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Wie wahrscheinlich ist ein baldiges Euro-Endzeitszenario? (Robert Halver, Christoph Scherbaum)

Autor:
Christoph Scherbaum

Die Börsenblogger ist das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehntelanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer. Letztlich sind wir alle Börsenfans. Aber wir vertreten in diesem Blog auch eine ganz simple Philosophie: Wir wollen unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus schreiben, was wir zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken, was uns beschäftigt. Das kommt Ihnen, dem Leser, zu Gute.

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10.02.2017, 10266 Zeichen

Abgesehen von dem jetzt nicht mehr aufzuhaltenden Brexit und den Herausforderungen einer neuen US-Handelspolitik drohen auch politische Einschläge in der Eurozone. In Euro-Kernland Frankreich und den Niederlanden stehen im März und April/Mai Nationalwahlen bzw. Präsidentschaftswahlen mit sich im Aufwind befindenden Euro-kritischen Parteien an. Italien – das Land mit der Euro-skeptischsten Bevölkerung – könnte im Juni eine Nationalwahl abhalten. Und Griechenland steht im Sommer ohne erneute Finanzhilfen einmal mehr vor der Staatspleite. Steht also ein Unsicherheitsschock für Konjunktur und Finanzmärkte in Europa bevor?

Obwohl die EZB unbeirrt an ihrer freizügigen Geldpolitik festhält und laut EZB-Chef Draghi sogar bereit ist, im Bedarfsfall zu einem weiteren liquiditätspolitischen Zuschlag auszuholen, sind die Risikoaufschläge 10-jähriger französischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Staatspapieren sprunghaft auf den höchsten Stand seit 2012 angestiegen. Sie beschreiben die Euro-Krise nicht mehr als Staatsschulden- sondern als politische Krise. Gleich geblieben sind allerdings die damaligen Ansteckungseffekte. Denn auch die Renditeabstände von niederländischen, italienischen und spanischer Staatspapiere zu deutschen sind gestiegen.
Vielfach wird befürchtet, dass bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich (23. April mit Stichwahl am 7. Mai 2017), den Parlamentswahlen in den Niederlanden (15. März 2017) und einer noch im Frühjahr stattfindenden Nationalwahl in Italien insgesamt Parteien an Zustimmung gewinnen, deren erklärtes Ziel es bei Regierungsübernahme ist, den Austritt ihrer Länder aus der Eurozone einzuleiten. In diesen Fällen wäre die Eurozone in ihrem Bestand gefährdet. Die Folgen für Real- und Finanzwirtschaft wären drastisch.

Eurosklerose – Geht es jetzt erst richtig los?

Ein Wahlsieg der Euro-kritischen Parteien ist aus heutiger Sicht jedoch unwahrscheinlich. Sicherlich muss man nach den Erfahrungen in puncto Brexit und einer Präsidentschaft Trumps Umfragen kritisch sehen. Dort haben offensichtlich Befragte zumindest teilweise nicht ihre wirklichen Meinungen kundgetan.

In Frankreich wird Marine Le Pen mit dem sozialistischen Kandidaten vermutlich in die Stichwahl um das Präsidentenamt gelangen. In diesem Fall werden die Konservativen jedoch ihre Wähler aufrufen, für den Sozialisten zu stimmen, was sie mit Fäusten in der Tasche mehrheitlich auch tun dürften, um eine Präsidentin Le Pen zu verhindern. Und in den Niederlanden wird die Euro-kritische Partei PVV um Geert Wilders durch eine Mehrparteienkoalition wohl auch verhindert. Kritischer ist die Lage in Italien. Hier wird die „Sozialpolitik“ der EZB wieder greifen müssen. Die zinsgünstige italienische Schuldenfinanzierung soll gesichert bleiben, damit Italiens Wähler angesichts einer Beibehaltung von Transferleistungen und staatlicher Konjunkturstützung ihre Wahlkreuze möglichst Euro-freundlich setzen. In Griechenland wird man einmal mehr einen typischen „Klüngelkompromiss“ finden, der die griechischen Haushaltsprobleme zwar auf Wiedervorlage 2018 setzt, das Land aber zumindest über das Jahr und die Bundestagswahl rettet. Euro-Politiker wissen, dass ein heutiger Grexit das Signal auch für weitere Euro-Austritte sein würde. Also wird er mit aller Macht verhindert. In der Tat zeigt sich der von der BNP Paribas veröffentlichte Political Risk Index für die Eurozone bislang vergleichsweise wenig beeindruckt.

Über politische Pyrrhus-Siege sollte sich Europa nicht freuen

Nach den glimpflich ausgehenden Wahlen haben die Eurozone und die EU jedoch keinen Grund, sich zurückzulehnen. Denn die nächste Wahl könnte ein Europa-feindliches Ergebnis zeigen. Will Europa also vor jeder anstehenden Wahl Angst vor weiterer Zersetzung haben? Wann ist die Politik bereit, statt Laubsägearbeiten zu betreiben, dicke Bretter zu bohren? „Political correct“ zu sein und sich hinter Werten zu verstecken, um möglichst niemanden aufzuschrecken, ist keine Lösung, sondern der Grund, warum Europa im jetzigen Zustand ist. Man redet von Werten, befolgt sie aber nicht. Wann steht Brüssel öffentlich dazu, dass Griechenland die Eurozone aus eigenen Kräften nicht aushalten kann und insofern ein Euro-Verbleib den Preis einer weitgehenden Schuldenstreichung und weiteren Finanzalimentierung erfordert? Wann will man den Menschen eine wirtschaftliche Perspektive zum Beispiel über Infrastrukturinvestitionen bieten, die Europa aus der Industriewüste befreit, Arbeitsplätze schafft und das Vertrauen in das europäische Gemeinschaftswerk erhöht? Wann saniert Deutschland seine Standortfaktoren und gräbt über dann sinkende deutsche Exportüberschüsse anderen Ländern dem hartnäckigen Cliché das Wasser ab, Deutschland würde weltwirtschaftlich zu Lasten anderer dominieren? Man sollte dieses Argument – auch wenn es nicht stimmt – in seiner Wirkung auf Wähler in Europa nicht unterschätzen. Und wann werden endlich die Banken in Südeuropa von Grund auf saniert, damit sie ihrer volkswirtschaftlichen Aufgabe der Kreditvergabe wieder gerecht werden können? Es gibt keinen vernünftigen Aufschwung ohne ordentliche Kreditvergabe. Was muss insgesamt nach Brexit und den Herausforderungen eines Präsidenten Trump denn noch passieren, damit Europa aufwacht und begreift, dass das Europäische Gemeinschaftswerk zur Disposition steht? Wann wird es krisensicher gemacht?

Euro-Konjunktur mit zwei Geschwindigkeiten

Da ist es erfreulich, dass sich die Konjunkturstimmung in Europa insgesamt zu Jahresbeginn laut ifo Institut stabilisiert hat. Setzt man die Einschätzung der Geschäftslage und -erwartungen in der Eurozone für das I. Quartal 2017 zueinander in Beziehung, befindet sich die Euro-Wirtschaft vor allem angesichts aufgehellter Erwartungen zumindest stimmungsseitig sogar in der konjunkturellen Zyklusphase „Boom“. Offensichtlich gehen die befragten europäischen Unternehmen davon aus, dass sie auch von den Trumponomics in den USA profitieren werden.

In der Eurozone ergibt sich jedoch ein uneinheitliches Bild. Laut Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende Gewerbe gewinnt die exportorientierte deutsche Wirtschaft spürbar an Momentum. Spanien profitiert von positiven Basiseffekten einer zumindest rudimentären Reformpolitik, die nach Jahren der Rezession jedoch nicht überbewertet werden sollten. Aber in Frankreich und Italien zollt die hinter dem Euro-Durchschnitt zurückfallende Konjunkturstimmung allerdings den politischen Risiken Tribut. Nähme Europa seine wirtschaftliche Runderneuerung über Reformpolitik ernst, wäre auch mehr Aufschwung möglich.

Immerhin steigt mit aufholendem Einkaufsmanagerindex der Eurozone für das Verarbeitende Gewerbe auch der Gewinntrend der Eurozone.

Marktlage und Anlegerstimmung – Aktienmärkte blicken über den politischen Tellerrand hinaus

International tätige Aktiengesellschaften berücksichtigen politische Themen offenbar weniger als Medien und Politiker selbst. Sie blicken auf fundamentale Argumente.

Unternehmen wissen nicht mehr, wohin mit ihrem Geld. Investitionen in das operative Geschäft sind bereits mühelos abgedeckt bzw. lassen sich zu günstigen Kreditzinsen darstellen. Vor diesem Hintergrund senken Unternehmen Dividendenausschüttungen über Aktienrückkaufprogramme. Die banale Logik dabei: Je weniger Aktien, desto weniger Dividende. Ebenso ersetzen sie teures Eigen- durch zinsgünstiges Fremdkapital und verbessern damit ihre Kapitalstruktur. Beides, Verknappungen von verfügbaren Aktien und Bilanzverbesserungen führen zu steigenden Aktienkursen und wirken feindlichen Unternehmensübernahmen entgegen.

Für fortgesetzte Rückkaufprogramme in den USA spricht die geplante Unternehmenssteuersenkung auf Auslandsguthaben amerikanischer Unternehmen. Durch die dann nach Amerika zurückgebrachten Finanzmittel ergibt sich ein geschätztes Aktienrückkaufvolumen in den USA von etwa 800 Mrd. US-Dollar. Dabei wird das Unternehmensmanagement Aktienrückkaufprogramme langfristig durchführen, um nachhaltige und nicht nur kurzfristige Aktienkursanstiege zu fördern.

Grundsätzlich bleiben Dividendenrenditen weiter attraktiv. Angesichts der aktuellen Niedrigzinsalternativen stechen der DAX mit knapp 3,0, der Euro Stoxx 50 mit 3,7 und einige Branchen sowie Euro-Dividendenindices mit gut vier Prozent jeweils durchschnittlicher Dividendenrendite deutlich hervor. Zudem bieten Dividenden grundsätzlich einen ordentlichen Risikopuffer gegen Kursschwankungen.

Charttechnik DAX – Im Seitwärtsmodus

Das Momentum im DAX ist weiterhin schwach ausgeprägt. Der Leitindex dürfte seinen Aufwärtstrend wieder aufnehmen, sobald er den Widerstand bei 11.692 Punkten nachhaltig überschreitet. Weitere Barrieren folgen dann bei 11.821, 11.920 und schließlich am Allzeithoch bei 12.391. Unterschreitet der DAX jedoch die wichtige Unterstützung bei 11.531 Punkten, droht ein weiteres Abrutschen Richtung 11.431 und schließlich 11.191.

Der Wochenausblick für die KW 7 – Janet Yellen zeigt weiter ihre taubenhafte Seite

In den USA dürfte sich die Inflation im Januar auf dem aktuellen Niveau stabilisieren. Gleichzeitig signalisieren Rückgänge in der US-Industrieproduktion sowie dem Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe der Philadelphia Fed, dass die US-Industrie noch Aufholpotenzial hat. Der US-Immobilienmarkt kann gemäß Baubeginnen und -genehmigungen nicht aus seinem Seitwärtstrend ausbrechen und auch Einzelhandelsumsätze fallen wieder schwächer aus. Insgesamt hat Fed-Chefin Yellen auf ihrer halbjährlichen Anhörung vor dem US-Senat genügend Argumente, von einer frühzeitigen Fortsetzung der Zinserhöhungen abzusehen.

In der Eurozone setzt sich die langsame Konjunkturstabilisierung gemäß BIP-Zahlen für das IV. Quartal 2016 fort. Die nach wie vor zurückhaltenden ZEW Konjunkturerwartungen signalisieren jedoch keine markanten Erholungsperspektiven.

Ein Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

 


(10.02.2017)


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    Obwohl die EZB unbeirrt an ihrer freizügigen Geldpolitik festhält und laut EZB-Chef Draghi sogar bereit ist, im Bedarfsfall zu einem weiteren liquiditätspolitischen Zuschlag auszuholen, sind die Risikoaufschläge 10-jähriger französischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Staatspapieren sprunghaft auf den höchsten Stand seit 2012 angestiegen. Sie beschreiben die Euro-Krise nicht mehr als Staatsschulden- sondern als politische Krise. Gleich geblieben sind allerdings die damaligen Ansteckungseffekte. Denn auch die Renditeabstände von niederländischen, italienischen und spanischer Staatspapiere zu deutschen sind gestiegen.
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    Ein Wahlsieg der Euro-kritischen Parteien ist aus heutiger Sicht jedoch unwahrscheinlich. Sicherlich muss man nach den Erfahrungen in puncto Brexit und einer Präsidentschaft Trumps Umfragen kritisch sehen. Dort haben offensichtlich Befragte zumindest teilweise nicht ihre wirklichen Meinungen kundgetan.

    In Frankreich wird Marine Le Pen mit dem sozialistischen Kandidaten vermutlich in die Stichwahl um das Präsidentenamt gelangen. In diesem Fall werden die Konservativen jedoch ihre Wähler aufrufen, für den Sozialisten zu stimmen, was sie mit Fäusten in der Tasche mehrheitlich auch tun dürften, um eine Präsidentin Le Pen zu verhindern. Und in den Niederlanden wird die Euro-kritische Partei PVV um Geert Wilders durch eine Mehrparteienkoalition wohl auch verhindert. Kritischer ist die Lage in Italien. Hier wird die „Sozialpolitik“ der EZB wieder greifen müssen. Die zinsgünstige italienische Schuldenfinanzierung soll gesichert bleiben, damit Italiens Wähler angesichts einer Beibehaltung von Transferleistungen und staatlicher Konjunkturstützung ihre Wahlkreuze möglichst Euro-freundlich setzen. In Griechenland wird man einmal mehr einen typischen „Klüngelkompromiss“ finden, der die griechischen Haushaltsprobleme zwar auf Wiedervorlage 2018 setzt, das Land aber zumindest über das Jahr und die Bundestagswahl rettet. Euro-Politiker wissen, dass ein heutiger Grexit das Signal auch für weitere Euro-Austritte sein würde. Also wird er mit aller Macht verhindert. In der Tat zeigt sich der von der BNP Paribas veröffentlichte Political Risk Index für die Eurozone bislang vergleichsweise wenig beeindruckt.

    Über politische Pyrrhus-Siege sollte sich Europa nicht freuen

    Nach den glimpflich ausgehenden Wahlen haben die Eurozone und die EU jedoch keinen Grund, sich zurückzulehnen. Denn die nächste Wahl könnte ein Europa-feindliches Ergebnis zeigen. Will Europa also vor jeder anstehenden Wahl Angst vor weiterer Zersetzung haben? Wann ist die Politik bereit, statt Laubsägearbeiten zu betreiben, dicke Bretter zu bohren? „Political correct“ zu sein und sich hinter Werten zu verstecken, um möglichst niemanden aufzuschrecken, ist keine Lösung, sondern der Grund, warum Europa im jetzigen Zustand ist. Man redet von Werten, befolgt sie aber nicht. Wann steht Brüssel öffentlich dazu, dass Griechenland die Eurozone aus eigenen Kräften nicht aushalten kann und insofern ein Euro-Verbleib den Preis einer weitgehenden Schuldenstreichung und weiteren Finanzalimentierung erfordert? Wann will man den Menschen eine wirtschaftliche Perspektive zum Beispiel über Infrastrukturinvestitionen bieten, die Europa aus der Industriewüste befreit, Arbeitsplätze schafft und das Vertrauen in das europäische Gemeinschaftswerk erhöht? Wann saniert Deutschland seine Standortfaktoren und gräbt über dann sinkende deutsche Exportüberschüsse anderen Ländern dem hartnäckigen Cliché das Wasser ab, Deutschland würde weltwirtschaftlich zu Lasten anderer dominieren? Man sollte dieses Argument – auch wenn es nicht stimmt – in seiner Wirkung auf Wähler in Europa nicht unterschätzen. Und wann werden endlich die Banken in Südeuropa von Grund auf saniert, damit sie ihrer volkswirtschaftlichen Aufgabe der Kreditvergabe wieder gerecht werden können? Es gibt keinen vernünftigen Aufschwung ohne ordentliche Kreditvergabe. Was muss insgesamt nach Brexit und den Herausforderungen eines Präsidenten Trump denn noch passieren, damit Europa aufwacht und begreift, dass das Europäische Gemeinschaftswerk zur Disposition steht? Wann wird es krisensicher gemacht?

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    Da ist es erfreulich, dass sich die Konjunkturstimmung in Europa insgesamt zu Jahresbeginn laut ifo Institut stabilisiert hat. Setzt man die Einschätzung der Geschäftslage und -erwartungen in der Eurozone für das I. Quartal 2017 zueinander in Beziehung, befindet sich die Euro-Wirtschaft vor allem angesichts aufgehellter Erwartungen zumindest stimmungsseitig sogar in der konjunkturellen Zyklusphase „Boom“. Offensichtlich gehen die befragten europäischen Unternehmen davon aus, dass sie auch von den Trumponomics in den USA profitieren werden.

    In der Eurozone ergibt sich jedoch ein uneinheitliches Bild. Laut Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende Gewerbe gewinnt die exportorientierte deutsche Wirtschaft spürbar an Momentum. Spanien profitiert von positiven Basiseffekten einer zumindest rudimentären Reformpolitik, die nach Jahren der Rezession jedoch nicht überbewertet werden sollten. Aber in Frankreich und Italien zollt die hinter dem Euro-Durchschnitt zurückfallende Konjunkturstimmung allerdings den politischen Risiken Tribut. Nähme Europa seine wirtschaftliche Runderneuerung über Reformpolitik ernst, wäre auch mehr Aufschwung möglich.

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    Unternehmen wissen nicht mehr, wohin mit ihrem Geld. Investitionen in das operative Geschäft sind bereits mühelos abgedeckt bzw. lassen sich zu günstigen Kreditzinsen darstellen. Vor diesem Hintergrund senken Unternehmen Dividendenausschüttungen über Aktienrückkaufprogramme. Die banale Logik dabei: Je weniger Aktien, desto weniger Dividende. Ebenso ersetzen sie teures Eigen- durch zinsgünstiges Fremdkapital und verbessern damit ihre Kapitalstruktur. Beides, Verknappungen von verfügbaren Aktien und Bilanzverbesserungen führen zu steigenden Aktienkursen und wirken feindlichen Unternehmensübernahmen entgegen.

    Für fortgesetzte Rückkaufprogramme in den USA spricht die geplante Unternehmenssteuersenkung auf Auslandsguthaben amerikanischer Unternehmen. Durch die dann nach Amerika zurückgebrachten Finanzmittel ergibt sich ein geschätztes Aktienrückkaufvolumen in den USA von etwa 800 Mrd. US-Dollar. Dabei wird das Unternehmensmanagement Aktienrückkaufprogramme langfristig durchführen, um nachhaltige und nicht nur kurzfristige Aktienkursanstiege zu fördern.

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    Der Wochenausblick für die KW 7 – Janet Yellen zeigt weiter ihre taubenhafte Seite

    In den USA dürfte sich die Inflation im Januar auf dem aktuellen Niveau stabilisieren. Gleichzeitig signalisieren Rückgänge in der US-Industrieproduktion sowie dem Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe der Philadelphia Fed, dass die US-Industrie noch Aufholpotenzial hat. Der US-Immobilienmarkt kann gemäß Baubeginnen und -genehmigungen nicht aus seinem Seitwärtstrend ausbrechen und auch Einzelhandelsumsätze fallen wieder schwächer aus. Insgesamt hat Fed-Chefin Yellen auf ihrer halbjährlichen Anhörung vor dem US-Senat genügend Argumente, von einer frühzeitigen Fortsetzung der Zinserhöhungen abzusehen.

    In der Eurozone setzt sich die langsame Konjunkturstabilisierung gemäß BIP-Zahlen für das IV. Quartal 2016 fort. Die nach wie vor zurückhaltenden ZEW Konjunkturerwartungen signalisieren jedoch keine markanten Erholungsperspektiven.

    Ein Beitrag von Robert Halver.

    Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

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