31.03.2017, 9154 Zeichen
Im mittlerweile neunten Jahr des Aktienaufschwungs fragen sich Marktteilnehmer, wann denn endlich die große Trendwende kommt. Risiken gibt es vermeintlich genug: Ein ergebnisoffener Brexit-Verhandlungsmarathon, Angst vor „falschen“ Wahlergebnissen in Frankreich, ein aktuell (wirtschafts-)politisch angeschlagener Trump, Inflationsgefahren und Notenbanken, die doch nur auf ihren restriktiven Einsatz warten. Oder haben die Risiken nachhaltig an Drohpotenzial verloren?
Der US-Kongress tanzt nicht nach Trumps Pfeife
Handelsprotektionismus unter Donald Trump bleibt zwar eine Gefahr. Doch schon bei der gescheiterten Rückabwicklung von Obamacare zeigte sich, dass das republikanisch dominierte Parlament durchaus ein politisches Eigenleben führt. Das nährt die Erwartung, dass drohende Handelsbeschränkungen im Kongress abgemildert werden, zumal republikanische Wirtschaftsexperten die Bedeutung des Exports für die US-Volkswirtschaft betonen. Die von Amerika angestrebte starke Position in der Digitalisierung soll weltweit Wohlfahrtsimpulse generieren.
Als handelsentspannendes „Abfallprodukt“ könnten gleichzeitig deutsche Exportunternehmen profitieren. Tatsächlich sind die Befürchtungen hinsichtlich weltweiter Handelsschranken bei deutschen Unternehmen geringer ausgeprägt als in Politik und Medien. Investieren sie in Amerika, kommen sie längerfristig auch in den Genuss der Trumponomics. Laut ifo Exporterwartungen berichten Unternehmen aus den deutschen Kernbranchen Maschinenbau und Elektrotechnik weiterhin von guten Geschäftsaussichten in den USA. Aber auch die sich stabilisierenden Wirtschaftsprozesse in den Emerging Markets werden positiv erwähnt. Insgesamt wird nach zwei Jahren Stagnation wieder stärkerer Importsog aus den Schwellenländern vermeldet.
Die Konjunkturzuversicht der deutschen Industrie schlägt sich folgerichtig in einem aufwärtsgerichteten DAX nieder.
Schließlich signalisierten in der Vergangenheit verbesserte ifo Geschäftserwartungen mit einer zeitlichen Verzögerung von sechs Monaten im Trend immer eine Erholung deutscher Unternehmensgewinne. Diese Wiedergewinnung fundamentaler Stärke entspannt nicht zuletzt die aktuell sportlichen Aktienbewertungen.
Die Britannic sticht in See und der Eisberg scheint noch außer Reichweite zu sein
Nach Einreichung des britischen EU-Scheidungsantrags stehen nun zermürbende Verhandlungen mit der EU bevor. Einerseits kann Brüssel den Briten keinen guten vor allem handelspolitischen Deal anbieten, der ihren Austritt noch belohnte und andere EU-Ländern zu unerwünschten Nachahmeffekten animierte. Andererseits wird Premierministerin May den Briten kein Austrittsergebnis mit markanten Wohlstandseinbußen präsentieren wollen. Die Briten würden dann ihren Abstimmungsfehler von Juni 2016 noch bitter bereuen. Dann könnte es über das Ausscheiden Schottlands auch zu einem Zerfall des Vereinigten Königreichs kommen. Vor diesem Hintergrund ist in puncto Brexit von einem ungeregelten Austritt bis zum Verbleib des Landes in der EU alles möglich.
Die heraufziehenden Scheidungsturbulenzen lassen britische Aktien derzeit noch kalt. Ein exportfreundlich schwaches britisches Pfund unterstützt sogar noch Aktienindexstände des Noch-EU-Landes nahe Rekordhoch. Am Horizont signalisiert eine ins Stocken geratene britische Industriestimmung jedoch erstes wirtschaftspolitisches Enttäuschungspotenzial für Aktien.
Natürlich sind Beeinträchtigungen im bisherigen Freihandel zwischen Großbritannien und Deutschland Handicaps für deutsche Exportunternehmen. Doch wird sich im Rahmen europäischer Anlagestrategien der deutsche Aktienmarkt als natürliche Anlagealternative für Exit-belastete britische Aktien etablieren können.
Euro-Stärke: Wie viel ist noch möglich?
Mit steigenden Netto-Long-Positionen an den Terminmärkten spekulieren Devisenanleger kurzfristig auf eine Euro- und eben keine Dollar-Befestigung. Der Aufwertungsdruck des US-Dollars hält sich aufgrund einer erst vermutlich 2018 in Kraft tretenden Senkung der Unternehmenssteuern in Grenzen. Damit bleiben Billionen-schwere Rückführungen von Auslandskapital der US-Firmen zunächst aus. Ebenso ist der taubenhafteste Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank aller Zeiten kein Dollar-Treiber.
Nach zwischenzeitlich volatilen Währungsbewegungen dürfte sich der Euro-USD-Wechselkurs im weiteren Jahresverlauf 2017 um 1,04 einpendeln. Die Parität ist 2017 nicht zu erwarten. Damit hält sich für Nicht-Europäer das Währungsrisiko bei Aktienanlagen in Euroland in Grenzen.
Politische Risiken sind überschaubar
Trotz aller politischen Unsicherheit zeigen sich die Aktienmärkte robust. Der unabhängige, Europa-freundliche und eher wirtschaftsnahe Kandidat Macron findet immer mehr Zustimmung. Und selbst nach dem Wahlsieg Trumps halten sich die politischen Risiken auf bemerkenswert niedrigem Niveau.
Insgesamt hat der politische Risikoindex nach Brexit-Votum im Juni 2016 massiv verloren und passt sich damit immer mehr der geringen deutschen Aktienvolatilität als der bestimmenden Größe an.
Marktstimmung – Acht Jahre Hausse und kein bisschen leise, dafür weise
Überdies wirkt die weiterhin üppige Geldpolitik hohen Aktienschwankungen entgegen. Die EZB hat ein willkommenes Alibi für „Weiter so“ erhalten. So ist die deutsche Preissteigerung im März stärker als erwartet um 0,6 Prozentpunkte auf 1,6 Prozent gefallen. Verantwortlich hierfür ist der auslaufende Basiseffekt durch nicht weiter steigende Preise. Eine ähnliche Bremswirkung ist auch für die Inflationsrate der Eurozone insgesamt zu erwarten, die sich bis zum Jahresende fortsetzt.
Im Übrigen müssen die Notenbanken mögliche Finanzrisiken aus der Brexit-Debatte einkalkulieren. Sie werden kein Risiko eingehen. Attraktivere Anlagezinsen sind insofern nicht zu erwarten. Ungleich höhere Dividendenrenditen behalten die Nase vorn. Geldpolitisch spricht wenig für ein Ende der mittlerweile achtjährigen Aktienhausse. Es sei daran erinnert, dass Aktieneinbrüche in den letzten Jahrzehnten immer von restriktiver Geldpolitik eingeleitet wurden.
Entspannung kommt nicht zuletzt von den Sentimentindikatoren. Der Aktienmarkt der Eurozone hat die Panik- Richtung neutrale Zone verlassen. Die geringere politische Risikowahrnehmung in Europa und die politische Angeschlagenheit Donald Trumps machen es möglich.
Tatsächlich hat sich seit März eine Outperformance deutscher/europäischer zu amerikanischen Aktien etabliert. Fortsetzung folgt.
Das langfristig positive Aktienbild wird nicht dadurch gestört, wenn es im II. Quartal zu Gewinnmitnahmen kommt. Eine Aktienkonsolidierung wäre sogar gesund und bereinigend.
Charttechnik DAX – Auf dem Weg zum Allzeithoch
Charttechnisch setzt sich die Konsolidierung auf hohem Niveau fort, wenn die Unterstützung bei 12.219 Punkten unterschritten wird. Darunter geben dann die Marken bei 12.159 und 12.083 Halt, bevor der DAX bei 12.010 auf eine weitere Unterstützung trifft. Setzt der Index seinen intakten langfristigen Aufwärtstrend fort und überwindet dabei nachhaltig den Widerstand am bisherigen Allzeithoch bei 12.391 Punkten, ist der Weg zu neuen Höchstständen frei.
Gold : Es zählt der langfristige Besitz, nicht die kurzfristige Rendite
Die umsetzungsschwierigen Wirtschaftsreformen Trumps hemmen die ungebremste Beflügelung der US-Konjunktur. In der Konsequenz ist der Renditeanstieg am US-Anleihemarkt abgeebbt. Die größte konkurrierende Anlageklasse zu Edelmetallen hat also an Attraktivität verloren. Diese Einschätzung unterstreichen die Rohstoffpreise, die ihren Zenit erreicht haben und den Inflationsdruck hemmen.
Allerdings werden sie Notenbanken ihrer bisherigen Praxis treu bleiben und einen deutlichen Anstieg des Goldpreises unterbinden, der die anhaltende Rettung der Finanzwelt mit Zentralbankgeld untergraben würde. Dennoch bleibt mit Blick auf längerfristige Finanzstabilitätsrisiken der Besitz von Gold empfehlenswert. Und tatsächlich bleibt die physische Nachfrage weltweit robust.
Der Wochenausblick für die KW 14 – Was steht im Fed-Sitzungsprotokoll?
Während in China der vom Finanznachrichtendienst Caixin veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende auf eine stabile konjunkturelle Seitenlage hindeutet, signalisiert auch in Japan der Tankan Index der Großindustrie eine konjunkturelle Verbesserung im I. Quartal.
In den USA ist eine Stabilisierung des ISM Index für die Industrie sowie der Auftragseingänge zu erwarten. Auch die quantitative Erholung am Arbeitsmarkt setzt sich fort. Im Sitzungsprotokoll der Fed werden sich weiter Argumente gegen eine rasche Fortsetzung der Zinswende finden.
In Deutschland unterstreicht der positive Dreiklang aus Auftragseingängen, Industrieproduktion sowie Exporten im Februar die sich festigende Wirtschaftslage.
Ein Beitrag von Robert Halver.
Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.
Was noch interessant sein dürfte:
DAX – Haben die Bullen ihr Pulver verschossen? (Deutsche Bank Morning Daily) (Charttechnik)
Börsenradio Live-Blick, Di. 28.5.24: Danke an den unveränderten DAX, VW top, Bayer flop, Immofinanz zeigt in Wien auf
DAX Letzter SK: 0.00 ( 0.44%)
Gold Letzter SK: 0.00 ( 0.74%)
Bildnachweis
Aktien auf dem Radar:SBO, S Immo, Marinomed Biotech, Austriacard Holdings AG, Flughafen Wien, Amag, voestalpine, Frequentis, EuroTeleSites AG, ATX, ATX Prime, Kostad, Linz Textil Holding, Josef Manner & Comp. AG, Pierer Mobility, Wiener Privatbank, Agrana, CA Immo, Erste Group, EVN, Immofinanz, OMV, Österreichische Post, Strabag, Telekom Austria, Uniqa, VIG, Wienerberger.
Random Partner
Vienna International Airport
Die Flughafen Wien AG positioniert sich durch die geografische Lage im Zentrum Europas als eine der wichtigsten Drehscheiben zu den florierenden Destinationen Mittel- und Osteuropas. Der Flughafen Wien war 2016 Ausgangs- oder Endpunkt für über 23 Millionen Passagiere.
>> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner
Latest Blogs
» BSN Spitout Wiener Börse: Die Banken bleiben vorne
» Österreich-Depots: wikifolio knapp unter All-time-High (Depot Kommentar)
» Börsegeschichte 28.5.: Bitte wieder so wie 2004 (Börse Geschichte) (Börs...
» PIR-News: News zu Immofinanz, Verbund, Frequentis, UBM, Wiener Börse-CEO...
» Nachlese: S Immo, ATX NR und die Frage, ob wir hohe Zinsen haben (Christ...
» Börsenradio Live-Blick 28/5: Danke an den unveränderten DAX, VW top, Bay...
» Wiener Börse Party #659: Wolfgang Matejka spricht mit PH, Christoph Bosc...
» Wiener Börse zu Mittag fester: Pierer Mobility, S Immo und Frequentis ge...
» ABC Audio Business Chart #106: Haben wir hohe Zinsen? (Josef Obergantsch...
» Börse-Inputs auf Spotify zu u.a. Societe Generale, Immofinanz, S Immo, S...
Useletter
Die Useletter "Morning Xpresso" und "Evening Xtrakt" heben sich deutlich von den gängigen Newslettern ab.
Beispiele ansehen bzw. kostenfrei anmelden. Wichtige Börse-Infos garantiert.
Newsletter abonnieren
Runplugged
Infos über neue Financial Literacy Audio Files für die Runplugged App
(kostenfrei downloaden über http://runplugged.com/spreadit)
per Newsletter erhalten
AT0000A2VKV7 | |
AT0000A347X9 | |
AT0000A2H9F5 |
- BSN Spitout Wiener Börse: Die Banken bleiben vorne
- Wiener Börse: ATX am Dienstag schwächer, Erste Gr...
- Wiener Börse Nebenwerte-Blick: Kostad-Ausrutscher
- Wie Kostad, Josef Manner & Comp. AG, Linz Textil ...
- Wie Andritz, Telekom Austria, DO&CO, Erste Group,...
- Österreich-Depots: wikifolio knapp unter All-time...
Featured Partner Video
Börsenradio Live-Blick, Di. 14.5.24: DAX leichter, Zahlenleger Brenntag, Rheinmetall und Hannover Rück teilweise massiv unter Druck
Christian Drastil mit dem Live-Blick aus dem Studio des Börsenradio-Partners audio-cd.at in Wien wieder intraday mit Kurslisten, Statistiken und News aus Frankfurt und Wien. Es ist der Podcast, der...
Books josefchladek.com
Federico Renzaglia
Bonifica
2024
Self published
Gregor Radonjič
Misplacements
2023
Self published
Dominic Turner
False friends
2023
Self published