Ich stimme der Verwendung von Cookies zu. Auch wenn ich diese Website weiter nutze, gilt dies als Zustimmung.

Bitte lesen und akzeptieren Sie die Datenschutzinformation und Cookie-Informationen, damit Sie unser Angebot weiter nutzen können. Natürlich können Sie diese Einwilligung jederzeit widerrufen.





Der Euro als Verlierer im Währungsabwertungswettlauf? (Robert Halver, Christoph Scherbaum)

Autor:
Christoph Scherbaum

Die Börsenblogger ist das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehntelanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer. Letztlich sind wir alle Börsenfans. Aber wir vertreten in diesem Blog auch eine ganz simple Philosophie: Wir wollen unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus schreiben, was wir zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken, was uns beschäftigt. Das kommt Ihnen, dem Leser, zu Gute.

>> Website


>> zur Startseite mit allen Blogs

01.09.2017, 11262 Zeichen

Momentan sind durchaus Molltöne für den deutschen Aktienmarkt zu hören. Nordkorea lässt trotz Kritik selbst seines Hauptverbündeten Chinas nicht von provokanten Raketentests ab. Gleichzeitig stellt der starke Euro einen psychologischen Belastungsfaktor dar, da Einbußen für die deutsche Exportwirtschaft befürchtet werden. Haben politische Börsen auch dieses Mal nur kurze Beine oder gewinnt die Krisenwährung Gold gegenüber Aktien nachhaltig an Bedeutung? Und wird der Euro zu einem nachhaltigen Handicap für Aktien?

Fundamental gibt es gute Argumente für eine festere Gemeinschaftswährung: Die Euro-Konjunktur zeigt sich stabilisiert, das Deflationsgespenst in der Eurozone ist verschwunden und von Euro-Finanz- oder Schuldenkrise spricht man auch angesichts von gefälligen Bonitätshochstufungen Griechenlands nur noch am Rande. Dieser insgesamt aufgehellte Hintergrund scheint der EZB Spielraum für eine geldpolitische Wende zu geben, die – bei dann höheren Renditen für Staatsanleihen in der Eurozone – eine weitere Euro-Befestigung nach sich zöge.

Die Euro-Stärke ist jedoch auch eine US-Dollar-Schwäche. Zurzeit wird die Weltmacht USA nicht ordentlich regiert. Trumpsche Verbalerotik ist kein Ersatz für an klaren Leitplanken ausgerichtet Führung. Selbst innerhalb der amerikanischen Administration ist von politischem Gleichklang nicht viel zu spüren. Die Unterstützung der republikanischen Partei für ihren Präsidenten hat – nachdem sie ohnehin nie stark ausgeprägt war – weiter nachgelassen. In so einem politisch unfreundlichen Klima ist es bereits grundsätzlich schwierig, zu regieren, geschweige denn heiße Eisen wie Wirtschaftsreformen anzupacken.

Sogar ein grob vorsätzlicher government shutdown – das Einstellen der Arbeit von US-Regierungsbehörden bei Erreichen des US-Schuldenlimits – ist für die Regierung Trump kein Tabu mehr. Stehen in den USA Namen für politische Programme? Vizepräsident Mike Pence wird mit Spitznamen Mickey genannt. Selbst Walt Disney hätte nie davon geträumt, dass die Weltmacht Nr. 1 jemals von Mickey und Donald regiert wird. Für das politische Amerika und die westliche Welt ist dieser Comic jedoch ein Alptraum.

Es ist noch nicht lange her, da galt die Parität von Euro zu US-Dollar als ausgemachte Sache. Und bei früheren geopolitischen Auseinandersetzungen wie jetzt mit Nordkorea war der US-Dollar immer erste Wahl. Heutzutage ist jedoch der Euro zu einem sicheren Hafen geworden.

Tatsächlich hat der Euro seit Jahresbeginn auf handelsgewichteter Basis als einzige Weltwährung aufgewertet. Die Währungen der Exportkonkurrenz neigen dagegen zu markanter Schwäche. Selbst Schweizer Franken und japanischer Yen als ebenso sichere Anlagehäfen befinden sich gegenüber dem Euro in der Defensive.

Unglücklich scheinen (Geld-)Politiker über die exportstärkende Schwächung ihrer Währungen definitiv nicht zu sein. An eine auch nur ansatzweise restriktive Geldpolitik denken weder die Schweizerische Nationalbank noch die Bank of Japan. Und angesichts des politischen Handicaps „Trump“, einer ausbleibenden Inflationierung und ungewissen gesamtwirtschaftlichen Folgeschäden hat auch die Fed keinen Grund, zins- und liquiditätspolitisch wirklich restriktiv zu werden, um damit den US-Dollar zins- und renditeseitig zu stärken. Auch die US-Notenbank weiß die konjunkturellen Vorzüge eines schwächeren Dollars zu schätzen.

Euro-Stärke kann die EZB nicht kalt lassen

Trotz bislang zu vernehmendem Stillschweigen hat EZB-Chef Draghi kein Interesse daran, dass die Gemeinschaftswährung zum Opfer des weltweiten Währungsabwertungskrieges wird und über eine Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit eine außenwirtschaftliche Gefahr für die immer noch nicht vollends erholte Euro-Konjunktur droht.

Daher dürfte Draghi auf der Sitzung der EZB am 7. September seine verbale Zurückhaltung zu Wechselkursen aufgeben und die Euro-Trendwende forcieren. Dazu wird die EZB in ihrer Wachstumsprognose auf zunehmende Abwärtsrisiken hinweisen. Dies geschieht über die artikulierte „Besorgnis“ über die Euro-Aufwertung und eine deutliche Prognoseanhebung des durchschnittlichen Euro/US-Dollar-Wechselkurses. Bisher lag diese bei 1,08 in diesem sowie 1,09 in den kommenden beiden Jahren.

Mit dieser Prognoseanhebung wirkt sie zeitgleich steigenden Inflationserwartungen entgegen. Denn je mehr der Euro gegenüber dem US-Dollar aufwertet, desto niedriger ist der Preissteigerungsdruck der in US-Dollar notierenden Rohstoffpreise. Der Rückgang der Rohstoffpreise auf Euro-Basis ist in der Tat markant. Die angestrebte Inflationsrate von zwei Prozent in der Eurozone bleibt schwierig zu erreichen.

Mit dieser Inflationsentspannung verleiht sich die EZB ein Alibi für einen verlangsamten Ausstieg aus ihrem Anleiheaufkaufprogramm. Im Verlauf des Herbstes dürfte sie ankündigen, ihre Anleihekäufe im ersten Halbjahr 2018 auf monatlich 40 Mrd. Euro zu reduzieren und dabei die weitere Entwicklung bewusst offen lassen. Damit erwirbt die EZB immer noch deutlich mehr staatliche Schuldtitel als neue emittiert, angeboten werden. Eine klare Restriktion ist das nicht.

Diese schwindende Aussicht auf geldpolitische Restriktion bzw. auf steigende Renditen spricht für einen sich wieder abschwächenden Euro. Auch am Devisen-Terminmarkt setzt sich diese Einsicht allmählich durch. So ist die Zunahme spekulativer Netto-Long-Positionen pro Euro seit einem Monat ausgelaufen.

Fundamental ist die aktuelle Euro-Stärke ohnehin nicht gerechtfertigt. Konjunkturelle Basiseffekte sind keine nachhaltigen Selbstläufer. Das unterstreicht ebenso die Zinsdifferenz 10-jähriger deutscher zu US-Staatsanleihen als eine wesentliche Bestimmungsgröße für Wechselkursentwicklungen. Der Renditevorsprung Amerikas hat sich zwar zurückgebildet, doch ist die Aufwertung des Euros im Sinne eines „overshooting“ übertrieben.

Marktstimmung – Stabile Seitenlage erreicht

Der nordkoreanische Machthaber hat nichts zu verlieren. Selbst noch konsequentere Wirtschaftssanktionen werden kein Einlenken Kim Jong-uns bewirken. Die Wirtschaft des Landes liegt bereits am Boden. Ohnehin, jedes Einlenken seinerseits könnte als Gesichtsverlust interpretiert werden, was ihm politisch im eigenen Land schadet. Daher ist es umso wichtiger, dass die geographischen Anrainerstaaten und die internationale Staatengemeinschaft zusammenhalten. Die einstimmige Verurteilung im UN-Sicherheitsrat ist dabei ein positives Zeichen. Selbst Nordkoreas Hauptverbündeter China geht zunehmend auf Distanz. Man werde bei weiteren Raketentests die „notwendige Antwort“ geben. Daneben ist es hilfreich, dass sich US-Präsident Trump für seine Verhältnisse geradezu diplomatisch zurückhält. Dies spricht insgesamt für kurze Beine von politischen Börsen.

Im Extremfall, bei fortgesetzten Provokationen durch Raketentests – und auch das muss angesprochen werden – müssen Südkorea, Japan, Russland, China und die USA mit Segen der UN Kim Jong-un allerdings androhen, nordkoreanische Raketen ab Verlassen des nordkoreanischen Luftraums abzuschießen. Die Staatengemeinschaft kann sich nicht wie ein Ochse in der Manege vorführen lassen.

Als sicherer Hafen profitiert zwischenzeitlich Gold neben der aktuellen geopolitischen Unsicherheit auch von der Aussicht auf zunächst passive Notenbanken. In diesem Zusammenhang steht sinkenden Renditen am US-Staatsanleihemarkt ein steigender Goldpreis gegenüber. Allerdings bleiben Notenbanken erklärte Feinde stark steigender Goldpreise, da diese die konjunkturelle und finanzwirtschaftliche Wirkung ihrer Geldpolitik konterkarieren würden. Jedes Entspannungszeichen in Nordkorea wirkt zudem Goldpreis drückend.

Und dennoch, angesichts der Überschuldung der Welt, die deutlich über dem Niveau vor der letzten Finanzkrise 2008 liegt, bleibt Gold ein Evergreen. Es geht niemals unter. Diese Eigenart haben Schuldensysteme in der Geschichte kein einziges Mal bewiesen.

Nach der Bereinigung der letzten Wochen präsentieren sich die Aussichten für das IV. Aktienquartal wieder freundlicher. Da die große geldpolitische Wende der EZB ausbleibt, wird sich der Euro mittelfristig schwächer präsentieren. Und mit insofern kaum steigenden Anleiherenditen fehlt dem Aktienmarkt weiter eine attraktive Anlagealternative. Die Geldpolitik bleibt die Aorta der Aktienmärkte. Ein Arterienverschluss ist nicht absehbar.

Der Renditeverfall festverzinslicher Wertpapiere hat selbst europäische Hochzinsanleihen erfasst. Aufgrund des geldpolitisch verursachten Anlagenotstands und einer massiven Konkurrenzsituation innerhalb der vermögensverwaltenden Anleiheinvestoren wird offensichtlich jedes Renditepünktchen ungeachtet der zugrundeliegenden Bonität gerne in Anspruch genommen. Wenn mittlerweile selbst Dividenden bei europäischen Aktien durchschnittlich mehr Rendite bieten, bekommen die Argumente pro Aktie weitere Unterstützung.

Anlegerstimmung und Charttechnik

Beim von der Citigroup veröffentlichten Macro Risk Index deuten Indexwerte von kleiner als 0,5 auf Risikofreude und Werte größer als 0,5 auf zunehmende Risikoabneigung hin. Der aktuelle Indexwert von gut 0,3 legt daher eine zumindest stabile Aktienmarktentwicklung nahe.

Charttechnisch verläuft im DAX auf dem Weg nach oben der erste wichtige Widerstand bei aktuell 12.161 Punkten. Wird dieser überschritten, tritt darüber die Marke bei 12.342 in den Vordergrund. Setzt sich die Konsolidierung im DAX fort, verläuft eine erste, wenn auch schwache Unterstützung schon an der 200-Tage-Linie bei aktuell 12.023. Darunter wartet eine weitere Auffanglinie bei 11.935, gefolgt von Unterstützungen bei 11.850 und 11.483 Punkten.

Auf der Währungsseite trifft der Euro zum US-Dollar bei einer Abschwächung zunächst bei 1,178 und darunter bei 1,162 auf erste Unterstützungen. Weitere Haltelinien liegen darunter bei 1,15 und 1,13. Erobert der Euro auf dem Weg nach oben den Widerstand bei 1,2054, warten weitere Barrieren bei 1,221 sowie 1,251.

Der Wochenausblick für die KW 36 – Die EZB gibt sich geldpolitisch entspannt

In China signalisieren der von der privaten Finanzmedienagentur Caixin ermittelte Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungen und solide Im- und Exportzahlen eine stabile Konjunktur.

In den USA beschreibt die Fed in ihrem Konjunkturbericht (Beige Book) zwar das Bild einer stabilen Wirtschaft. Der deutliche Rückgang der Auftragseingänge in der Industrie zeigt jedoch Grenzen auf.

Die EZB dürfte auf ihrer Notenbanksitzung ihre Inflationsprognosen senken und damit den Euro schwächen.

In Deutschland dürfte ein positiver Dreiklang aus Industrieproduktion, -aufträgen sowie Exportzahlen die solide Wirtschaftslage unterstreichen.

Ein Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die CASMOS Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

Bildquelle: Baader Bank / dieboersenblogger.de


(01.09.2017)


BSN Podcasts
Christian Drastil: Wiener Börse Plausch

Wiener Börse Party #632: Warum CA Immo, Immofinanz und RBI positiv bzw. voestalpine negativ auffallen, morgen April-Verfall




 

Bildnachweis

1. Banknoten, Euro, 5, 10, 20, 50 100, 200, 500 - https://www.pexels.com/de/foto/geld-banknoten-kasse-euro-63635/

Aktien auf dem Radar:Amag, Palfinger, SBO, Addiko Bank, Flughafen Wien, Austriacard Holdings AG, EVN, EuroTeleSites AG, Pierer Mobility, Semperit, Bawag, Kostad, Wolford, Oberbank AG Stamm, Polytec Group, ams-Osram, Agrana, CA Immo, Erste Group, Immofinanz, Kapsch TrafficCom, Mayr-Melnhof, OMV, Österreichische Post, Strabag, Telekom Austria, Uniqa, VIG, Wienerberger.


Random Partner

Warimpex
Die Warimpex Finanz- und Beteiligungs AG ist eine Immobilienentwicklungs- und Investmentgesellschaft. Im Fokus der Geschäftsaktivitäten stehen der Betrieb und die Errichtung von Hotels in CEE. Darüber hinaus entwickelt Warimpex auch Bürohäuser und andere Immobilien.

>> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner


 Latest Blogs

» BSN Spitout Wiener Börse: Wienerberger zurück in den Top5 year-to-date

» SportWoche Party 2024 in the Making, 14. April (2nd Screens)

» SportWoche Party 2024 in the Making, 15. April (SportWoche-Riegel)

» Österreich-Depots unveändert (Depot Kommentar)

» Börsegeschichte 18.4.: Mayr-Melnhof (Börse Geschichte) (BörseGeschichte)

» SportWoche Party 2024 in the Making, 18. April (ein Freund, ein guter Fr...

» Reingehört bei A1 Telekom Austria (boersen radio.at)

» News von Verbund und VIG, Research zu Palfinger, A1 Telekom Austria, Ers...

» Nachlese: Matejka Poetry Slam, B&C, 10% auf Wienerberger (Christian Dras...

» Wiener Börse Party #631: XXS-Folge mit einer Facette, in der CA Immo, Im...


Useletter

Die Useletter "Morning Xpresso" und "Evening Xtrakt" heben sich deutlich von den gängigen Newslettern ab. Beispiele ansehen bzw. kostenfrei anmelden. Wichtige Börse-Infos garantiert.

Newsletter abonnieren

Runplugged

Infos über neue Financial Literacy Audio Files für die Runplugged App
(kostenfrei downloaden über http://runplugged.com/spreadit)

per Newsletter erhalten


Meistgelesen
>> mehr





PIR-Zeichnungsprodukte
AT0000A39UT1
AT0000A2SUY6
AT0000A2C5J0
Newsflow
>> mehr

Börse Social Club Board
>> mehr
    wikifolio-Trades Austro-Aktien 21-22: OMV(1)
    wikifolio-Trades Austro-Aktien 20-21: OMV(1)
    wikifolio-Trades Austro-Aktien 19-20: Kontron(1)
    BSN MA-Event Covestro
    Star der Stunde: EVN 1.34%, Rutsch der Stunde: Warimpex -5.01%
    wikifolio-Trades Austro-Aktien 17-18: Verbund(1), CA Immo(1), Immofinanz(1), OMV(1)
    Star der Stunde: Amag 1.54%, Rutsch der Stunde: Warimpex -5.01%
    wikifolio-Trades Austro-Aktien 16-17: Kontron(1), Verbund(1)
    Star der Stunde: Marinomed Biotech 2.36%, Rutsch der Stunde: Warimpex -5.01%

    Featured Partner Video

    D&D Research Rendezvous #6: Gunter Deuber nach der RBI-Zürs-Konferenz zu ATX, Stimmung, Geopolitik, Asset-Klassen, Oddo-BHF

    Gunter Deuber, Head of Raiffeisen Research, trifft sich mit Podcast-Host Christian Drastil jeden Monat zum "D&D Research Rendezvous". In Folge 6 geht es um ein Zwischenfazit nach 15 Woc...

    Books josefchladek.com

    Sebastián Bruno
    Duelos y Quebrantos
    2018
    ediciones anómalas

    Adrianna Ault
    Levee
    2023
    Void

    Valie Export
    Körpersplitter
    1980
    Veralg Droschl

    Carlos Alba
    I’ll Bet the Devil My Head
    2023
    Void

    Tommaso Protti
    Terra Vermelha
    2023
    Void


    01.09.2017, 11262 Zeichen

    Momentan sind durchaus Molltöne für den deutschen Aktienmarkt zu hören. Nordkorea lässt trotz Kritik selbst seines Hauptverbündeten Chinas nicht von provokanten Raketentests ab. Gleichzeitig stellt der starke Euro einen psychologischen Belastungsfaktor dar, da Einbußen für die deutsche Exportwirtschaft befürchtet werden. Haben politische Börsen auch dieses Mal nur kurze Beine oder gewinnt die Krisenwährung Gold gegenüber Aktien nachhaltig an Bedeutung? Und wird der Euro zu einem nachhaltigen Handicap für Aktien?

    Fundamental gibt es gute Argumente für eine festere Gemeinschaftswährung: Die Euro-Konjunktur zeigt sich stabilisiert, das Deflationsgespenst in der Eurozone ist verschwunden und von Euro-Finanz- oder Schuldenkrise spricht man auch angesichts von gefälligen Bonitätshochstufungen Griechenlands nur noch am Rande. Dieser insgesamt aufgehellte Hintergrund scheint der EZB Spielraum für eine geldpolitische Wende zu geben, die – bei dann höheren Renditen für Staatsanleihen in der Eurozone – eine weitere Euro-Befestigung nach sich zöge.

    Die Euro-Stärke ist jedoch auch eine US-Dollar-Schwäche. Zurzeit wird die Weltmacht USA nicht ordentlich regiert. Trumpsche Verbalerotik ist kein Ersatz für an klaren Leitplanken ausgerichtet Führung. Selbst innerhalb der amerikanischen Administration ist von politischem Gleichklang nicht viel zu spüren. Die Unterstützung der republikanischen Partei für ihren Präsidenten hat – nachdem sie ohnehin nie stark ausgeprägt war – weiter nachgelassen. In so einem politisch unfreundlichen Klima ist es bereits grundsätzlich schwierig, zu regieren, geschweige denn heiße Eisen wie Wirtschaftsreformen anzupacken.

    Sogar ein grob vorsätzlicher government shutdown – das Einstellen der Arbeit von US-Regierungsbehörden bei Erreichen des US-Schuldenlimits – ist für die Regierung Trump kein Tabu mehr. Stehen in den USA Namen für politische Programme? Vizepräsident Mike Pence wird mit Spitznamen Mickey genannt. Selbst Walt Disney hätte nie davon geträumt, dass die Weltmacht Nr. 1 jemals von Mickey und Donald regiert wird. Für das politische Amerika und die westliche Welt ist dieser Comic jedoch ein Alptraum.

    Es ist noch nicht lange her, da galt die Parität von Euro zu US-Dollar als ausgemachte Sache. Und bei früheren geopolitischen Auseinandersetzungen wie jetzt mit Nordkorea war der US-Dollar immer erste Wahl. Heutzutage ist jedoch der Euro zu einem sicheren Hafen geworden.

    Tatsächlich hat der Euro seit Jahresbeginn auf handelsgewichteter Basis als einzige Weltwährung aufgewertet. Die Währungen der Exportkonkurrenz neigen dagegen zu markanter Schwäche. Selbst Schweizer Franken und japanischer Yen als ebenso sichere Anlagehäfen befinden sich gegenüber dem Euro in der Defensive.

    Unglücklich scheinen (Geld-)Politiker über die exportstärkende Schwächung ihrer Währungen definitiv nicht zu sein. An eine auch nur ansatzweise restriktive Geldpolitik denken weder die Schweizerische Nationalbank noch die Bank of Japan. Und angesichts des politischen Handicaps „Trump“, einer ausbleibenden Inflationierung und ungewissen gesamtwirtschaftlichen Folgeschäden hat auch die Fed keinen Grund, zins- und liquiditätspolitisch wirklich restriktiv zu werden, um damit den US-Dollar zins- und renditeseitig zu stärken. Auch die US-Notenbank weiß die konjunkturellen Vorzüge eines schwächeren Dollars zu schätzen.

    Euro-Stärke kann die EZB nicht kalt lassen

    Trotz bislang zu vernehmendem Stillschweigen hat EZB-Chef Draghi kein Interesse daran, dass die Gemeinschaftswährung zum Opfer des weltweiten Währungsabwertungskrieges wird und über eine Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit eine außenwirtschaftliche Gefahr für die immer noch nicht vollends erholte Euro-Konjunktur droht.

    Daher dürfte Draghi auf der Sitzung der EZB am 7. September seine verbale Zurückhaltung zu Wechselkursen aufgeben und die Euro-Trendwende forcieren. Dazu wird die EZB in ihrer Wachstumsprognose auf zunehmende Abwärtsrisiken hinweisen. Dies geschieht über die artikulierte „Besorgnis“ über die Euro-Aufwertung und eine deutliche Prognoseanhebung des durchschnittlichen Euro/US-Dollar-Wechselkurses. Bisher lag diese bei 1,08 in diesem sowie 1,09 in den kommenden beiden Jahren.

    Mit dieser Prognoseanhebung wirkt sie zeitgleich steigenden Inflationserwartungen entgegen. Denn je mehr der Euro gegenüber dem US-Dollar aufwertet, desto niedriger ist der Preissteigerungsdruck der in US-Dollar notierenden Rohstoffpreise. Der Rückgang der Rohstoffpreise auf Euro-Basis ist in der Tat markant. Die angestrebte Inflationsrate von zwei Prozent in der Eurozone bleibt schwierig zu erreichen.

    Mit dieser Inflationsentspannung verleiht sich die EZB ein Alibi für einen verlangsamten Ausstieg aus ihrem Anleiheaufkaufprogramm. Im Verlauf des Herbstes dürfte sie ankündigen, ihre Anleihekäufe im ersten Halbjahr 2018 auf monatlich 40 Mrd. Euro zu reduzieren und dabei die weitere Entwicklung bewusst offen lassen. Damit erwirbt die EZB immer noch deutlich mehr staatliche Schuldtitel als neue emittiert, angeboten werden. Eine klare Restriktion ist das nicht.

    Diese schwindende Aussicht auf geldpolitische Restriktion bzw. auf steigende Renditen spricht für einen sich wieder abschwächenden Euro. Auch am Devisen-Terminmarkt setzt sich diese Einsicht allmählich durch. So ist die Zunahme spekulativer Netto-Long-Positionen pro Euro seit einem Monat ausgelaufen.

    Fundamental ist die aktuelle Euro-Stärke ohnehin nicht gerechtfertigt. Konjunkturelle Basiseffekte sind keine nachhaltigen Selbstläufer. Das unterstreicht ebenso die Zinsdifferenz 10-jähriger deutscher zu US-Staatsanleihen als eine wesentliche Bestimmungsgröße für Wechselkursentwicklungen. Der Renditevorsprung Amerikas hat sich zwar zurückgebildet, doch ist die Aufwertung des Euros im Sinne eines „overshooting“ übertrieben.

    Marktstimmung – Stabile Seitenlage erreicht

    Der nordkoreanische Machthaber hat nichts zu verlieren. Selbst noch konsequentere Wirtschaftssanktionen werden kein Einlenken Kim Jong-uns bewirken. Die Wirtschaft des Landes liegt bereits am Boden. Ohnehin, jedes Einlenken seinerseits könnte als Gesichtsverlust interpretiert werden, was ihm politisch im eigenen Land schadet. Daher ist es umso wichtiger, dass die geographischen Anrainerstaaten und die internationale Staatengemeinschaft zusammenhalten. Die einstimmige Verurteilung im UN-Sicherheitsrat ist dabei ein positives Zeichen. Selbst Nordkoreas Hauptverbündeter China geht zunehmend auf Distanz. Man werde bei weiteren Raketentests die „notwendige Antwort“ geben. Daneben ist es hilfreich, dass sich US-Präsident Trump für seine Verhältnisse geradezu diplomatisch zurückhält. Dies spricht insgesamt für kurze Beine von politischen Börsen.

    Im Extremfall, bei fortgesetzten Provokationen durch Raketentests – und auch das muss angesprochen werden – müssen Südkorea, Japan, Russland, China und die USA mit Segen der UN Kim Jong-un allerdings androhen, nordkoreanische Raketen ab Verlassen des nordkoreanischen Luftraums abzuschießen. Die Staatengemeinschaft kann sich nicht wie ein Ochse in der Manege vorführen lassen.

    Als sicherer Hafen profitiert zwischenzeitlich Gold neben der aktuellen geopolitischen Unsicherheit auch von der Aussicht auf zunächst passive Notenbanken. In diesem Zusammenhang steht sinkenden Renditen am US-Staatsanleihemarkt ein steigender Goldpreis gegenüber. Allerdings bleiben Notenbanken erklärte Feinde stark steigender Goldpreise, da diese die konjunkturelle und finanzwirtschaftliche Wirkung ihrer Geldpolitik konterkarieren würden. Jedes Entspannungszeichen in Nordkorea wirkt zudem Goldpreis drückend.

    Und dennoch, angesichts der Überschuldung der Welt, die deutlich über dem Niveau vor der letzten Finanzkrise 2008 liegt, bleibt Gold ein Evergreen. Es geht niemals unter. Diese Eigenart haben Schuldensysteme in der Geschichte kein einziges Mal bewiesen.

    Nach der Bereinigung der letzten Wochen präsentieren sich die Aussichten für das IV. Aktienquartal wieder freundlicher. Da die große geldpolitische Wende der EZB ausbleibt, wird sich der Euro mittelfristig schwächer präsentieren. Und mit insofern kaum steigenden Anleiherenditen fehlt dem Aktienmarkt weiter eine attraktive Anlagealternative. Die Geldpolitik bleibt die Aorta der Aktienmärkte. Ein Arterienverschluss ist nicht absehbar.

    Der Renditeverfall festverzinslicher Wertpapiere hat selbst europäische Hochzinsanleihen erfasst. Aufgrund des geldpolitisch verursachten Anlagenotstands und einer massiven Konkurrenzsituation innerhalb der vermögensverwaltenden Anleiheinvestoren wird offensichtlich jedes Renditepünktchen ungeachtet der zugrundeliegenden Bonität gerne in Anspruch genommen. Wenn mittlerweile selbst Dividenden bei europäischen Aktien durchschnittlich mehr Rendite bieten, bekommen die Argumente pro Aktie weitere Unterstützung.

    Anlegerstimmung und Charttechnik

    Beim von der Citigroup veröffentlichten Macro Risk Index deuten Indexwerte von kleiner als 0,5 auf Risikofreude und Werte größer als 0,5 auf zunehmende Risikoabneigung hin. Der aktuelle Indexwert von gut 0,3 legt daher eine zumindest stabile Aktienmarktentwicklung nahe.

    Charttechnisch verläuft im DAX auf dem Weg nach oben der erste wichtige Widerstand bei aktuell 12.161 Punkten. Wird dieser überschritten, tritt darüber die Marke bei 12.342 in den Vordergrund. Setzt sich die Konsolidierung im DAX fort, verläuft eine erste, wenn auch schwache Unterstützung schon an der 200-Tage-Linie bei aktuell 12.023. Darunter wartet eine weitere Auffanglinie bei 11.935, gefolgt von Unterstützungen bei 11.850 und 11.483 Punkten.

    Auf der Währungsseite trifft der Euro zum US-Dollar bei einer Abschwächung zunächst bei 1,178 und darunter bei 1,162 auf erste Unterstützungen. Weitere Haltelinien liegen darunter bei 1,15 und 1,13. Erobert der Euro auf dem Weg nach oben den Widerstand bei 1,2054, warten weitere Barrieren bei 1,221 sowie 1,251.

    Der Wochenausblick für die KW 36 – Die EZB gibt sich geldpolitisch entspannt

    In China signalisieren der von der privaten Finanzmedienagentur Caixin ermittelte Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungen und solide Im- und Exportzahlen eine stabile Konjunktur.

    In den USA beschreibt die Fed in ihrem Konjunkturbericht (Beige Book) zwar das Bild einer stabilen Wirtschaft. Der deutliche Rückgang der Auftragseingänge in der Industrie zeigt jedoch Grenzen auf.

    Die EZB dürfte auf ihrer Notenbanksitzung ihre Inflationsprognosen senken und damit den Euro schwächen.

    In Deutschland dürfte ein positiver Dreiklang aus Industrieproduktion, -aufträgen sowie Exportzahlen die solide Wirtschaftslage unterstreichen.

    Ein Beitrag von Robert Halver.

    Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

    Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

    Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die CASMOS Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

    Bildquelle: Baader Bank / dieboersenblogger.de


    (01.09.2017)


    BSN Podcasts
    Christian Drastil: Wiener Börse Plausch

    Wiener Börse Party #632: Warum CA Immo, Immofinanz und RBI positiv bzw. voestalpine negativ auffallen, morgen April-Verfall




     

    Bildnachweis

    1. Banknoten, Euro, 5, 10, 20, 50 100, 200, 500 - https://www.pexels.com/de/foto/geld-banknoten-kasse-euro-63635/

    Aktien auf dem Radar:Amag, Palfinger, SBO, Addiko Bank, Flughafen Wien, Austriacard Holdings AG, EVN, EuroTeleSites AG, Pierer Mobility, Semperit, Bawag, Kostad, Wolford, Oberbank AG Stamm, Polytec Group, ams-Osram, Agrana, CA Immo, Erste Group, Immofinanz, Kapsch TrafficCom, Mayr-Melnhof, OMV, Österreichische Post, Strabag, Telekom Austria, Uniqa, VIG, Wienerberger.


    Random Partner

    Warimpex
    Die Warimpex Finanz- und Beteiligungs AG ist eine Immobilienentwicklungs- und Investmentgesellschaft. Im Fokus der Geschäftsaktivitäten stehen der Betrieb und die Errichtung von Hotels in CEE. Darüber hinaus entwickelt Warimpex auch Bürohäuser und andere Immobilien.

    >> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner


     Latest Blogs

    » BSN Spitout Wiener Börse: Wienerberger zurück in den Top5 year-to-date

    » SportWoche Party 2024 in the Making, 14. April (2nd Screens)

    » SportWoche Party 2024 in the Making, 15. April (SportWoche-Riegel)

    » Österreich-Depots unveändert (Depot Kommentar)

    » Börsegeschichte 18.4.: Mayr-Melnhof (Börse Geschichte) (BörseGeschichte)

    » SportWoche Party 2024 in the Making, 18. April (ein Freund, ein guter Fr...

    » Reingehört bei A1 Telekom Austria (boersen radio.at)

    » News von Verbund und VIG, Research zu Palfinger, A1 Telekom Austria, Ers...

    » Nachlese: Matejka Poetry Slam, B&C, 10% auf Wienerberger (Christian Dras...

    » Wiener Börse Party #631: XXS-Folge mit einer Facette, in der CA Immo, Im...


    Useletter

    Die Useletter "Morning Xpresso" und "Evening Xtrakt" heben sich deutlich von den gängigen Newslettern ab. Beispiele ansehen bzw. kostenfrei anmelden. Wichtige Börse-Infos garantiert.

    Newsletter abonnieren

    Runplugged

    Infos über neue Financial Literacy Audio Files für die Runplugged App
    (kostenfrei downloaden über http://runplugged.com/spreadit)

    per Newsletter erhalten


    Meistgelesen
    >> mehr





    PIR-Zeichnungsprodukte
    AT0000A39UT1
    AT0000A2SUY6
    AT0000A2C5J0
    Newsflow
    >> mehr

    Börse Social Club Board
    >> mehr
      wikifolio-Trades Austro-Aktien 21-22: OMV(1)
      wikifolio-Trades Austro-Aktien 20-21: OMV(1)
      wikifolio-Trades Austro-Aktien 19-20: Kontron(1)
      BSN MA-Event Covestro
      Star der Stunde: EVN 1.34%, Rutsch der Stunde: Warimpex -5.01%
      wikifolio-Trades Austro-Aktien 17-18: Verbund(1), CA Immo(1), Immofinanz(1), OMV(1)
      Star der Stunde: Amag 1.54%, Rutsch der Stunde: Warimpex -5.01%
      wikifolio-Trades Austro-Aktien 16-17: Kontron(1), Verbund(1)
      Star der Stunde: Marinomed Biotech 2.36%, Rutsch der Stunde: Warimpex -5.01%

      Featured Partner Video

      D&D Research Rendezvous #6: Gunter Deuber nach der RBI-Zürs-Konferenz zu ATX, Stimmung, Geopolitik, Asset-Klassen, Oddo-BHF

      Gunter Deuber, Head of Raiffeisen Research, trifft sich mit Podcast-Host Christian Drastil jeden Monat zum "D&D Research Rendezvous". In Folge 6 geht es um ein Zwischenfazit nach 15 Woc...

      Books josefchladek.com

      François Jonquet
      Forage
      2023
      Void

      Andreas H. Bitesnich
      India
      2019
      teNeues Verlag GmbH

      Federico Renzaglia
      Bonifica
      2024
      Self published

      Valie Export
      Körpersplitter
      1980
      Veralg Droschl

      Horst Pannwitz
      Berlin. Symphonie einer Weltstadt
      1959
      Ernst Staneck Verlag