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Der Skandal als Chance (VW, FACC)? (Daniel Koinegg)

Bild: © finanzmarktfoto.at/Martina Draper, FACC

22.01.2016, 7047 Zeichen

Kann ein Skandal eine Investmentchance für Value Investoren bieten? Heute möchte ich zu diesem Themenkomplex einige Gedanken niederschreiben. Warren Buffett dient vielen auch hier als Vorbild. Einen nicht unwesentlichen Teil seines Vermögens hat er dadurch verdient, dass er Aktien von Unternehmen gekauft hat, die sich augenscheinlich in sehr großen Turbulenzen befanden. Eines der bekanntesten Beispiele ist sein Einstieg bei American Express, während dieser Konzern vom sogenannten „Salatöl-Skandal“ gebeutelt wurde. Buffetts Engagement in der Washington Post nahm zu Zeiten des Watergate-Skandals seinen Anfang. Beide Investments haben sich im Nachhinein als gewaltige Renditebringer für das Orakel aus Omaha erwiesen und müssen nicht zuletzt deshalb auch heute noch oft als Blaupause herhalten, wenn jemand in einem x-beliebigen skandalgebeutelten Unternehmen eine Einstiegsgelegenheit erkennt.

Das faszinierend einfach scheinende Credo lautet also, dass man lediglich Aktien von einem großartigen Unternehmen kaufen müsse, während es sich in temporären, überwindbaren Schwierigkeiten befindet, die den Preis nach unten drücken. Das einzig Schwierige sei – wie generell beim Value Investing – nur die Zähmung des eigenen Temperaments, die Beherrschung der eigenen Emotionen. Immer wieder liest man auch in Blogs und Büchern über Value Investing über smarte Einstiege in solche Unternehmen. An dieser Stelle muss meines Erachtens jemand rufen, dass der Kaiser keine Kleider trägt, und zwar gleich in zweierlei Hinsicht. Einfach formuliert handelt es sich hier um eine Gleichung mit zwei Unbekannten. Einerseits muss es sich um überwindbare Schwierigkeiten handeln und andererseits muss es ein großartiges Unternehmen im Buffett`schen Sinn betreffen.

Das Problem mit dem Skandal

Nehmen wir zwei aktuelle Vorfälle als Beispiele, nämlich einerseits den Abgasskandal von VW und andererseits die bemerkenswerten Vorfälle rund um den österreichischen Flugzeugbauzulieferer FACC. Für jene Leser, die nicht mit den Vorgängen dort vertraut sind, gebe ich zuerst eine kurze Zusammenfassung. Am 19.1.2016 kam zunächst eine ad-hoc-Meldung, das Unternehmen sei Opfer von „cyberkriminellen Aktivitäten“ geworden und der Schaden könne bis zu 50 Mio. Euro betragen. Später konkretisierte man die Sachlage dahingehend, dass das Ganze kein Hackerangriff im eigentlichen Sinne zu sein scheint, sondern dass einfach die genannte Geldsumme aus der Finanzbuchhaltung der Gesellschaft verschwunden sei.

Kann ein Investment in Unternehmen wie VW oder FACC ein Value Investment sein? Was ist überhaupt ein Value Investment? Grob gesagt ist das der Kauf eines Unternehmens, dessen derzeitiger Aktienkurs deutlich unter dem inneren Wert liegt, wobei dieser innere Wert durch Unternehmensbewertung zu ermitteln ist. Der innere Wert ist einerseits der Reproduktions- oder der Liquidationswert aller materiellen und immateriellen Vermögenswerte der Gesellschaft abzüglich aller Schulden und andererseits der Barwert der in Zukunft durch das Unternehmen erwirtschafteten Zahlungsmittelüberschüsse. Nun sollte sich der geschätzte Leser die Frage stellen, ob man angesichts der momentanen Sachlage eine solche Bewertung vornehmen kann. Man muss bei VW zumindest grob abschätzen können, wie sich die schlechten Nachrichten rund um die Marke auf deren Absatzzahlen auswirken wird. Man muss Annahmen darüber treffen, welche Straf- und Schadenersatzzahlungen auf das Unternehmen zukommen könnten. Dazu ist wenigstens ein grober Einblick in verschiedene Rechtssysteme notwendig. Bei potenziell zu hohen Zahlungsverpflichtungen ist im konkreten Fall auch eine lokale Insolvenz einer Tochter keine Option, weil man erstens die konkrete Konzernhaftungssituation nicht kennt und zweitens das Ganze ein weltweites Problem ist. Bei FACC müsste man – um überhaupt die Existenzfähigkeit der Gesellschaft sinnvoll beurteilen zu können – die covenants in den Kreditverträgen kennen. Da dem Unternehmen anscheinend der Großteil seiner Liquidität abhanden gekommen ist, könnte es durchaus sein, dass Kreditlinien vorzeitig fällig gestellt werden. Dann gehört der Konzern ruck zuck den Kreditgebern und nicht mehr den Aktionären. Ob und wie wahrscheinlich das passiert, lässt sich aber für den Außenstehenden nicht sagen. Rational betrachtet kann also ohne Insiderinformation ein Unternehmen in einer solchen prekären Lage nicht bewertet werden. Vom Totalausfall bis zur völligen Erholung ist alles möglich und keines der Szenarien kann auch nur irgendwie mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit versehen werden. Daraus folgt, dass der Kauf solcher Unternehmen in der allgemeinen Panik bei Bekanntwerden des Skandals kein Value Investment im technischen Sinn sein kann, sondern nur eine Spekulation darauf, dass alles wieder gut wird. Außerdem folgt daraus, dass die eine Variable der Gleichung, nämlich die Überwindbarkeit der Turbulenzen, nicht bestimmbar ist.

Das Problem mit Buffett im Allgemeinen

Die Frage nach der zweiten Variable, nämlich nach der Großartigkeit eines Unternehmens, möchte ich stellvertretend für das allgemeine Problem behandeln, das ich mit dem Buffett`schen Investmentansatz habe. Ein großartiges Unternehmen laut Warren Buffett ist eines, das aufgrund eines dauerhaften Wettbewerbsvorteils in der Lage ist, deutlich mehr als seine Kapitalkosten zu verdienen. Bei den beiden oben genannten Beispielen ist für mich die Antwort relativ klar: beide sind Zykliker in sehr wettbewerbs- und kapitalintensiven Branchen, mit Margen und Rentabilitätskennzahlen, die einen keinesfalls vom Hocker reißen. Es sind Unternehmen, die man auch ohne Skandal nicht haben muss. FACC verdient eigentlich überhaupt nichts, von daher gilt das hier noch mehr. Es lässt sich zwar leicht sagen, wann ein Unternehmen definitiv nicht großartig ist, aber das bedeutet nicht, dass man in einem Umkehrschluss automatisch davon ausgehen kann, dass die Unternehmen, die nicht sofort wie VW oder FACC von der Liste zu streichen sind, schon alleine deshalb über großartige Merkmale verfügen. Die Dauerhaftigkeit eines Wettbewerbsvorteiles ist irrsinnig schwer zu bestimmen. Die Kompetenz und die Interessenslage des Managements ebenfalls. Kurzum: „Value Investing is simple, but not easy.“ Das gilt nicht nur im Hinblick auf die psychologische Seite, sondern ganz besonders auch bezogen auf das notwendige Fachwissen.

Warren Buffett hat eine unglaubliche Begabung in zweierlei Hinsicht. Erstens ist er ein Mensch mit einer unglaublichen Auffassungsgabe. Zweitens kann er komplexe Dinge einfach erklären. In Bezug auf die zweite Begabung frage ich mich allerdings immer mehr, ob er der Investorengemeinschaft dadurch nicht unfreiwillig einen Bärendienst erweist. Ein Sachverhalt wird dadurch nicht einfacher, nur weil Buffett ihn in einer Erklärung auf die wesentlichsten Dinge reduziert. Es ist nämlich zweifellos ein Trugschluss, dass man eine Sache wie Warren Buffett verstehen könne, nur weil man Warren Buffetts Erklärung dieser Sache folgen kann.

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    Das faszinierend einfach scheinende Credo lautet also, dass man lediglich Aktien von einem großartigen Unternehmen kaufen müsse, während es sich in temporären, überwindbaren Schwierigkeiten befindet, die den Preis nach unten drücken. Das einzig Schwierige sei – wie generell beim Value Investing – nur die Zähmung des eigenen Temperaments, die Beherrschung der eigenen Emotionen. Immer wieder liest man auch in Blogs und Büchern über Value Investing über smarte Einstiege in solche Unternehmen. An dieser Stelle muss meines Erachtens jemand rufen, dass der Kaiser keine Kleider trägt, und zwar gleich in zweierlei Hinsicht. Einfach formuliert handelt es sich hier um eine Gleichung mit zwei Unbekannten. Einerseits muss es sich um überwindbare Schwierigkeiten handeln und andererseits muss es ein großartiges Unternehmen im Buffett`schen Sinn betreffen.

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    Nehmen wir zwei aktuelle Vorfälle als Beispiele, nämlich einerseits den Abgasskandal von VW und andererseits die bemerkenswerten Vorfälle rund um den österreichischen Flugzeugbauzulieferer FACC. Für jene Leser, die nicht mit den Vorgängen dort vertraut sind, gebe ich zuerst eine kurze Zusammenfassung. Am 19.1.2016 kam zunächst eine ad-hoc-Meldung, das Unternehmen sei Opfer von „cyberkriminellen Aktivitäten“ geworden und der Schaden könne bis zu 50 Mio. Euro betragen. Später konkretisierte man die Sachlage dahingehend, dass das Ganze kein Hackerangriff im eigentlichen Sinne zu sein scheint, sondern dass einfach die genannte Geldsumme aus der Finanzbuchhaltung der Gesellschaft verschwunden sei.

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