in der darauffolgenden Diskussionsrunde deutlich relativiert, wo eher Juristen, Wirtschaftprüfer, Aktuare und andere Tätigkeiten aber getrieben von regulatorischen Anforderungen hervorgehoben wurden. Helmut Bernkopf von der Bank Austria betonte in seiner Replik, dass es wichtig sei, den Spagat zwischen der Pensionistin und dem Studenten zu finden. Generell ist es im derzeitigen regulatorischen und Marktumfeld schwierig, mit dem klassischen Bankgeschäft Geld zu verdienen; hier sind neue Ansätze wie die virtuelle Filiale ein wichtiger Schritt. Walter Mösenbacher von Raiffeisens Internet-Einheit e-force strich hervor, dass man Technologie jedenfalls als Chance für Geschäftsmodelle nutzen muss. Das Internet ist ein wichtiger werdender Vertriebskanal, wo Raiffeisen mittlerweile mehr als 700.000 Online-Kontakte täglich hat. „Wir wollen ein wettbewerbsfähiges Direktbankbankenangebot haben, aber keine Direktbank werden.“ Diskutanten merkten an, dass es in den Banken zu wenige „Eingeborene des digitalen Zeitalters gibt“, und der Produktprozess viel zu langsam vonstatten geht; „wenn das Produkt fertig ist, sind 18 Monate vergangen und das Thema ist schon wieder vorbei.“ Dies liegt aber vielfach auch am österreichischen Regulator; hier wurde betont, dass z.B. der finnische Regulator „viel moderner, frischer und schneller ist als die österreichische FMA“. Internationale Produkte sind so konzipiert, dass diese keine Grenzen kennen, daher kommt der Druck primär von ausserhalb Österreichs. Als Vorbilder für das Banking der Zukunft werden Branchen, wie Tourismus und die Automobilhersteller, insbesondere was Prozesse und Vertrieb betrifft, genannt. Mösenbacher weist auch auf erfolgreiche Kooperationen hin, die Raiffeisen nach dem Motto, „if you can ́t beat them, join them“ angeht.
Niedrigzinsumfeld – eine Herausforderung für Banken und Versicherungen
Diesem Thema widmeten sich Karl Sevelda und Peter Hagen in einer launischen Diskussion. Niedrigzins ist immer schlecht für Banken, klarer kann man die Position einer Bank nicht fassen. Sevelda betont aber, dass dies nicht die einzige Herausforderung ist, zu diesem „new normal“ kommen noch Regulierung und die Lage in CEE dazu. Kostenseitig drücken die Regulierungskosten auf das Ergebnis, so kostet der Stresstest die RBI alleine rund 13 Mio. €. Die damit verbundenen Rechtsberatungskosten, IT-Kosten und auch Kosten für Konsumentenschutzagenden sind allesamt erheblich. Zusätzlich kommt ein – drastisch formuliert – „gieriger“ Finanzminister (vor allem im Vergleich mit anderen Staaten). An die Aufsichten und die Regulatoren formuliert Sevelda knapp: Man kann nicht alle Gefahren erfassen, Banking ist mehr als Mathematik, und auch eine Kreditentscheidung ist mehr als Mathematik. Zur Bankensteuer ganz allgemein: Da der Staat mit der wegfallenden Bail-out-Situation nicht mehr hinter den Banken steht, ist die österreichische Bankensteuer nicht mehr gerechtfertigt. Hagen sieht den Niedrigzins naturgemäß im Zusammenhang mit Lebensversicherungen als Problem; dieses werde ergänzt durch einen regulatorischen Furor. Rhetorisch gefragt: Hat den Kunden schon je jemand gefragt, ob er für die höhere Sicherheit auch bereit ist, den höheren Preis zu bezahlen? Auch hier kamen Zweifel zur Sprache, ob alle Risiken in Modellen abbildbar sind, und zusätzlich, ob bzw. wie das Risiko eines Modellfehlers modelliert werden kann. Persönlich wollte Sevelda seine Sorgen an Hagen (im Sinne dessen Werbeslogan) weitergeben, und Hagen kündigte an, dass das österreichische Pensionskonto jedem Österreicher die Möglichkeit eines Pensionsschocks schon vor dem Pensionsantritt ermöglicht.
Bankenaufsicht und Bankenunion: rein ins finanzpolitische Top-Thema unserer Zeit
Nach einer kritischen, zu Widerspruch anregenden, Einleitung durch Kurt Bayer (ehemals EBRD, nun Aufsichtsrat der österreichischen Entwicklungsbank), wo er vor allem das Auslassen der Regulierung von Schattenbanken und das fehlende Schließen von Steuerund Regulierungsoasen bemängelt hat, widersprach Othmar Karas massiv und betonte, dass er die negative Grundstimmung hier nicht teile. Immerhin sei es gelungen, nach der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg dafür zu sorgen, dass der
Euro nicht zerbricht, und die EU als Ganzes nicht destabilisiert wird. Zusätzlich ist es gelungen, Politikbereiche zu beginnen und Entscheidungen zu treffen, wo die EU 20 Jahre de facto nichts gemacht hat. Dies unterstützte auch Andreas Ittner als Vertreter der Nationalbank und betonte insbesondere, dass es gelungen ist, die Distanz zum Default deutlich zu vergrößern. Es sind sicher die richtigen Punkte auf den Weg gebracht, aber es fehlen fallweise noch Antworten. Die Aufsicht muss künftig sicher stärker zukunftsorientiert vorgehen, daher sind die Stresstests wichtig, und auch die geplante Qualitätssicherung, um hier Vergleichbarkeit herzustellen. Rainer Polster von der Deutschen Bank ergänzte als wesentliches Merkmal schon auch, dass es auch im europäischen Umfeld wettbewerbsfähige Banken geben muss, denn andernfalls wird es für die Realwirtschaft aufgrund des hohen Anteils an Fremdfinanzierung in den KMUs sehr schwierig. Dies wurde seitens der österreichischen FMA kritisch gesehen, denn Wettbewerb und Aufsicht in einem Satz zu nennen, sei gefährlich. Auch über die Höhe der Rendite für Eigenkapital gab es Uneinigkeit. Während für Investoren ein Level von nahe oder über 10% zwingend ist (sonst wird niemand mehr Bankaktien zeichnen), stellt dies für manche Vertreter ein zu hohes Ausmaß dar, insbesondere im Vergleich zu den in der Realwirtschaft erzielten Wachstumsraten. Ittner stellte dabei die entscheidende Frage, ob es genügend Investoren gibt, die sich auch mit einer Rendite von deutlich unter 10% zufriedengeben würden (dies kann in der momentanen Risikosituation berechtigt bezweifelt werden). Immerhin hatte der Staat selbst ja auch für sein Partizipationskapital rund 9% Rendite gefordert, also nicht weit von den gewinnstrebenden Investoren entfernt. Ittner plädierte auch ganz allgemein dafür, dass man nicht jede Regelung bis zum letzten Beistrich ausreizen sollte, auch das führt zum einen oder anderen Regelungs-exzess. Auch das Thema des Auslaufens nationaler Regelungen bei europäischer Regulierung wurde unterstützt, Karas betonte seinerseits, dass eine Hypo Alpe Adria 2 mit der derzeitigen Regulierung eigentlich unmöglich sein sollte. Das können österreichische Steuerzahler nur hoffen. Daher ist Regulierung und Wettbewerb auch kein Widerspruch, dieser wird ein wichtiger Faktor werden, um sich bei den Kapitalkosten zu differenzieren. In Anbetracht der zahlreichen anwesenden Aufsichtsvertreter wurde nicht wirklich laut darüber gesprochen, wo die Regulierung schon jetzt zu viel oder zu detailliert ist, aber in Anbetracht der zahlreichen Regelungen sollte schon einmal darüber nachgedacht werden, ob fallweise nicht doch das Prinzip „Weniger ist mehr“ gelten könnte. Spätestens beim nächsten Anlassfall wird wieder gerufen werden, warum das passieren konnte, und dann wird wieder die Diskussion aufbrechen, wo möglicherweise die Grenzen der Regulierung erreicht sind.
Fazit Alpbach 2014
Die Alpbacher Finanzmarktgespräche waren 2014 deutlich zukunftsorientierter positioniert als die letzten Jahre, wenngleich die Dominanz der Themen Regulierung, Steuern, Aufsichtskosten nach wie vor eigentlich erschreckend ist. Der Wunsch, sich nicht primär nach innen, sondern vor allem auch nach aussen, an die eigenen Kunden, zu richten, ist zwar vorhanden, wird aber nur teilweise erfüllt. Hier wird der Bedarf an Innovationen erkannt; dies war auch in den Breakfast Clubs zu sehen, ob dies zu neuen Produkten und Strukturen führt, bleibt abzuwarten.
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Alpbach 2013
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