01.12.2015, 3638 Zeichen
Vergangene Woche hatte ich die Gelegenheit am Fidelity Media Forum in London teilzunehmen. Fidelity zählt als eine der weltweit größten Fondsgesellschaften zu den bedeutendsten internationalen Investoren und ist als solcher in gewisser Weise der direkte Konkurrent jedes Kleinanlegers. Beide versuchen, Chancen möglichst frühzeitig zu erkennen und rasch zu nutzen. Naturgemäß stehen Kleinanlegern nicht die aufwändigen Research-Instrumente zur Verfügung, auf die Fondsmanager wie Fidelity zurückgreifen können. Es ist die Aufgabe eines Börsenbriefes, hier wieder für Chancengleichheit zu sorgen, und so war es sehr interessant, die Einschätzung der Fidelity Portfoliomanager und deren Beobachtungen zu erfahren – und auch, wie die „Großen“ die „Kleinen“ sehen. Was Europa betrifft: Die Erholung, die heuer zu registrieren war, wird sich fortsetzen, allerdings sehr langsam. Wir müssen uns also auf eine Periode niedrigerer Wachstumsraten einstellen. Soweit die weniger gute Nachricht.
Die bessere Nachricht: Es wird auch künftig zahlreiche Unternehmen geben, die deutlich höhere Wachstumsraten schaffen. Und solche wird der Austria Börsenbrief auch weiterhin finden. Was den Experten von Fidelity aber noch aufgefallen ist: Gerade Kleinanleger befinden sich in großer Gefahr, Opfer ihrer Emotionen zu werden. Demonstriert wurde das anhand eines aufschlussreichen Vergleichs der „Sorgen“ von Privatanlegern, die Fidelity erheben ließ. Im Juli 2015 betraf die größte Sorge der Kleinanleger das Scheitern der Eurozone. Für immerhin rund 27 Prozent der Befragten war dies die Sorge Nummer Eins, gefolgt von Angst vor einer geopolitischen Krise. Im August war die größte Sorge dann plötzlich China, das 53 Prozent der Anleger als Gefahrenquelle für ihr Investment betrachteten. Der Zusammenbruch der Eurozone war aber plötzlich nur noch für rund 2,5 Prozent eine Sorge wert – und dabei hat sich in diesen wenigen Tagen fundamental schlichtweg nichts in der Eurozone geändert.
Der Schluss daraus: Kleinanleger sind stärker von Meldungen in Medien getrieben als die Großen. Auch hier liegt eine wichtige Aufgabe eines Börsenbriefes: Anleger vor überhasteten, emotionalen Entscheidungen zu schützen und die mittel- bis langfristige Perspektive im Auge zu behalten. Wie sieht diese derzeit aus? Auch dazu gibt es eine interessante Wortmeldung eines großen Branchenvertreters. Die Schweizer Großbank Credit Suisse betitelt eine ihrer jüngsten Aussendungen mit der klaren Aussage: „Aktien bieten bis 2020 das größte Renditepotenzial“. Und im Detail: „Die Aktienrenditen in Schwellenländern werden sich angesichts höherer Abschläge voraussichtlich nicht besser entwickeln als Aktienrenditen in Industrieländern“, wird dort Gerald Moser, Leiter Equity Analysis, zitiert. Weiter heißt es wörtlich: „Die europäischen Schwellenländeraktien weisen das höchste Potenzial für Outperformance auf“.
Die österreichische Wirtschaft ist eng mit dem hier angesprochenen Wirtschaftsraum CEE und Südeuropa verbunden – insgesamt also gute Nachrichten für Anleger.
Ein Beitrag von Franz C. Bauer
Er ist Chefkolumnist des Austria Börsenbriefs
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