19.05.2014, 3691 Zeichen
Märkte bestehen aus Regeln. Und Regeln werden von Menschen gemacht. Um Regeln zu machen, muss man Macht haben – Meinungsmacht, Einfluss oder nackte Gewalt. Wenn heutige Ökonomen über „die Märkte“ reden, die etwas „fordern“, ist das natürlich der größte Quatsch. Man muss sich schon die Struktur der Märkte anschauen, um wissen zu können, wie die entsprechenden Märkte ticken.
Die deutsche historische Schule der Ökonomie oder auch Soziologen wie Max Weber oder Werner Sombart waren da weiter. Heute versinkt meine Disziplin oftmals in einer reinen Marktscholastik. Der „Markt“ ist oftmals ein inhaltsleerer Begriff geworden.
Warum sind denn Google (WKN: A0B7FY), Amazon (WKN: 906866) und Microsoft (WKN: 870747) so groß geworden? Sicher nicht, weil in den USA bessere Unternehmer und Forscher sind als in Europa. Sondern, weil die USA einen großen, von den Streitkräften geschützten Heimatmarkt haben, in dem sich diese Unternehmen zunächst entwickeln und von dem aus sie dann ein Land nach dem anderen „erobern“ können.
Das klappt nicht immer. Vor ungefähr zehn Jahren versuchte Walmart (WKN: 860853) in Deutschland Fuß zu fassen und scheiterte kläglich. Aber es klappt immer öfter, da Europa diesem Ansturm immer weniger entgegensetzen kann.
Während wir uns in Deutschland große Mühen geben, die Vorstände unserer Unternehmen international zu besetzen, setzen amerikanische Unternehmen oft viel stärker auf ein nationales Netzwerk.
Wenn also der amerikanische Heimatmarkt, das amerikanische Militär und auch die NSA hinter Google & Co. stehen, dann ist das schon ein Faktor, den man bei seinen Investmententscheidungen beachten sollte. Im Gegenzug ist es auch ein Faktor, wenn man weiß, dass amerikanische Industriepolitik direkt oder indirekt General Electric (WKN: 851144) gegenüber Siemens (WKN: 723610) und Boeing (WKN: 850471) gegenüber Airbus (WKN: 938914) hilft. Man kann in alle genannten Unternehmen zum jeweils richtigen Preis investieren, aber man sollte sich dem Faktor „Macht“ bewusst sein.
Wenn man weiß, dass einige der bekanntesten Notenbanker und Finanzpolitiker Europas, wie Mario Draghi, aus dem Stall von Goldman Sachs kommen, dann ist das immer noch keine Verschwörung. Aber man weiß, dass diese Politiker ähnlich sozialisiert sind und zumindest einen kurzen Draht zueinander haben. Daraus lässt sich schon ein gewisser Einflussableiten.
Noch vor einigen Jahren sind die europäischen Kartellbehörden zumindest in einem Fall sehr rigoros gegen Microsoft vorgegangen. Mittlerweile hat man lange nichts mehr aus Brüssel gehört, oder vor allem Interventionen, die sich gegen europäische Unternehmen richteten. Die völlig falsche Regulierung der europäischen Banken ist zum Beispiel so ein Fall. Ein Vorstand einer kleinen Bank erzählte mir von einem Gespräch mit einem EU-Kommissar, der sich vor etlichen Jahren in wöchentlichen oder monatlichen Telefonaten mit amerikanischen Politikern und Lobbyisten Tipps geben ließ, wie Europa zu modernisieren und zu reformieren sei.
Früher war es die Aufgabe der Sozialwissenschaften, Machtstrukturen kritisch zu analysieren. Zunehmend gerät diese Aufgabe in Vergessenheit.
Als Investoren müssen wir dies aber auch tun, um zu wissen, wie verschiedene Märkte ticken. Es macht eben einen Unterschied, ob gewisse Unternehmen dauerhaften Rückenwind oder dauerhaften Gegenwind haben. Beides können legitime Investments sein. Aber man muss sie sehr unterschiedlich bewerten.
Auf gute Investments,
Ihr
Prof. Dr. Max Otte
Anm.: Max-Otte-Audiofiles (je ca. 30 Min.) auf der Finanz Literacy Laufapp "Runplugged", siehe http://runplugged.com/spreadit .
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