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Lauflegenden in Wien: Paavo Nurmi (Teil 1) (Vienna City Marathon)

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02.09.2019, 8364 Zeichen

Wiener Laufgeschichte und Laufenergie: 40.000 Fans huldigen den Finnen auf der Hohen Warte

Wien ist eine Stadt mit außergewöhnlicher Lauf-Historie. Eliud Kipchoge, der bei der INEOS 1:59 Challenge im Oktober im Prater versucht, die Zwei-Stunden-Barriere im Marathon zu unterbieten, ist nicht die erste Lauflegende, die in Wien startet. Gut neun Jahrzehnte vor ihm lief auch, selbst Leichtathletik-Freunden wenig bekannt, Paavo Nurmi in Wien. Der berühmte Finne, der neun Olympia-Goldene gewann und 22 offizielle Weltrekorde erzielte, startete 1926 und 1928 auf der Hohen Warte. Leichtathletik-Journalist Olaf Brockmann berichtet in einer dreiteiligen Story. Lesen Sie hier Teil 1.

Kommt er, kommt er nicht? Schon im Mai 1926 blühten in den Wiener Zeitungen erste Spekulationen auf, ob Paavo Nurmi, zu diesem Zeitpunkt bereits im Crosslauf und auf der Bahn zwischen 1500 m und 10.000 m bei Olympia acht Mal vergoldet (drei Siege in Antwerpen 1920, fünf in Paris 1924) und der größte Läufer der Geschichte, vielleicht in Wien läuft. „Kommt Nurmi nach Wien?“, fragte die Wiener Sonn- und Montags-Zeitungbereits am 17. Mai 1926 und ergänzte, „ein Wiener Start Nurmis wäre jedenfalls eine große Attraktion, geeignet unserer Leichtathletik mit einem Schlag die schon längst nötigen Impulse zu versetzen.“ Ende August wurde ein Start Nurmis als fix vermeldet (wie im Wiener Journal und der Illustrierten Kronen Zeitung). Demnach sollte Nurmi gegen den deutschen Rekordläufer Dr. Otto Peltzer am 18. und 19. September zwei Rennen bestreiten. Erwartungen, die in den Blättern tags darauf gedämpft wurden. Selbst am 17. September wurde noch bang gefragt: „Kommt Nurmi?“ (Sport-Tagblatt), was auch bezweifelt wurde: „Da er tausend Dollar pro Start verlangt, glauben wir nicht daran.“ (Die Stunde)

„Nurmi kommt!“ - „Der größte Läufer der Welt in Wien“

Dann aber am 18. September die ersehnte Bestätigung: „Nurmi kommt!“ (Der Tag), „Große Leichtathletik-Sensation auf der Hohen Warte“ (Illustrierte Kronen Zeitung), „Der größte Läufer der Welt in Wien“ (Sport-Tagblatt), „Wien wird Sonntag seine Sensation haben!“, schreibt die Neue Freie Presse und listet 24 Vorverkaufsstellen für das Auftreten Nurmis auf der Hohen Warte auf – von der Drogerie Wallace im 1. Bezirk bis zum Café Goldener Engel im 21. Bezirk. Der 29 Jahre alte Finne, hieß es, soll über 3000 m in einem Vorgaberennen gegen die besten Österreicher starten, „weil das Laufen sonst gar zu uninteressant wäre“ (Arbeiter-Zeitung), ein Rennen gegen Ludwig Deckardt, Henry Bruhnen (der freilich deutscher Staatsbürger war), Hans Kantor, Franz Tuschek und Rudolf Haidegger. Der Lauf wurde vor dem Fußball-Ländermatch gegen Ungarn angesetzt.

Womit das Stadion Hohe Warte in seiner Geschichte um eine Facette reicher werden sollte. Die Döblinger Arena war damals schon Schauplatz nicht nur großer Fußballspiele, sondern auch bedeutender Boxkämpfe (wie 1923 zwischen dem Franzosen George Carpentier und dem Briten Arthur Townley vor 15.000 Fans/Carpentier K.o.-Sieger in der 2. Runde) oder legendärer Opern-Aufführungen (1924 Verdis „Aida“ mit 900 Mitwirkenden vor 25.000 Zuschauern) gewesen. Jetzt also Nurmi! Das Rennen war übrigens an einem für die Wiener Geschichte ereignisreichen Sonntag angesetzt, an dem auch das Lueger-Denkmal gegenüber der Universität enthüllt wurde. Stolz berichtete tags darauf die Stadt, dass beide Veranstaltungen bei den Massen von Besuchern hier und dort auch verkehrstechnisch gut bewältigt worden seien.

„Im Herzen kein Platz für Frauen und Mädchen“

„In fieberhafter Eile“, so hieß es, habe die Vienna die Laufbahn auf der Hohen Warte herrichten lassen, der Start Nurmis, auf dem Papier noch Amateur, sei nur möglich geworden, da er seine „Forderung von 1000 Dollar pro Start auf die Hälfte reduziert“ habe (Die Stunde). Nurmi soll offiziell übrigens nur die Reisespesen und der finnische Verband 500 Dollar erhalten haben (Sport-Tagblatt). Ein zweiter Start Nurmis war zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss.

In allen Zeitungen war der „Sensationsstart des Wunderläufers“ ein großes Thema, möglichst detaillierte Informationen wurden schnell gesammelt, auch die Neue Freie Presse gab „einige Maße“ Nurmis zum Besten – vom „Halsumfang (38,10 cm)“, über die „Brust, normal (96,52 cm), Brust, gespannt (106,68 cm)“ bis hin zur „Wade (41,91 cm)“. Das Neue Journal beleuchtete das Herz Nurmis und wusste zu berichten: „Für Frauen und Mädchen ist kein Platz darin.“ Der Finne wurde zu diesem Thema auch zitiert: „Sie stören beim Training.“ Bei Nurmis Ankunft auf dem Franz-Josefs-Bahnhof spielten sich laut Sport-Zeitung „erregte Szenen“ ab, „die Photographen gerieten in Aufregung“, auf Bildern sind Massen der Fans zu sehen, die auf dem Bahnsteig den scheuen Paavo Nurmi begrüßen.

Fußballer verdammt – Nurmi gefeiert

Dann das Rennen auf der Hohen Warte! Die Zeitungen überschlugen sich in ihren Berichten über Nurmi, der „ohne besondere Anstrengung“ am 19. September 1926 die 3000 m in 8:27,6 gewann, er lief „wie eine Maschine und überholte alle Vertreter Österreichs, die bis zu 400 Meter Vorgabe erhielten“. 40.000 (!) Zuschauer waren auf der Hohen Warte. „Der Riesenbesuch war hauptsächlich dem Start Nurmis zu danken“, wusste Die Stunde. Der Finne wurde gefeiert, die Fußballer, die gegen Ungarn mit 2:3 verloren, von vielen Medien verdammt, wie etwa von der Arbeiter-Zeitung: „Eine neue klägliche Blamage des Professionalismus – Nurmi reißt die Geschäftemacher heraus!“ Die Zuschauer feierten den Olympiasieger „mit großem Enthusiasmus“, brachten ihm „große Ovationen“ dar (Der Tag). Für die Illustrierte Kronen Zeitung erfüllte Nurmi bei seinem überhaupt ersten Auftritt in Wien „die höchsten Erwartungen. Sein Auftreten war eine sportliche Sensation ersten Ranges.“ Nurmi aber bemängelte, dass „er in Europa noch niemals auf einer so schlechten Bahn“ gelaufen sei.

Für den „Sachverständigen“, so die Neue Freie Presse, sei Nurmis Laufstil eine „Offenbarung“ gewesen: „Sein Laufstil gemahnt an einen flachen Flug – womit er sich alle Sympathien im Flug eroberte.“ „Nurmi kam – sah und siegte“, titelte das Neue Wiener Journal, der Laufstil sei von „federnder Leichtigkeit“. Alle Blätter bewunderten Nurmi, „seinen wunderbaren Athletenkörper, maschinengleich bei seiner Arbeit, der Lauf fast übermäßig federnd“ (Reichspost). „Wie ein Motor durchmaß Nurmi die Runden“, „mähte wie eine Dampfwalze die kleinen Widersacher trotz bis zu 400 Meter reichenden Vorgaben nieder“, alles bei „geringer Armarbeit und gerade gehaltenem Oberkörper“ (Wiener Morgenzeitung).

3000 m in 8:27,6 – mit der berühmten Uhr in der Hand

Nurmi habe beim Lauf seine „berühmte Uhr in der rechten Hand“, gehalten, „federnd leicht läuft er ins Ziel, derselbe Schritt, dieselbe Haltung, wie er begonnen hat und die Zuschauer scheren sich einen Pfifferling darum, ob dieser wunderbare Nurmi 500 Dollars bekommt oder 1000 oder gar nichts…“ (Wiener Sonn- und Montagszeitung). Nurmi als Naturerlebnis, der in 8:27,6 gewann, also nur 7,2 Sekunden hinter seinem im Juli 1926 erzielten Weltrekord von 8:20,4. Im offiziellen Wiener Ergebnis hieß es weiter: 2. Deckardt 200 Meter Vorgabe, 20 Meter zurück, 3. Haidegger 200 Meter Vorgabe, 50 Meter zurück.

Gleich nach diesem 3000-m-Lauf wurde ein zweites Nurmi-Rennen für den folgenden Dienstag, also nur zwei Tage später, angekündigt. Wieder auf der Hohen Warte, am 21. September 1926 ein Weltrekordversuch über 5000 m, bei dem die Zwischenzeit über drei englische Meilen genommen werden sollte. Eine Distanz, die vom Leichtathletik-Weltverband damals als offizielle Weltrekord-Strecke geführt wurde. Das Meeting sollte abends bei Scheinwerferbeleuchtung stattfinden.

Lesen Sie morgen Teil 2: Paavo Nurmi, Weltrekord verkündet – aber nie anerkannt

Text: Olaf Brockmann. Der Text fußt auf Durchsicht folgender Zeitungen aus dem Archiv „ANNO - AustriaN Newspapers Online“ der Österreichischen Nationalbibliothek, Jahrgänge 1926 bis 1928: Arbeiter-Zeitung, Arbeiterwille, Das interessante Blatt, Das Kleine Blatt, Der Tag, Die Neue Zeitung, Die Stunde, Grenzbote, Illustrierte Kronen Zeitung, Linzer Tagespost, Neue Freie Presse, Neues Wiener Journal, Prager Tagblatt, Reichspost, Sport-Tagblatt, Tages-Post, Tiroler Anzeiger, Weltblatt, Wiener Bilder, Wiener Morgenzeitung, Wiener Sonn- und Montags-Zeitung.

Im Original hier erschienen: Lauflegenden in Wien: Paavo Nurmi (Teil 1)



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Denkmal Paavo Nurmi, Helsinki - https://de.depositphotos.com/93929332/stock-photo-monument-finnish-runner-paavo-nurmi.html, (© https://depositphotos.com)


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    Kommt er, kommt er nicht? Schon im Mai 1926 blühten in den Wiener Zeitungen erste Spekulationen auf, ob Paavo Nurmi, zu diesem Zeitpunkt bereits im Crosslauf und auf der Bahn zwischen 1500 m und 10.000 m bei Olympia acht Mal vergoldet (drei Siege in Antwerpen 1920, fünf in Paris 1924) und der größte Läufer der Geschichte, vielleicht in Wien läuft. „Kommt Nurmi nach Wien?“, fragte die Wiener Sonn- und Montags-Zeitungbereits am 17. Mai 1926 und ergänzte, „ein Wiener Start Nurmis wäre jedenfalls eine große Attraktion, geeignet unserer Leichtathletik mit einem Schlag die schon längst nötigen Impulse zu versetzen.“ Ende August wurde ein Start Nurmis als fix vermeldet (wie im Wiener Journal und der Illustrierten Kronen Zeitung). Demnach sollte Nurmi gegen den deutschen Rekordläufer Dr. Otto Peltzer am 18. und 19. September zwei Rennen bestreiten. Erwartungen, die in den Blättern tags darauf gedämpft wurden. Selbst am 17. September wurde noch bang gefragt: „Kommt Nurmi?“ (Sport-Tagblatt), was auch bezweifelt wurde: „Da er tausend Dollar pro Start verlangt, glauben wir nicht daran.“ (Die Stunde)

    „Nurmi kommt!“ - „Der größte Läufer der Welt in Wien“

    Dann aber am 18. September die ersehnte Bestätigung: „Nurmi kommt!“ (Der Tag), „Große Leichtathletik-Sensation auf der Hohen Warte“ (Illustrierte Kronen Zeitung), „Der größte Läufer der Welt in Wien“ (Sport-Tagblatt), „Wien wird Sonntag seine Sensation haben!“, schreibt die Neue Freie Presse und listet 24 Vorverkaufsstellen für das Auftreten Nurmis auf der Hohen Warte auf – von der Drogerie Wallace im 1. Bezirk bis zum Café Goldener Engel im 21. Bezirk. Der 29 Jahre alte Finne, hieß es, soll über 3000 m in einem Vorgaberennen gegen die besten Österreicher starten, „weil das Laufen sonst gar zu uninteressant wäre“ (Arbeiter-Zeitung), ein Rennen gegen Ludwig Deckardt, Henry Bruhnen (der freilich deutscher Staatsbürger war), Hans Kantor, Franz Tuschek und Rudolf Haidegger. Der Lauf wurde vor dem Fußball-Ländermatch gegen Ungarn angesetzt.

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    „In fieberhafter Eile“, so hieß es, habe die Vienna die Laufbahn auf der Hohen Warte herrichten lassen, der Start Nurmis, auf dem Papier noch Amateur, sei nur möglich geworden, da er seine „Forderung von 1000 Dollar pro Start auf die Hälfte reduziert“ habe (Die Stunde). Nurmi soll offiziell übrigens nur die Reisespesen und der finnische Verband 500 Dollar erhalten haben (Sport-Tagblatt). Ein zweiter Start Nurmis war zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss.

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    Fußballer verdammt – Nurmi gefeiert

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    Für den „Sachverständigen“, so die Neue Freie Presse, sei Nurmis Laufstil eine „Offenbarung“ gewesen: „Sein Laufstil gemahnt an einen flachen Flug – womit er sich alle Sympathien im Flug eroberte.“ „Nurmi kam – sah und siegte“, titelte das Neue Wiener Journal, der Laufstil sei von „federnder Leichtigkeit“. Alle Blätter bewunderten Nurmi, „seinen wunderbaren Athletenkörper, maschinengleich bei seiner Arbeit, der Lauf fast übermäßig federnd“ (Reichspost). „Wie ein Motor durchmaß Nurmi die Runden“, „mähte wie eine Dampfwalze die kleinen Widersacher trotz bis zu 400 Meter reichenden Vorgaben nieder“, alles bei „geringer Armarbeit und gerade gehaltenem Oberkörper“ (Wiener Morgenzeitung).

    3000 m in 8:27,6 – mit der berühmten Uhr in der Hand

    Nurmi habe beim Lauf seine „berühmte Uhr in der rechten Hand“, gehalten, „federnd leicht läuft er ins Ziel, derselbe Schritt, dieselbe Haltung, wie er begonnen hat und die Zuschauer scheren sich einen Pfifferling darum, ob dieser wunderbare Nurmi 500 Dollars bekommt oder 1000 oder gar nichts…“ (Wiener Sonn- und Montagszeitung). Nurmi als Naturerlebnis, der in 8:27,6 gewann, also nur 7,2 Sekunden hinter seinem im Juli 1926 erzielten Weltrekord von 8:20,4. Im offiziellen Wiener Ergebnis hieß es weiter: 2. Deckardt 200 Meter Vorgabe, 20 Meter zurück, 3. Haidegger 200 Meter Vorgabe, 50 Meter zurück.

    Gleich nach diesem 3000-m-Lauf wurde ein zweites Nurmi-Rennen für den folgenden Dienstag, also nur zwei Tage später, angekündigt. Wieder auf der Hohen Warte, am 21. September 1926 ein Weltrekordversuch über 5000 m, bei dem die Zwischenzeit über drei englische Meilen genommen werden sollte. Eine Distanz, die vom Leichtathletik-Weltverband damals als offizielle Weltrekord-Strecke geführt wurde. Das Meeting sollte abends bei Scheinwerferbeleuchtung stattfinden.

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