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Wie viel Erholungs-Rallye am Aktienmarkt ist zurzeit möglich? (Robert Halver, Christoph Scherbaum)

Autor:
Christoph Scherbaum

Die Börsenblogger ist das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehntelanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer. Letztlich sind wir alle Börsenfans. Aber wir vertreten in diesem Blog auch eine ganz simple Philosophie: Wir wollen unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus schreiben, was wir zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken, was uns beschäftigt. Das kommt Ihnen, dem Leser, zu Gute.

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18.08.2017, 11562 Zeichen

An den bisherigen Konfliktpunkten der Aktienmärkte ist zwar Ruhe eingekehrt. So wird in der Nordkorea-Krise verbal abgerüstet und der Diesel-Abgasskandal wurde zumindest auf die Zeit nach der Bundestagswahl vertagt. Allerdings nimmt das Polit-Handicap Donald Trump mittlerweile unerträgliche Züge an. De facto ist die Weltmacht Nr. 1 führungslos. Wirtschaftlich sind aus den vielversprochenen Trumponomics die Trumphandicaps geworden. Und könnte jetzt auch noch die Geldpolitik zu einem Bremsklotz für die Finanzmärkte werden?

Beendet der Europäische Gerichtshof die Happy Hour der EZB?

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellt das laufende Anleihekaufprogramm der EZB infrage und lässt vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüfen, ob es die geldpolitischen Kompetenzen der Notenbank überschreitet. Zwei Denkschulen treffen hier aufeinander. Auf der einen Seite die EZB, die für sich in Anspruch nimmt, mit diesem Kriseninstrument die finanzpolitische Stabilität der Euro-Staaten wieder hergestellt zu haben und grundsätzlich mit billigen Kreditzinsen die Wirtschaft der Eurozone anzukurbeln.

Auf der anderen Seite steht die deutsche Position, prominent vor allem von der Deutschen Bundesbank besetzt, die urteilt, dass das Volumen der monatlichen Aufkäufe – aktuell 60 Mrd. Euro – „unverhältnismäßig“ hoch ist und deutsche Finanzverpflichtungen bei der Bundesbank in astronomische Höhen treibt. Im Übrigen handele es sich bei diesen Anleiheaufkäufen um verdeckte Staatsfinanzierungen, da den Euro-Staaten Schuldtitel abgekauft werden, ohne ihre schwache Bonität zu berücksichtigen. Tatsächlich werden die zwei elementaren Faktoren bei der Schuldaufnahme, d.h. die Zinshöhe und das Absatzproblem planwirtschaftlich verniedlicht. Und in den Genuss dieser Vorzüge kommen die Euro-Staaten, obwohl sie sich beharrlich weigern, ihre Reform-Hausaufgaben zu erledigen.

Der deutschen Stabilitätsposition ist unbedingt Recht zu geben. Anleiheaufkäufe der EZB sind vergleichbar mit einem staatlichen Komplettaufkauf alter Dieselfahrzeuge zu Höchstpreisen, ohne dass die Automobilindustrie irgendeine Verantwortung trägt.

Allerdings haben die geldpolitisch so unterstützten Staaten kein Interesse an einem Ende des Anleiheaufkaufs. Übrigens, im Augenblick wird in Deutschland Wahlkampf auch mit der schwarzen Null im Bundeshaushalt gemacht. Ohne EZB wäre diese finanzpolitische Happy Hour völlig unmöglich gewesen. Berlin kann sich hier nicht mit fremden Federn schmücken.

Wie wird der EuGH entscheiden? Es wäre so etwas wie das achte Weltwunder, wenn der EZB dieses Instrument zukünftig vorenthalten würde. Die Vergangenheit zeigt, dass Richter am EuGH, aber auch am BVerfG, überwiegend „staatstragend“ entschieden haben. Es werden zwar theoretische harte Bedingungen für Anleihekäufe formuliert, die sich in der Praxis aber als weich herausstellen werden. Auch Richter in stabilitätspolitischen Roben wissen, dass die finanzwirtschaftliche Stabilität der Eurozone ohne die geldpolitische Schützenhilfe der EZB nicht aufrechtzuerhalten ist.

Im Extremfall würden steigende Staatsanleiherenditen die Refinanzierbarkeit angeschlagener Euro-Staaten so erschweren, dass soziale Kollateralschäden die Folge wäre, was wiederum Wasser auf die Euro-kritische Stimmung führte. Die Stabilität der Eurozone genießt gegenüber geldpolitischer Stabilität grundsätzlich Priorität.

Neben der juristischen kommt Unterstützung pro Anleihekäufe ebenso von den Verbraucherpreisen in der Eurozone. Im Juli steigen diese im Jahresvergleich lediglich um 1,3 Prozent und verharren damit auf dem Tiefstwert von 2017. Ohnehin spricht die EZB in ihrem aktuellen Sitzungsprotokoll davon, dass Anzeichen anziehender Inflation fehlen. In diesem Zusammenhang ist es auch bemerkenswert, dass sich die EZB entgegen früheren Behauptungen zu Wechselkursen äußert. Sie zeigt sich über die jüngste Aufwertung des Euro „besorgt“ und spricht von „Überschießen“. Wenn das kein Argument ist, zins- und liquiditätspolitisch freizügig zu bleiben, um einer fortgesetzten Euro-Stärke, damit exportseitig schwächerem Wirtschaftswachstum und schließlich noch geringerer importierter Preissteigerung entgegenzuwirken.

Bilanzentblähung der Fed als Damokles-Schwert?

Die Trumphandicaps haben auch ihr geldpolitisch Gutes. Denn vor dem Hintergrund einer auch in den USA ausbleibenden Inflationierung gehen der „datenabhängigen“ Fed die zinserhöhungsrelevanten Tatbestände aus. Auch aus den vielversprochenen Trumponomics sind längst wirtschaftspolitische Trumphandicaps geworden. Und so bezeichnen einige Fed-Mitglieder die allgemeinen Inflationsbedenken bereits als „Geistergeschichte“. Der von der Citigroup veröffentlichte Inflation Surprise Index – er misst die positiven bzw. negativen Abweichungen der tatsächlichen Inflationsdaten von den vorab getroffenen Einschätzungen der Analysten – arbeitet sich seit April im Trend zunehmend tiefer in „Enttäuschungs-Terrain“ vor.

Tatsächlich wird laut Sitzungsprotokoll der Fed – die sogenannten FOMC Minutes – bereits über eine Aussetzung von Leitzinserhöhungen diskutiert. Man beabsichtigt einen Strukturwechsel, die geldpolitische Stoßrichtung soll eine andere sein. Die Fed strebt die zeitnahe Entblähung ihrer durch Anleihekäufe massiv ausgeweiteten Bankbilanz an. Zum einen würde sie damit Handlungsfähigkeit und insofern Glaubwürdigkeit beweisen. Immerhin zeigt sie sich restriktiv.

Zum anderen würde die amerikanische Volkswirtschaft gegenüber Leitzinserhöhungen jedoch geschont, wenn nicht sogar gestärkt. Sollte sich die Fed ab September tatsächlich zu einer Bilanzverkleinerung entschließen – sie werden graduell, nicht massiv ausfallen – bewegen sich die Anleiherenditen am langen Ende im Gegensatz zu Leitzinsen nach oben. Eine insofern steilere US-Zinsstrukturkurve würde amerikanischen Banken verstärkte Anreize geben, Fristentransformation zu betreiben: Geld wird zu günstigen Notenbankzinsen ausgeliehen und zu höheren Konditionen als Kredite weitergegeben. Einer gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung würde Vorschub geleistet. Diese würde sich schließlich in einem höheren Gewinnwachstum niederschlagen und damit die US-Aktienmärkte fundamental stützen.

Marktstimmung: USA – Uncertain States of America?

Der nordkoreanische Atom-Konflikt bleibt ein Evergreen. Immerhin aber rüsten die USA und Nordkorea verbal ab. Und Peking scheint sich seiner besonderen Verantwortung in der Befriedung des Konfliktes bewusst zu sein. Die jetzt gegenüber Kim Jong-un gezeigte handelspolitische Härte ist ein chinesisches Novum. Hierbei zeigt wohl auch die von den USA eingeleitete Untersuchung auf Peking Wirkung, inwieweit chinesische Unternehmen ausländisches geistiges Eigentum abgreifen, ohne selbst Know How-Transfers zuzulassen. Nach Abschluss der Untersuchung, die das von Trump gewünschte Ergebnis feststellen wird – schon die EU hat diese asymmetrische chinesische Technologiepolitik angeprangert – kann Trump dieses dann nach Bedarf als Waffe gegen China einsetzen. Geopolitische Schützenhilfe gegen Nordkorea im Austausch für handelspolitisches Entgegenkommen. China hat gegenüber den USA einen dramatischen Exportüberschuss. Doch dieser ökonomische Segen kann auch zum Fluch werden. Und Peking kann im Übergang zu einer nachhaltiger wachsenden Volkswirtschaft, was ohnehin Reibungsverluste verursacht, keine Schocks vertragen.

Bislang zog man sich auf den Standpunkt zurück, dass es zwei Amerikas gibt, das offiziell Trumpsche und das eigentliche. Das offizielle bekommt zwar wirtschaftspolitisch nichts im Guten hin, aber immerhin auch nichts im Schlechten. Auch scheint Trumps harte Handelsrhetorik nur Rhetorik zu bleiben. Mittlerweile jedoch stößt Trumps „eigenwillige“ Amtsführung an den US-Finanzmärkten negativ auf. Ein unkontrollierter Dekret- und Tweet-Präsident ist zu wenig, um Amerika geo- und wirtschaftspolitisch zu führen. Wenn jetzt schon seine eigenen Republikaner ihm die Gefolgschaft verweigern, sich die US-Wirtschaftsgrößen aus den Beraterteams der US-Regierung zurückziehen und offenbar niemand Interesse hat, neuer Fed-Präsident zu werden, ist die Weltführungsmacht, die Weltmilitärmacht, die Weltfinanzmacht und die Weltwirtschaftsmacht ziemlich führungslos. Amerika und die Welt können sich keinen Parodie-Präsidenten leisten. Leider ist Besserung nicht absehbar.

Fundamental ist die Lage der deutschen Wirtschaft trotz knapp verfehlten Erwartungen für das II. Quartal solide. Solide Auftragseingänge insbesondere auch für die Exportindustrie untermauern dies. Für das Gesamtjahr 2017 ist sogar ein Wachstum von zwei Prozent möglich. Die Vision eines nachgebenden Euros unterstützt den deutschen Außenhandel. Tatsächlich rechtfertigt der Renditevorsprung US-amerikanischer Staatspapiere gegenüber deutschen den aktuell starken Euro nicht.

Ein wieder schwächerer Euro würde den exportlastigen deutschen Aktienmarkt stimulieren.

Nicht zuletzt zeigt sich auch die Bewertung deutscher Aktien im internationalen Vergleich deutlich entspannt. Hier gibt es grundsätzlich Nachholpotenzial.

Grundsätzlich ist das o.g. Polit-Risiko eine offene Flanke für die Aktienmärkte und könnte zwischenzeitlich zu Konsolidierungen führen. Trump ist hier wie ein früher Fehler in einer Mathematik-Aufgabe. Er zieht sich bis unten durch. Doch im Hinblick auf durchaus stabile Fundamentaldaten und eine besonnene Geldpolitik, die die größte Alternativanlageklasse zu Aktien, das Zinsvermögen, unattraktiv hält, dürfte sich der Aktien-Herbst wieder erholt zeigen.

Immerhin, der VDAX-New Volatility Index, der die mögliche Schwankungsbreite für die nächsten 30 Handelstage misst, zeigt trotz der latenten Risiken eine im Vergleich bemerkenswert geringe Volatilität.

Charttechnik DAX – Weder Fisch noch Fleisch

Charttechnisch verläuft beim DAX die erste Unterstützung bei 12.091 Punkten. Setzt der Index seine Korrektur fort, bietet zunächst die Marke bei 12.014 Halt. Darunter trifft der Index bei 11.947, der 200-Tage-Linie, auf weitere Unterstützung. Kann der Index auf der Oberseite die Widerstände bei 12.142 und 12.235 zurückerobern, ist der Weg frei bis zu den nächsten Barrieren bei 12.284 und schließlich 12.322 Punkten.

Der Wochenausblick für die KW 34 – Was passiert in Jackson Hole?

Das Hauptaugenmerk der Anleger gilt dem Treffen der Notenbanker in Jackson Hole, Wyoming, USA. Dort wartet man auf Details zu einer möglichen Bilanzverkleinerung der Fed und wird die Gerüchte einer zukünftig restriktiveren EZB auf ihre Substanz abklopfen.

In den USA deuten die Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe auf eine abnehmende Konjunkturdynamik hin. Diese dürften ebenfalls in einer deutlichen Korrektur der im Vormonat unverhältnismäßig starken Auftragseingänge langlebiger Güter zum Ausdruck kommen.

In der Eurozone signalisieren wiederholt schwächere Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe, dass die Konjunkturerholung in der Eurozone ihren Schwung nicht halten kann. Auch in Deutschland dürften die ifo Geschäftsklimadaten ihren Höhenflug nicht uneingeschränkt fortsetzen und den etwas schwächeren ZEW Konjunkturerwartungen folgen.

Ein Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

 


(18.08.2017)


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    Beendet der Europäische Gerichtshof die Happy Hour der EZB?

    Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellt das laufende Anleihekaufprogramm der EZB infrage und lässt vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüfen, ob es die geldpolitischen Kompetenzen der Notenbank überschreitet. Zwei Denkschulen treffen hier aufeinander. Auf der einen Seite die EZB, die für sich in Anspruch nimmt, mit diesem Kriseninstrument die finanzpolitische Stabilität der Euro-Staaten wieder hergestellt zu haben und grundsätzlich mit billigen Kreditzinsen die Wirtschaft der Eurozone anzukurbeln.

    Auf der anderen Seite steht die deutsche Position, prominent vor allem von der Deutschen Bundesbank besetzt, die urteilt, dass das Volumen der monatlichen Aufkäufe – aktuell 60 Mrd. Euro – „unverhältnismäßig“ hoch ist und deutsche Finanzverpflichtungen bei der Bundesbank in astronomische Höhen treibt. Im Übrigen handele es sich bei diesen Anleiheaufkäufen um verdeckte Staatsfinanzierungen, da den Euro-Staaten Schuldtitel abgekauft werden, ohne ihre schwache Bonität zu berücksichtigen. Tatsächlich werden die zwei elementaren Faktoren bei der Schuldaufnahme, d.h. die Zinshöhe und das Absatzproblem planwirtschaftlich verniedlicht. Und in den Genuss dieser Vorzüge kommen die Euro-Staaten, obwohl sie sich beharrlich weigern, ihre Reform-Hausaufgaben zu erledigen.

    Der deutschen Stabilitätsposition ist unbedingt Recht zu geben. Anleiheaufkäufe der EZB sind vergleichbar mit einem staatlichen Komplettaufkauf alter Dieselfahrzeuge zu Höchstpreisen, ohne dass die Automobilindustrie irgendeine Verantwortung trägt.

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    Wie wird der EuGH entscheiden? Es wäre so etwas wie das achte Weltwunder, wenn der EZB dieses Instrument zukünftig vorenthalten würde. Die Vergangenheit zeigt, dass Richter am EuGH, aber auch am BVerfG, überwiegend „staatstragend“ entschieden haben. Es werden zwar theoretische harte Bedingungen für Anleihekäufe formuliert, die sich in der Praxis aber als weich herausstellen werden. Auch Richter in stabilitätspolitischen Roben wissen, dass die finanzwirtschaftliche Stabilität der Eurozone ohne die geldpolitische Schützenhilfe der EZB nicht aufrechtzuerhalten ist.

    Im Extremfall würden steigende Staatsanleiherenditen die Refinanzierbarkeit angeschlagener Euro-Staaten so erschweren, dass soziale Kollateralschäden die Folge wäre, was wiederum Wasser auf die Euro-kritische Stimmung führte. Die Stabilität der Eurozone genießt gegenüber geldpolitischer Stabilität grundsätzlich Priorität.

    Neben der juristischen kommt Unterstützung pro Anleihekäufe ebenso von den Verbraucherpreisen in der Eurozone. Im Juli steigen diese im Jahresvergleich lediglich um 1,3 Prozent und verharren damit auf dem Tiefstwert von 2017. Ohnehin spricht die EZB in ihrem aktuellen Sitzungsprotokoll davon, dass Anzeichen anziehender Inflation fehlen. In diesem Zusammenhang ist es auch bemerkenswert, dass sich die EZB entgegen früheren Behauptungen zu Wechselkursen äußert. Sie zeigt sich über die jüngste Aufwertung des Euro „besorgt“ und spricht von „Überschießen“. Wenn das kein Argument ist, zins- und liquiditätspolitisch freizügig zu bleiben, um einer fortgesetzten Euro-Stärke, damit exportseitig schwächerem Wirtschaftswachstum und schließlich noch geringerer importierter Preissteigerung entgegenzuwirken.

    Bilanzentblähung der Fed als Damokles-Schwert?

    Die Trumphandicaps haben auch ihr geldpolitisch Gutes. Denn vor dem Hintergrund einer auch in den USA ausbleibenden Inflationierung gehen der „datenabhängigen“ Fed die zinserhöhungsrelevanten Tatbestände aus. Auch aus den vielversprochenen Trumponomics sind längst wirtschaftspolitische Trumphandicaps geworden. Und so bezeichnen einige Fed-Mitglieder die allgemeinen Inflationsbedenken bereits als „Geistergeschichte“. Der von der Citigroup veröffentlichte Inflation Surprise Index – er misst die positiven bzw. negativen Abweichungen der tatsächlichen Inflationsdaten von den vorab getroffenen Einschätzungen der Analysten – arbeitet sich seit April im Trend zunehmend tiefer in „Enttäuschungs-Terrain“ vor.

    Tatsächlich wird laut Sitzungsprotokoll der Fed – die sogenannten FOMC Minutes – bereits über eine Aussetzung von Leitzinserhöhungen diskutiert. Man beabsichtigt einen Strukturwechsel, die geldpolitische Stoßrichtung soll eine andere sein. Die Fed strebt die zeitnahe Entblähung ihrer durch Anleihekäufe massiv ausgeweiteten Bankbilanz an. Zum einen würde sie damit Handlungsfähigkeit und insofern Glaubwürdigkeit beweisen. Immerhin zeigt sie sich restriktiv.

    Zum anderen würde die amerikanische Volkswirtschaft gegenüber Leitzinserhöhungen jedoch geschont, wenn nicht sogar gestärkt. Sollte sich die Fed ab September tatsächlich zu einer Bilanzverkleinerung entschließen – sie werden graduell, nicht massiv ausfallen – bewegen sich die Anleiherenditen am langen Ende im Gegensatz zu Leitzinsen nach oben. Eine insofern steilere US-Zinsstrukturkurve würde amerikanischen Banken verstärkte Anreize geben, Fristentransformation zu betreiben: Geld wird zu günstigen Notenbankzinsen ausgeliehen und zu höheren Konditionen als Kredite weitergegeben. Einer gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung würde Vorschub geleistet. Diese würde sich schließlich in einem höheren Gewinnwachstum niederschlagen und damit die US-Aktienmärkte fundamental stützen.

    Marktstimmung: USA – Uncertain States of America?

    Der nordkoreanische Atom-Konflikt bleibt ein Evergreen. Immerhin aber rüsten die USA und Nordkorea verbal ab. Und Peking scheint sich seiner besonderen Verantwortung in der Befriedung des Konfliktes bewusst zu sein. Die jetzt gegenüber Kim Jong-un gezeigte handelspolitische Härte ist ein chinesisches Novum. Hierbei zeigt wohl auch die von den USA eingeleitete Untersuchung auf Peking Wirkung, inwieweit chinesische Unternehmen ausländisches geistiges Eigentum abgreifen, ohne selbst Know How-Transfers zuzulassen. Nach Abschluss der Untersuchung, die das von Trump gewünschte Ergebnis feststellen wird – schon die EU hat diese asymmetrische chinesische Technologiepolitik angeprangert – kann Trump dieses dann nach Bedarf als Waffe gegen China einsetzen. Geopolitische Schützenhilfe gegen Nordkorea im Austausch für handelspolitisches Entgegenkommen. China hat gegenüber den USA einen dramatischen Exportüberschuss. Doch dieser ökonomische Segen kann auch zum Fluch werden. Und Peking kann im Übergang zu einer nachhaltiger wachsenden Volkswirtschaft, was ohnehin Reibungsverluste verursacht, keine Schocks vertragen.

    Bislang zog man sich auf den Standpunkt zurück, dass es zwei Amerikas gibt, das offiziell Trumpsche und das eigentliche. Das offizielle bekommt zwar wirtschaftspolitisch nichts im Guten hin, aber immerhin auch nichts im Schlechten. Auch scheint Trumps harte Handelsrhetorik nur Rhetorik zu bleiben. Mittlerweile jedoch stößt Trumps „eigenwillige“ Amtsführung an den US-Finanzmärkten negativ auf. Ein unkontrollierter Dekret- und Tweet-Präsident ist zu wenig, um Amerika geo- und wirtschaftspolitisch zu führen. Wenn jetzt schon seine eigenen Republikaner ihm die Gefolgschaft verweigern, sich die US-Wirtschaftsgrößen aus den Beraterteams der US-Regierung zurückziehen und offenbar niemand Interesse hat, neuer Fed-Präsident zu werden, ist die Weltführungsmacht, die Weltmilitärmacht, die Weltfinanzmacht und die Weltwirtschaftsmacht ziemlich führungslos. Amerika und die Welt können sich keinen Parodie-Präsidenten leisten. Leider ist Besserung nicht absehbar.

    Fundamental ist die Lage der deutschen Wirtschaft trotz knapp verfehlten Erwartungen für das II. Quartal solide. Solide Auftragseingänge insbesondere auch für die Exportindustrie untermauern dies. Für das Gesamtjahr 2017 ist sogar ein Wachstum von zwei Prozent möglich. Die Vision eines nachgebenden Euros unterstützt den deutschen Außenhandel. Tatsächlich rechtfertigt der Renditevorsprung US-amerikanischer Staatspapiere gegenüber deutschen den aktuell starken Euro nicht.

    Ein wieder schwächerer Euro würde den exportlastigen deutschen Aktienmarkt stimulieren.

    Nicht zuletzt zeigt sich auch die Bewertung deutscher Aktien im internationalen Vergleich deutlich entspannt. Hier gibt es grundsätzlich Nachholpotenzial.

    Grundsätzlich ist das o.g. Polit-Risiko eine offene Flanke für die Aktienmärkte und könnte zwischenzeitlich zu Konsolidierungen führen. Trump ist hier wie ein früher Fehler in einer Mathematik-Aufgabe. Er zieht sich bis unten durch. Doch im Hinblick auf durchaus stabile Fundamentaldaten und eine besonnene Geldpolitik, die die größte Alternativanlageklasse zu Aktien, das Zinsvermögen, unattraktiv hält, dürfte sich der Aktien-Herbst wieder erholt zeigen.

    Immerhin, der VDAX-New Volatility Index, der die mögliche Schwankungsbreite für die nächsten 30 Handelstage misst, zeigt trotz der latenten Risiken eine im Vergleich bemerkenswert geringe Volatilität.

    Charttechnik DAX – Weder Fisch noch Fleisch

    Charttechnisch verläuft beim DAX die erste Unterstützung bei 12.091 Punkten. Setzt der Index seine Korrektur fort, bietet zunächst die Marke bei 12.014 Halt. Darunter trifft der Index bei 11.947, der 200-Tage-Linie, auf weitere Unterstützung. Kann der Index auf der Oberseite die Widerstände bei 12.142 und 12.235 zurückerobern, ist der Weg frei bis zu den nächsten Barrieren bei 12.284 und schließlich 12.322 Punkten.

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    In der Eurozone signalisieren wiederholt schwächere Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe, dass die Konjunkturerholung in der Eurozone ihren Schwung nicht halten kann. Auch in Deutschland dürften die ifo Geschäftsklimadaten ihren Höhenflug nicht uneingeschränkt fortsetzen und den etwas schwächeren ZEW Konjunkturerwartungen folgen.

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