18.01.2017, 4328 Zeichen
Die britische Regierung unter Premierministerin Theresa May nimmt die vom britischen Volk beschlossene Brexit-Entscheidung sehr ernst. In ihrer Erklärung am Dienstag stellte May klar, dass sie einen vollständigen Abschied vom EU-Binnenmarkt möchte. Damit weiß nun auch die Wirtschaft, was auf sie zukommt. Auch Anleger haben einiges zu beachten.
Großbritannien wird den Binnenmarkt ebenso verlassen wie die Zollunion. Auch für EU-Bürger, die derzeit noch auf der Insel arbeiten, wird es schwieriger werden. Die Einwanderung nach Großbritannien soll neu geregelt werden. Wie genau das im Rahmen eines Zwölf-Punkte-Plans angekündigte Freihandelsabkommen aussehen wird, muss sich erst noch zeigen. Die Verhandlungen dazu werden beginnen sobald der Antrag auf Verlassen der EU offiziell gestellt wurde.
Nach dem aktuellen Zeitplan soll das im März erfolgen. Damit wäre bis mindestens März 2019 Großbritannien noch Mitglied der EU – so lange werden die Verhandlungen wohl mindestens dauern. Der EU und Großbritannien steht damit eine bewegte Zeit bevor. Zudem muss das Verhandlungsergebnis am Ende erst noch durch das britische Parlament. Es kann also noch vieles passieren. Aber grundsätzlich stellt derzeit niemand einen Brexit in Frage.
Für die Wirtschaft ist es daher spätestens jetzt an der Zeit für dieses Szenario zu planen. Da Großbritannien ein wichtiger Handelspartner Deutschlands ist, betrifft dies große Teile der deutschen und britischen Wirtschaft. Besonders spannend wird es für die Vorzeigeindustrie Deutschland: Den Automobilbau. Mit großen Produktionsanlagen ist hier vor allem BMW (WKN: 519000 / ISIN: DE0005190003) betroffen. Zudem gingen 2015 rund 10 Prozent des weltweiten Absatzes der Münchner nach Großbritannien. Aber auch die anderen Autobauer brauchen den britischen Markt als Absatzbringer. Entscheidend für die wirtschaftlichen Auswirkungen wird jedoch nicht nur die Frage der Zölle sein, sondern auch die Stabilität des Pfundes.
Ähnlich bedeutend ist Großbritannien auch für den deutschen Maschinenbau. Nach den USA, China und Frankreich ist Großbritannien der viertwichtigste Auslandsmarkt der heimischen Maschinenbauer. Nicht ganz so dramatisch wird es für die Chemiebranche werden. Dort hat der britische Markt eine etwas geringere Bedeutung als im Maschinen- und Automobilbau. BASF (WKN: BASF11 / ISIN: DE000BASF111) und Co. haben also vor dem Brexit nur wenig zu befürchten.
Die Elektroindustrie im Land macht sich dagegen Sorgen. Ähnlich wie der Maschinenbau sind auch die Elektroprodukte aus Deutschland auf der Insel gefragte Produkte. Am Ende werden auch hier Zollhöhen und Wechselkurse über den Erfolg der Exportwirtschaft entscheiden.
Im Fokus aus britischer Sicht steht derweil der Finanzsektor. Die City of London ist schließlich der größte Finanzplatz in Europa. Klar ist: Es wird Abwanderungen geben. Ob die alle aber nach Frankfurt gehen, oder ob auch Dublin als englischsprachiges Finanzzentrum oder Paris vom Bedeutungsverlust Londons profitieren wird, bleibt abzuwarten. Die Fusion der Deutschen Börse (WKN: A2AA25 / ISIN: DE000A2AA253) mit der der London Stock Exchange macht aber unter dem Zeichen des Brexit durchaus Sinn. Ein Standort innerhalb der Eurozone und ein Standort außerhalb der EU könnte sich am Ende als Erfolg herausstellen. Wie die Banken, allen voran die Deutsche Bank (WKN: 514000 / ISIN: DE0005140008), auf den Brexit reagieren müssen, wird auch in den noch zu beginnenden Verhandlungen entschieden.
Für Anleger wird es also in den kommenden zwei Jahren nicht langweilig – zumindest wenn es um Großbritannien geht. Die britischen Unternehmen werden sich mit Sicherheit verstärkt auch innerhalb der Eurozone engagieren um etwaigen Problemen mit Handelsvereinbarungen von vorneherein aus dem Weg zu gehen. Auf lange Sicht wird man also die Probleme des Brexit an keinem Kurschart mehr ablesen können. Aber kurzfristig werden wir Anleger noch einige Zeit unseren „Spaß“ mit dem EU-Austritt Großbritanniens haben.
In diesem Sinne,
weiterhin viel Erfolg bei der Geldanlage
Ihre dieboersenblogger.de-Gründer
Christoph A. Scherbaum & Marc O. Schmidt
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