15.11.2015, 5257 Zeichen
Ich muss gestehen, mir ist ein wenig bang. Damit Sie mich nicht missverstehen – ich zittere nicht etwa vor Angst, nein, soweit ist es glücklicherweise noch nicht, aber es hat mich so ein ungutes Gefühl beschlichen, eine Art dunkle Ahnung, dass in diesem unseren schönen deutschen Land demnächst die Lichter ausgehen könnten. Und das liegt beileibe nicht nur daran, dass mit Helmut Schmidt einer der hierzulande äußerst rar gesäten „Elder Statesmen“ von uns gegangen ist, die Regierungskoalition keine klare Linie findet, der DFB seit Wochenbeginn führungslos durch seinen Sommermärchen-Korruptionsskandal schlingert und die Lichtgestalt Beckenbauer dabei zunehmend an Strahlkraft einbüßt. Nein, meine Befürchtungen sind konkreter, denn was ist nur mit unseren Energieversorgern los? Mit einem in der langen Unternehmensgeschichte noch nie dagewesenen Rekordverlust von knapp 5,7 Milliarden Euro für die ersten drei Quartale 2015 reihte sich E.ON nach der Deutschen Bank und VW in die Riege der Lucky Loser ein, die in diesem Herbst zwar heftige Niederschläge einstecken müssen, aber irgendwie dennoch weiter in der Liga der DAX-Schwergewichte mitspielen dürfen. E.ON zumindest hat, trotz der gigantischen Abschreibungen von über 8 Milliarden Euro aufgrund der deutlich gesunkenen Energie- und Rohstoffpreise – Stichwort Strompreisverfall, für das Jahr 2016 noch Hoffnung: Die Aufspaltung von Deutschlands größtem Energiekonzern in zwei Hälften – die neue Gesellschaft Uniper soll ab Januar das konventionelle Kohle- und Gasgeschäft übernehmen, während E.ON selbst für die Vermarktung erneuerbarer Energien verantwortlich zeichnen wird – soll den drohenden Kurzschluss verhindern. An der Börse standen die Kurse deshalb in dieser Woche jedenfalls ordentlich unter Strom:
Verdunklungsgefahr
Zusammen mit dem Mitbewerber RWE bildet E.ON das Schlusslicht auf Wochensicht im DAX und miserabel fällt auch die bisherige Jahresbilanz aus, wie Sie hier in der Prime Quants Kursliste sehen können. Da hat sich zwar noch VW mit -43,4 Prozent zwischen die beiden Versorger gemogelt, aber für die wird es mit -58,1 Prozent (RWE) bzw. -31,9 Prozent (E.ON) ganz schwer werden mit dem Klassenerhalt! Zudem besteht bei RWE aktuell auch noch akute Verdunklungsgefahr: Dem zweitgrößten Energiekonzern Deutschlands steht das Reaktorwasser nämlich mindestens genauso bis zum Hals wie dem Konkurrenten E.ON, allerdings hinken die Essener den Düsseldorfern (ganz gegen ihren eigenen Werbeslogan) deutlich hinterher: Nicht nur, dass die Quartalszahlen einen Tag später veröffentlicht werden, auch in Sachen Neuausrichtung in Form einer Aufspaltung muss RWE noch nacharbeiten, weshalb die aktuell vorgelegten Zahlen, vom Unternehmen selbst mit dem Prädikat „unter Vorbehalt“ versehen, möglicherweise noch nicht das ganze Ausmaß der Verluste wiedergeben. Doch wo Schatten ist, ist auch viel Licht, weshalb wir jetzt zu den Gewinnern dieser Handelswoche kommen. Der Top-Performer und damit unser Market Mover ist, wer hätte es vor Wochenfrist gedacht, Henkel! Die präsentierten am Mittwoch nämlich ebenfalls ihre neuesten Ergebnisse, und siehe da: Nachdem die Erwartungen der Analysten übertroffen werden konnten, legte die Aktie zwischenzeitlich ganze 8 Prozent zu und setzte sich an die Spitze des gesamten Index. Für den ging es dadurch endlich wieder einmal aufwärts:
Elektrisiert
11.000 Punkte? Kein Problem! Zumindest zur Wochenmitte sah es für einen Moment so aus, als ob dem DAX der Sprung über diese markante Marke doch noch gelingen würde. 10.994,50 Zähler standen am Mittwoch als Tageshoch auf der Anzeigetafel, bevor jemand (an der Wall Street vermutlich) den Schalter umlegte und die Kurse nach unten abdrehten. Tags darauf ging es dann mit einem Verlust von 1,15 Prozent noch einmal eine Etage tiefer, und auch heute dominieren eindeutig die roten Vorzeichen. Was derzeit fehlt, ist der letzte Punch, um den DAX wieder in Richtung Ziellinie, sprich die 11.000-Punkte-Marke zu tragen. Was es dafür braucht, ist ein Impuls, der die Notierungen dergestalt elektrisieren würde, um ausreichend Power für einen neuerlichen Rallyeschub aufzubringen. Nur – woher soll der kommen? Die EZB als einzigen Generator zu betrachten, davor warnte zuletzt selbst Ratsmitglied Benoit Coeure in einem Interview. Sein Chef hingegen beteuerte am Donnerstag ein weiteres Mal, für die nötige Energie schon zu sorgen – zur Not wird da seit Neuestem schon mal die Kerninflation (= Inflationsrate bereinigt um die schwankungsintensiven Preise für Rohstoffe und Lebensmittel) als Maßstab für die geldpolitischen Entscheidungen zugrunde gelegt. Blöd nur, dass die besagte Entscheidung planmäßig erst im Dezember fallen wird, bleibt zu hoffen, dass spätestens dann der Funke überspringt!
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