Ich stimme der Verwendung von Cookies zu. Auch wenn ich diese Website weiter nutze, gilt dies als Zustimmung.

Bitte lesen und akzeptieren Sie die Datenschutzinformation und Cookie-Informationen, damit Sie unser Angebot weiter nutzen können. Natürlich können Sie diese Einwilligung jederzeit widerrufen.





Gegenüber der Geschwindigkeit der EZB bei ihrer Zinswende ist die Schnecke ein wildes Tier (Robert Halver, Christoph Scherbaum)

Autor:
Christoph Scherbaum

Die Börsenblogger ist das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehntelanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer. Letztlich sind wir alle Börsenfans. Aber wir vertreten in diesem Blog auch eine ganz simple Philosophie: Wir wollen unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus schreiben, was wir zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken, was uns beschäftigt. Das kommt Ihnen, dem Leser, zu Gute.

>> Website


>> zur Startseite mit allen Blogs

17.05.2017, 7949 Zeichen

Die EZB ist ins geldpolitische Grübeln gekommen. Denn das Schreckgespenst der Deflation in der Eurozone hat sich verflüchtigt und die Wachstumsraten der Euro-Länder haben sich im I. Quartal 2017 auf den ersten Blick stabilisiert. Und nach der französischen Präsidentschaftswahl hat sich das politische Schlaganfallrisiko in der Eurozone so stark zurückgebildet, dass der geldpolitische Blutverdünner weniger gebraucht wird. Steht der Einstieg der EZB in den geldpolitischen Ausstieg also kurz bevor?

Nicht so schnell! Auf den zweiten Blick zeigen Deutschland und Spanien zwar stabiles Wirtschaftswachstum, doch dagegen sieht es in Frankreich und Italien mau aus. In Schulnoten ausgedrückt „4“. Daher werden auch die Vertreter der EZB nicht müde zu betonen, dass die Voraussetzung für ihren geldpolitischen Kurswechsel sehr solide Konjunkturen sind. In der Süd-Eurozone gibt es die nicht wirklich.

Und zur Abhilfe sollte niemand von Emmanuel Jean-Michel Frédéric Macron zu viel an Reformbewegung erwarten. Seine wirtschaftspolitische To Do-Liste hat zwar Bibelstärke. Doch ich zweifele an seiner „Bibelfestigkeit“. Die Gefahr ist sogar groß, dass der Macronismus ebenso verweltlicht wird wie der Trumpismus. Macrons wirtschaftspolitischer Geist ist zwar willig, sein populistisches Fleisch aber schwach. Er weiß, dass es fast unmöglich ist, in Frankreich den Staub der Sozialromantik von 35-Stunden-Woche und Rente mit 62 wegzublasen, ohne dass jemand zu husten anfängt. Das sind die Niederungen der Realpolitik, mit denen auch Macron noch viel Spaß bekommt. Leider löst ein bisschen Reform-Kosmetik die Wirtschaftskrise nicht. Das schafft allein die Reform-Kernsanierung. Was also tun?

Man kann in Frankreich nicht plötzlich die Tugenden der schwäbischen Hausfrau predigen, doch weiter nach griechischen Finanz-Rezepten kochen

Macron sucht nach einer transzendenten Krisenlösung durch die europäischen Partner. Von Deutschland erwartet er ohnehin eine Belohnung dafür, dass er Europa mit seiner Wahl zum Präsidenten vor dem Zerfall gerettet hat und auch eine Wiedergutmachung für unsere unverschämt hohen Handelsüberschüsse. So soll u.a. die französische Konjunktur über ein Europäisches Budget, also die Vergemeinschaftung von neuen Schulden in Form von Euro-Anleihen – auch Euro-Bonds genannt – mit deutscher Bürgschaft gerettet werden. Das erinnert an einen Song von Xavier Naidoo: „Was wir alleine nicht schaffen, dass schaffen wir dann zusammen“. Doch nur weil alle in der Eurozone den instabilitätspolitischen Schmuddelanzug tragen, wird daraus noch lange keine wirtschaftspolitisch attraktive Mode. Denn die Privatwirtschaft wird nicht investieren, wenn strukturelle Defizite den angeschlagenen Euro-Staaten erhalten bleiben wie dem Sommer die Mücken. La Grande Nation leidet nicht unter der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands, sondern unter seiner bislang gezeigten Ignoranz, sich dem globalen Konkurrenzkampf mit eigener Wettbewerbsfähigkeit entgegenzustellen.

Berlins Suche nach dem geringeren Übel: Heilslehre der EZB oder Euro-Bonds?

Eigentlich waren Euro-Bonds in Deutschland immer unbeliebt. Doch scheinen auch einige deutsche Politiker über die restaurierte Achse Paris-Berlin so glücklich zu sein, dass sie das deutsche Stabilitäts-Reinheitsgebot gerne dem laxen Laissez Faire der französischen Rotwein-Finanz-Kultur opfern würden. Angesichts des zunehmenden politischen Drucks wird man auch in Berlin wohl oder übel einen Stabilitätstod sterben müssen. Die Drohung aus Paris ist bereits unterschwellig zu vernehmen: Wollt ihr Deutschen etwa schuld daran sein, dass Frankreich in ein paar Jahren dennoch in die links- oder rechtsradikale Ecke kippt? Man muss eben nur einen Schuldigen finden.

Der Berliner Notausgang zur Rettung vor dem Euro-Sozialismus könnte sein, die EZB weiter die Zeche der europäischen Konjunktursanierung bzw. Schuldenfinanzierung zahlen zu lassen. Das hat Vorteile: Wenn die EZB stützt, muss das nicht der Bundesfinanzminister mit höheren Zinsen für Euro-Anleihen und steigenden Kreditverbindlichkeiten im deutschen Staatshaushalt tun. Überhaupt, wenn die schuldenhungrigen Kampfhunde erst einmal Blut geleckt haben, gibt es bei Euro-Anleihen kein Halten mehr.

Von der Fed lernen, heißt für die EZB siegen lernen

Grundsätzlich muss die EZB Geldpolitik für alle Euro-Länder und nicht nur für Deutschland betreiben. Und fast 2,3 Bill. Euro Staatsschulden in Italien kastrieren jede wollüstig restriktive Geldpolitik. So bleibt die EZB der Finanz- oder besser gesagt der Sozialminister der Eurozone. Natürlich kann die EZB den Geist der Deutschen Bundesbank nicht komplett links liegen lassen. Der stabilitätspolitische Scheinheiligenschein muss gewahrt bleiben. Doch ihr Stabilitäts-Gesäusel sollte nicht täuschen. Der  Berg wird zwar kreisen, tatsächlich aber nur eine Maus gebären. Bei diesem Prozess wird sie die Geldpolitik der US-Notenbank als Blaupause nutzen, die bereits seit 2013 von Restriktion spricht, sich aber nur verhalten zeigt.

Auf der Zeitschiene könnte die EZB auf ihrer Sitzung im Juni 2017 zunächst ihre Einschätzung der Euro-Konjunktur aufhellen. Nach der Sommerpause könnte sie dann das Anleiheaufkaufprogramm über Dezember 2017 hinaus zwar verlängern, aber das monatliche Kaufvolumen zunehmend reduzieren. Ende 2018 bliebe dann jede neue Liquiditätsbereitstellung aus. Klingt restriktiv, oder?

Doch nach vollständiger Einstellung von Anleiheaufkäufen wird es keinen finanzmarktschädlichen Netto-Liquiditätsabzug geben. Die EZB weiß, dass Liquidität viel mit Zahnpasta zu tun hat. Es ist einfach, sie aus der Tube zu drücken, aber sie wieder in diese zurückzubringen, verursacht Ferkeleien. Auf die Finanzmärkte bezogen heißt das Zinsschocks.

Im Frühjahr 2018 würde die EZB dann den negativen Einlagenzins für Banken schrittweise von minus 0,4 auf null anheben. Das wird man uns als klare Zinserhöhungspolitik verkaufen. De facto ist sie das aber nicht. Im Gegenteil, sie ist eine Zinserleichterung für Banken, die keine Strafzinsen mehr zahlen müssen. Damit stützt die EZB die Zinserträge der Kreditinstitute. Halleluja!

Schließlich ist der Beginn von richtigen Zinserhöhungen nicht vor 2019 zu erwarten. Und selbst wenn, werden diese nicht als Zahnwurzelbehandlungen daherkommen, sondern als schmerzfreie Vorsorgeuntersuchung wie bei der US-Notenbank. Im Übrigen muss sich die Ernsthaftigkeit von Zinserhöhungen immer am Grad der Inflationsbekämpfung messen. Es ist zu vermuten, dass auch zukünftig die Notenbankzinsen der EZB weit unterhalb der Inflationsrate liegen werden. Das ist insgesamt keine restriktive Zinspolitik, das ist eher das Gegenteil! Auf der EZB-Verpackung steht zwar noch Deutsche Bundesbank drauf, drin ist aber längst Fed. Wenn man Inflation als Rattenplage beschreibt, hat die Bundesbank früher bereits vorbeugend Rattengift ausgelegt, bevor auch nur eine Ratte zum Vorschein kam. Dagegen scheint sich die EZB mehr dem Tierschutz verpflichtet zu fühlen.

Wasch mir den Zins-Pelz, aber mach mich nicht nass

Aus Sorge um die Finanz- und Realwirtschaft ist eine wirklich restriktive EZB nicht mehr möglich. Die Rückkehr zur geldpolitischen Normalität in unserem europäischen Finanzsystem ist keine Vision, sondern eine Illusion. Der Einstieg der EZB in den geldpolitischen Ausstieg wird wenig dramatisch ausfallen. Im 10. Jahr ihrer Freizügigkeit mag sie zwar die geldpolitische Konterrevolution ausrufen. Aber tatsächlich muss niemand unter die Guillotine.

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

Bildquelle: Baader Bank / dieboersenblogger.de


(17.05.2017)

BSN Podcasts
Christian Drastil: Wiener Börse Plausch

SportWoche Podcast #117: Floorball, vorgestellt von FBC Dragons Gründer Harry Steinbichler




 

Bildnachweis

1. Schnecke   >> Öffnen auf photaq.com

Aktien auf dem Radar:Amag, Agrana, RHI Magnesita, Austriacard Holdings AG, Flughafen Wien, Addiko Bank, Rosgix, ATX, ATX Prime, ATX TR, Wienerberger, Bawag, AT&S, Österreichische Post, Palfinger, Semperit, Cleen Energy, Pierer Mobility, UBM, Wiener Privatbank, Oberbank AG Stamm, CA Immo, Erste Group, EVN, Immofinanz, Telekom Austria, Uniqa, VIG, Symrise, Siemens Healthineers, BMW.


Random Partner

EuroTeleSites AG
EuroTeleSites bietet mit seiner langjähriger Erfahrung im Bereich der Telekommunikation, Lösungen und Dienstleistungen zum Bau und der Servicierung von drahtlosen Telekommunikationsnetzwerken in sechs Ländern in der CEE-Region an: Österreich, Bulgarien, Kroatien, Slowenien, der Republik Nordmazedonien und der Republik Serbien. Das Portfolio des Unternehmens umfasst über 13.000 Standorte, die hochwertige Wholesale Services für eine breite Palette von Kunden bieten.

>> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner


 Latest Blogs

» Börse-Inputs auf Spotify zu Sebastian Leben, Broke und Broker

» Börse-Inputs auf Spotify zu u.a. Eni, Norsk Hydro, Gottfried Neumeister,...

» SportWoche Podcast #117: Floorball, vorgestellt von FBC Dragons Gründer ...

» Österreich-Depots: Pierer Mobility nach Neumeister-News weiter aufgestoc...

» Börsegeschichte. 12.7.: Addiko Bank, voestalpine (Börse Geschichte) (Bör...

» Reingehört bei Agrana (boersen radio.at)

» PIR-News: News zu Pierer Mobility, S Immo, Research zu VIG und Flughafen...

» Nachlese: Radatz, Raffaela Ortner, Rheinmetall-Schock (Christian Drastil)

» Wiener Börse Party #692: Gottfried Neumeister Kurstrigger für Pierer Mob...

» Wiener Börse zu Mittag schwächer: Pierer Mobility, Polytec und VIG gesuc...


Useletter

Die Useletter "Morning Xpresso" und "Evening Xtrakt" heben sich deutlich von den gängigen Newslettern ab. Beispiele ansehen bzw. kostenfrei anmelden. Wichtige Börse-Infos garantiert.

Newsletter abonnieren

Runplugged

Infos über neue Financial Literacy Audio Files für die Runplugged App
(kostenfrei downloaden über http://runplugged.com/spreadit)

per Newsletter erhalten


Meistgelesen
>> mehr





PIR-Zeichnungsprodukte
AT0000A2WCB4
AT0000A39UT1
AT0000A3CT72
Newsflow
>> mehr

Börse Social Club Board
>> mehr
    #gabb #1643

    Featured Partner Video

    Börsenradio Live-Blick, Di. 25.6.24: DAX deutlich schwächer, Merck und Airbus crashen zweistellig, 10 Jahre FACC an der Börse Wien

    Christian Drastil mit dem Live-Blick aus dem Studio des Börsenradio-Partners audio-cd.at in Wien wieder intraday mit Kurslisten, Statistiken und News aus Frankfurt und Wien. Es ist der Podcast, der...

    Books josefchladek.com

    Kazumi Kurigami
    操上 和美
    2002
    Switch Publishing Co Ltd

    Stefania Rössl & Massimo Sordi (eds.)
    Index Naturae
    2023
    Skinnerboox

    Shinkichi Tajiri
    De Muur
    2002
    Fotokabinetten Gemeentemuseum Den Haag

    Andreas Gehrke
    Flughafen Berlin-Tegel
    2023
    Drittel Books

    Valie Export
    Körpersplitter
    1980
    Veralg Droschl


    17.05.2017, 7949 Zeichen

    Die EZB ist ins geldpolitische Grübeln gekommen. Denn das Schreckgespenst der Deflation in der Eurozone hat sich verflüchtigt und die Wachstumsraten der Euro-Länder haben sich im I. Quartal 2017 auf den ersten Blick stabilisiert. Und nach der französischen Präsidentschaftswahl hat sich das politische Schlaganfallrisiko in der Eurozone so stark zurückgebildet, dass der geldpolitische Blutverdünner weniger gebraucht wird. Steht der Einstieg der EZB in den geldpolitischen Ausstieg also kurz bevor?

    Nicht so schnell! Auf den zweiten Blick zeigen Deutschland und Spanien zwar stabiles Wirtschaftswachstum, doch dagegen sieht es in Frankreich und Italien mau aus. In Schulnoten ausgedrückt „4“. Daher werden auch die Vertreter der EZB nicht müde zu betonen, dass die Voraussetzung für ihren geldpolitischen Kurswechsel sehr solide Konjunkturen sind. In der Süd-Eurozone gibt es die nicht wirklich.

    Und zur Abhilfe sollte niemand von Emmanuel Jean-Michel Frédéric Macron zu viel an Reformbewegung erwarten. Seine wirtschaftspolitische To Do-Liste hat zwar Bibelstärke. Doch ich zweifele an seiner „Bibelfestigkeit“. Die Gefahr ist sogar groß, dass der Macronismus ebenso verweltlicht wird wie der Trumpismus. Macrons wirtschaftspolitischer Geist ist zwar willig, sein populistisches Fleisch aber schwach. Er weiß, dass es fast unmöglich ist, in Frankreich den Staub der Sozialromantik von 35-Stunden-Woche und Rente mit 62 wegzublasen, ohne dass jemand zu husten anfängt. Das sind die Niederungen der Realpolitik, mit denen auch Macron noch viel Spaß bekommt. Leider löst ein bisschen Reform-Kosmetik die Wirtschaftskrise nicht. Das schafft allein die Reform-Kernsanierung. Was also tun?

    Man kann in Frankreich nicht plötzlich die Tugenden der schwäbischen Hausfrau predigen, doch weiter nach griechischen Finanz-Rezepten kochen

    Macron sucht nach einer transzendenten Krisenlösung durch die europäischen Partner. Von Deutschland erwartet er ohnehin eine Belohnung dafür, dass er Europa mit seiner Wahl zum Präsidenten vor dem Zerfall gerettet hat und auch eine Wiedergutmachung für unsere unverschämt hohen Handelsüberschüsse. So soll u.a. die französische Konjunktur über ein Europäisches Budget, also die Vergemeinschaftung von neuen Schulden in Form von Euro-Anleihen – auch Euro-Bonds genannt – mit deutscher Bürgschaft gerettet werden. Das erinnert an einen Song von Xavier Naidoo: „Was wir alleine nicht schaffen, dass schaffen wir dann zusammen“. Doch nur weil alle in der Eurozone den instabilitätspolitischen Schmuddelanzug tragen, wird daraus noch lange keine wirtschaftspolitisch attraktive Mode. Denn die Privatwirtschaft wird nicht investieren, wenn strukturelle Defizite den angeschlagenen Euro-Staaten erhalten bleiben wie dem Sommer die Mücken. La Grande Nation leidet nicht unter der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands, sondern unter seiner bislang gezeigten Ignoranz, sich dem globalen Konkurrenzkampf mit eigener Wettbewerbsfähigkeit entgegenzustellen.

    Berlins Suche nach dem geringeren Übel: Heilslehre der EZB oder Euro-Bonds?

    Eigentlich waren Euro-Bonds in Deutschland immer unbeliebt. Doch scheinen auch einige deutsche Politiker über die restaurierte Achse Paris-Berlin so glücklich zu sein, dass sie das deutsche Stabilitäts-Reinheitsgebot gerne dem laxen Laissez Faire der französischen Rotwein-Finanz-Kultur opfern würden. Angesichts des zunehmenden politischen Drucks wird man auch in Berlin wohl oder übel einen Stabilitätstod sterben müssen. Die Drohung aus Paris ist bereits unterschwellig zu vernehmen: Wollt ihr Deutschen etwa schuld daran sein, dass Frankreich in ein paar Jahren dennoch in die links- oder rechtsradikale Ecke kippt? Man muss eben nur einen Schuldigen finden.

    Der Berliner Notausgang zur Rettung vor dem Euro-Sozialismus könnte sein, die EZB weiter die Zeche der europäischen Konjunktursanierung bzw. Schuldenfinanzierung zahlen zu lassen. Das hat Vorteile: Wenn die EZB stützt, muss das nicht der Bundesfinanzminister mit höheren Zinsen für Euro-Anleihen und steigenden Kreditverbindlichkeiten im deutschen Staatshaushalt tun. Überhaupt, wenn die schuldenhungrigen Kampfhunde erst einmal Blut geleckt haben, gibt es bei Euro-Anleihen kein Halten mehr.

    Von der Fed lernen, heißt für die EZB siegen lernen

    Grundsätzlich muss die EZB Geldpolitik für alle Euro-Länder und nicht nur für Deutschland betreiben. Und fast 2,3 Bill. Euro Staatsschulden in Italien kastrieren jede wollüstig restriktive Geldpolitik. So bleibt die EZB der Finanz- oder besser gesagt der Sozialminister der Eurozone. Natürlich kann die EZB den Geist der Deutschen Bundesbank nicht komplett links liegen lassen. Der stabilitätspolitische Scheinheiligenschein muss gewahrt bleiben. Doch ihr Stabilitäts-Gesäusel sollte nicht täuschen. Der  Berg wird zwar kreisen, tatsächlich aber nur eine Maus gebären. Bei diesem Prozess wird sie die Geldpolitik der US-Notenbank als Blaupause nutzen, die bereits seit 2013 von Restriktion spricht, sich aber nur verhalten zeigt.

    Auf der Zeitschiene könnte die EZB auf ihrer Sitzung im Juni 2017 zunächst ihre Einschätzung der Euro-Konjunktur aufhellen. Nach der Sommerpause könnte sie dann das Anleiheaufkaufprogramm über Dezember 2017 hinaus zwar verlängern, aber das monatliche Kaufvolumen zunehmend reduzieren. Ende 2018 bliebe dann jede neue Liquiditätsbereitstellung aus. Klingt restriktiv, oder?

    Doch nach vollständiger Einstellung von Anleiheaufkäufen wird es keinen finanzmarktschädlichen Netto-Liquiditätsabzug geben. Die EZB weiß, dass Liquidität viel mit Zahnpasta zu tun hat. Es ist einfach, sie aus der Tube zu drücken, aber sie wieder in diese zurückzubringen, verursacht Ferkeleien. Auf die Finanzmärkte bezogen heißt das Zinsschocks.

    Im Frühjahr 2018 würde die EZB dann den negativen Einlagenzins für Banken schrittweise von minus 0,4 auf null anheben. Das wird man uns als klare Zinserhöhungspolitik verkaufen. De facto ist sie das aber nicht. Im Gegenteil, sie ist eine Zinserleichterung für Banken, die keine Strafzinsen mehr zahlen müssen. Damit stützt die EZB die Zinserträge der Kreditinstitute. Halleluja!

    Schließlich ist der Beginn von richtigen Zinserhöhungen nicht vor 2019 zu erwarten. Und selbst wenn, werden diese nicht als Zahnwurzelbehandlungen daherkommen, sondern als schmerzfreie Vorsorgeuntersuchung wie bei der US-Notenbank. Im Übrigen muss sich die Ernsthaftigkeit von Zinserhöhungen immer am Grad der Inflationsbekämpfung messen. Es ist zu vermuten, dass auch zukünftig die Notenbankzinsen der EZB weit unterhalb der Inflationsrate liegen werden. Das ist insgesamt keine restriktive Zinspolitik, das ist eher das Gegenteil! Auf der EZB-Verpackung steht zwar noch Deutsche Bundesbank drauf, drin ist aber längst Fed. Wenn man Inflation als Rattenplage beschreibt, hat die Bundesbank früher bereits vorbeugend Rattengift ausgelegt, bevor auch nur eine Ratte zum Vorschein kam. Dagegen scheint sich die EZB mehr dem Tierschutz verpflichtet zu fühlen.

    Wasch mir den Zins-Pelz, aber mach mich nicht nass

    Aus Sorge um die Finanz- und Realwirtschaft ist eine wirklich restriktive EZB nicht mehr möglich. Die Rückkehr zur geldpolitischen Normalität in unserem europäischen Finanzsystem ist keine Vision, sondern eine Illusion. Der Einstieg der EZB in den geldpolitischen Ausstieg wird wenig dramatisch ausfallen. Im 10. Jahr ihrer Freizügigkeit mag sie zwar die geldpolitische Konterrevolution ausrufen. Aber tatsächlich muss niemand unter die Guillotine.

    RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

    Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

    Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

    Bildquelle: Baader Bank / dieboersenblogger.de


    (17.05.2017)

    BSN Podcasts
    Christian Drastil: Wiener Börse Plausch

    SportWoche Podcast #117: Floorball, vorgestellt von FBC Dragons Gründer Harry Steinbichler




     

    Bildnachweis

    1. Schnecke   >> Öffnen auf photaq.com

    Aktien auf dem Radar:Amag, Agrana, RHI Magnesita, Austriacard Holdings AG, Flughafen Wien, Addiko Bank, Rosgix, ATX, ATX Prime, ATX TR, Wienerberger, Bawag, AT&S, Österreichische Post, Palfinger, Semperit, Cleen Energy, Pierer Mobility, UBM, Wiener Privatbank, Oberbank AG Stamm, CA Immo, Erste Group, EVN, Immofinanz, Telekom Austria, Uniqa, VIG, Symrise, Siemens Healthineers, BMW.


    Random Partner

    EuroTeleSites AG
    EuroTeleSites bietet mit seiner langjähriger Erfahrung im Bereich der Telekommunikation, Lösungen und Dienstleistungen zum Bau und der Servicierung von drahtlosen Telekommunikationsnetzwerken in sechs Ländern in der CEE-Region an: Österreich, Bulgarien, Kroatien, Slowenien, der Republik Nordmazedonien und der Republik Serbien. Das Portfolio des Unternehmens umfasst über 13.000 Standorte, die hochwertige Wholesale Services für eine breite Palette von Kunden bieten.

    >> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner


     Latest Blogs

    » Börse-Inputs auf Spotify zu Sebastian Leben, Broke und Broker

    » Börse-Inputs auf Spotify zu u.a. Eni, Norsk Hydro, Gottfried Neumeister,...

    » SportWoche Podcast #117: Floorball, vorgestellt von FBC Dragons Gründer ...

    » Österreich-Depots: Pierer Mobility nach Neumeister-News weiter aufgestoc...

    » Börsegeschichte. 12.7.: Addiko Bank, voestalpine (Börse Geschichte) (Bör...

    » Reingehört bei Agrana (boersen radio.at)

    » PIR-News: News zu Pierer Mobility, S Immo, Research zu VIG und Flughafen...

    » Nachlese: Radatz, Raffaela Ortner, Rheinmetall-Schock (Christian Drastil)

    » Wiener Börse Party #692: Gottfried Neumeister Kurstrigger für Pierer Mob...

    » Wiener Börse zu Mittag schwächer: Pierer Mobility, Polytec und VIG gesuc...


    Useletter

    Die Useletter "Morning Xpresso" und "Evening Xtrakt" heben sich deutlich von den gängigen Newslettern ab. Beispiele ansehen bzw. kostenfrei anmelden. Wichtige Börse-Infos garantiert.

    Newsletter abonnieren

    Runplugged

    Infos über neue Financial Literacy Audio Files für die Runplugged App
    (kostenfrei downloaden über http://runplugged.com/spreadit)

    per Newsletter erhalten


    Meistgelesen
    >> mehr





    PIR-Zeichnungsprodukte
    AT0000A2WCB4
    AT0000A39UT1
    AT0000A3CT72
    Newsflow
    >> mehr

    Börse Social Club Board
    >> mehr
      #gabb #1643

      Featured Partner Video

      Börsenradio Live-Blick, Di. 25.6.24: DAX deutlich schwächer, Merck und Airbus crashen zweistellig, 10 Jahre FACC an der Börse Wien

      Christian Drastil mit dem Live-Blick aus dem Studio des Börsenradio-Partners audio-cd.at in Wien wieder intraday mit Kurslisten, Statistiken und News aus Frankfurt und Wien. Es ist der Podcast, der...

      Books josefchladek.com

      Mimi Plumb
      Landfall
      2018
      TBW Books

      Gregor Radonjič
      Misplacements
      2023
      Self published

      Valie Export
      Körpersplitter
      1980
      Veralg Droschl

      Eron Rauch
      The Eternal Garden
      2023
      Self published

      Jerker Andersson
      Found Diary
      2024
      Self published