boersenradio.at: Ihre Aktie hatte sich seit Jahresbeginn verdoppelt. Wie sehen Sie jetzt den Kursrutsch? Seit Ihrem Mehrjahreshoch von 22,50 Euro Anfang Oktober ist die Aktie jetzt deutlich gefallen. Ist das eine völlig normale Entwicklung? Was hoch fällt muss eigentlich mal wieder nach unten kommen?
Lanthaler: Nein, das sehe ich nicht so. Und erstens muss man natürlich sagen, dass das für jeden langfristig orientierten Anleger natürlich keine angenehme Situation ist, plötzlich eine Volatilität in ihrer Aktie zu finden und auch Kursausschläge nach unten zu finden, die wir nicht gewohnt sind. Und zweitens, die in keiner Form durch unser operatives Geschäft derzeit gerechtfertigt sind und im Unterschied zu anderen Unternehmen haben wir ja nicht unsere Prognosen nach unten anpassen müssen, sondern Umsatzprognosen getätigt. Im Unterschied zu anderen Unternehmen haben wir nicht einen Zweifel aufkommen lassen, dass wir starke Oderbücher im Unternehmen haben. Und im Unterschied zu anderen Unternehmen haben wir keine wissenschaftlichen Rückschläge zu vermelden gehabt. Daher ist für uns diese Volatilität am Kapitalmarkt derzeit unerfreulich aber natürlich nicht unerklärbar, weil durch gewisse Taktiken von Shortsellern aus den USA natürlich hier Druck auf die Aktie gemacht worden ist.
Da will ich gleich nochmal einhaken: Es sind heute genügend Gerüchte und Meldungen am Markt unterwegs. Sind Shorties am Werk? Ist das wirklich so? Es geht um den Hedge-Fonds Lakewood Capital Management, der hatte ja im Oktober eigentlich Stimmung gegen Evotec gemacht und gesagt: Der faire Wert der Aktie läge deutlich unter zehn Euro. Wer ist denn Lakewood Capital Management? Haben Sie Kontakt zu diesem Hedge-Fonds?
Wer hinter der Robin-Hood-Conference und Lakewood Capital steckt, ist mir nicht bewusst und ich würde mich freuen, wenn die Vertreter von Unternehmen, die sich eine Meinung über ein Unternehmen wie Evotec bilden, sich intensiv mit so einem Unternehmen auseinandersetzten. Wir sind jederzeit dazu bereit, diese Auseinandersetzung zu führen und hier auch jedem Aktionär gleichartig Auskunft zu geben. Egal mit welcher Intention sich ein Aktionär sein Unternehmen anschaut, das ist sein faires Recht. Also wir haben aus heutiger Perspektive auf jeden Fall drei Feststellungen, die wir machen können. Erstens: Das unser operatives Business nicht mit der Volatilität am Kapitalmarkt zu tun hat, weil unser operatives Business ist im Gegenteil gar nicht volatil, sondern geht sehr schön und graduell operativ nach oben. Das Zweite: Wir haben, was unsere langfristige Perspektive anbelangt, auch keine irgendwelchen Änderungen im Geschäftsmodell oder Makro-Faktoren im Geschäftsmodell, die uns beunruhigen würden, so wie das von der Gerüchteküche in den Raum gestellt wird. Im Gegenteil: Hier sehen wir einen langfristigen Marktkonsens, der uns bestätigt, in dem was wir tun. Und das Dritte ist: Wir akzeptieren natürlich alle Maßnahmen und alle Aktivitäten von Aktionären, solange die im rechtlich sauberen Rahmen stattfinden und daher kann ich auch nicht kommentieren mit welcher Absicht Lakewood Capital hier einen fairen Wert in die eine oder andere Richtung ausruft. Was nur bezeichnend ist, ist, dass dieser faire Wert wirklich von einem Unternehmen, das sich nur ganz kurz oder kaum mit uns beschäftigt hat, so ganz woanders liegt als dort, wo das 20 oder 30 Analysten empfehlen, die sich intensiv und seit langer Zeit und über mehrere Jahre mit unserem Unternehmen beschäftigen. Und daher ist der frische Blick sicher ein Blick, der mit einer Intention gemacht worden ist, um einfach Verunsicherung in den Kapitalmarkt zu bringen, aber da würde ich sagen, dieses Gewitter wird vorbeigehen.
Gehen wir doch mal ins Detail zu Ihren Zahlen. Neun-Monats-Zahlen gab’s vor ein paar Tagen. Der Konzern Umsatz stieg um 42 Prozent. Bevor wir auf die Zahlen eingehen, lassen Sie uns vielleicht nochmal über Evotec generell sprechen für die Hörer, die Sie nicht genau kennen, was Sie genau tun. Wir haben ja schon viele Interviews gehört. Das können sie in der Börsenradio-Mediathek nachholen. Sie teilen ja Ihr Geschäft auch auf in Evotec Execute und Innovate. Vielleicht nur ganz kurz, was ist der Unterschied?
Bei Evotec Execute arbeiten wir an den Aufträgen, die auf der Intellectual Property, also auf dem intellektuellen Eigentum unserer Partner beruhen. Und bei Evotec Innovate investieren wir zuerst, um neue Intellectual Property zu schaffen, um die später mit unseren Partnern nach vorne zu bringen. Insgesamt ist das Unternehmen in der Wirkstoff-Forschung, die sich mit neuen Medikamenten in großen Indikationsgebieten beschäftigt, wo wir neue Ansatzpunkte für die ursächliche Bekämpfung von Krankheitsbildern schaffen und als strategisches Partnering-Modell unseren Kunden zu Verfügung stellen. Wir arbeiten heute mit 12 der Top-20 Pharma-Unternehmen, mit 165 Biotech-Unternehmen und mit 20 Foundations gemeinsam und das Unternehmen schreibt über 250 Millionen Umsatz in diesem Jahr und ist hochprofitabel.
Sie haben auch jetzt eine aktuelle Übernahme – Aptuit – für 300 Millionen Euro in bar. Wen haben Sie da übernommen, wie haben Sie es finanziert?
Wir haben Aptuit, das ist ein Unternehmen, das in Oxford und in Verona und in Basel seinen Footprint hat, übernommen mit genau einer Intention, nämlich die Wertschöpfungskette nach vorne, für unsere Partner noch deutlich sichtbarer und vor allem noch eindeutig schließbarer zu machen; weil heute ein Kunde, der mit uns im frühen Wirkstoffforschungs-Geschäft anfängt, durch die Akquisition von Aptuit auch alle Leistungen in das spätere Segment der Wertschöpfungskette übersetzen kann. Und damit ist es möglich, für unsere Pharma-, Biotech- und Foundationkunden tatsächlich einen sogenannten One-Stop-Shop zu schaffen, so dass man mit Evotec von Beginn an auf der Basis von variablen Kosten seine Produktideen nach vorne treibt. Das ist der Vorteil vom Produktnutzen für den externen Kunden. Und für den internen Kunden, also für Evotec Innovate - das Geschäft, in das wir selber investieren, hat die Akquisition von Aptuit einen Riesenvorteil gebracht, so dass wir auch spätere Stufen in der Wertschöpfungskette auf der eigenen Plattform und damit auch auf der Basis von variablen Kosten und vor allem noch schneller nach vorne bringen können, was uns vor allem den Zugang zu Meilensteinen innerhalb von Partnerschaften, die bereits geschlossen sind oder auch von Projekten, die wir in diese Partnering-Situation bringen wollen, noch besser erledigt.
Noch eine Zahl von den Neun-Monats-Zahlen. Das bereinigte Konzern-Ergebnis EBITDA stieg um fast 30 Prozent, gerundet 28 auf fast 40 Millionen Euro. Aufgrund der Kosten aus den Übernahmen sowie durch die Einstellung zahlreicher Mitarbeiter kletterten ja die Kosten um 30 Millionen Euro. Wieviel Personal haben Sie jetzt da neu eingestellt?
Also, ich glaube wir haben erstens ein leichtes Missverständnis ausgelöst. Viele Menschen haben geglaubt, dass die Akquisitionskosten, die im dritten Quartal ausgewiesen worden sind, jetzt permanent anfallen, aber das waren Einmal-Kosten von ungefähr vier Millionen, die bei einer Akquisition von 300 Millionen Dollar einfach üblich sind, wenn nicht sogar in dem Fall sehr günstig gewesen sind, weil typischerweise unter zwei Prozent eine Akquisition zu machen eher nicht die Norm darstellt. Aber da waren wir einfach sehr, sehr kostenbewusst und schlank aufgestellt. Wir haben in den SG&A-Kosten (Anmerkung: Seeling, General and Administration) natürlich durch die Hereinnahme von nicht nur Aptuit, sondern auch von Cyprotex, einem Unternehmen, das wir 2016 übernommen haben, einen größeren und breiteren Auftrag, den wir für unsere Kunden jetzt wahrnehmen können und gehen natürlich auch Administrationskosten mit einher. Und die werden in den jetzigen Kostenstrukturen sichtbar, aber da sind wir in keiner Form überrascht, sondern im Gegenteil, das waren immer geplante, aufgebaute, notwendige Administrations- und Prozesskosten für die Ausbausituation des Geschäfts. Und wir haben - die absolute Zahl zu nehmen – heute 2.100 wissenschaftliche Mitarbeiter im Unternehmen. Am Anfang des Jahres, also vor der Akquisition von Aptuit, waren das ungefähr 1.400 Mitarbeiter. Es gibt aber nicht nur den Anstieg der Mitarbeiteranzahl durch Akquisition, sondern auch durch unser operatives Geschäft, wo wir bereits dieses Jahr knapp 190 Mitarbeiter weltweit aufgenommen haben und ich kann Ihnen mit sehr, sehr viel Freude sagen, dass wir heute schon wissen, dass wir im Jahr 2018 sehr, sehr stark und aktiv rekrutieren werden, weil wir einen sehr guten Auftragseingang in unseren Büchern sehen und damit auch für 2018 extrem optimistisch sind, was die Rekrutierungssituation für unsere Mitarbeiter anbelangt. Einen Punkt auch noch dazu: Besonders erfreulich ist, dass unsere Rekrutierungssituation so gut ausschaut , dass wir einen Standort, nämlich den in Toulouse, wo wir ja Kapazität durch die gemeinsame Arbeit mit Sanofi geschaffen haben und dort können wir sehr gut expandieren, weil wir dort Platz haben. In Toulouse sind wir derzeit um 210 Mitarbeiter, die wir im Jahr 2015 übernommen haben, schon über 360 Mitarbeiter gewachsen und das ist hocherfreulich und da haben wir auch noch - Gott sei Dank – sehr viel Platz zu wachsen.
Wie sieht es denn mit Ihrer Zeit aus? Haben Sie noch Zeit für eine Frage? Ich erwische Sie ja so zufällig, also schnell mal auf’m Handy.
Naja, passt schon (lacht). Ist schon alles gut.
Wie stark ist denn der Trend zum Outsourcing von Wirkstoffforschung durch Pharma-Konzerne? Wird das weiter anhalten?
Ich glaube, dass jeder gewinnt, wenn man von fixen Kosten auf variable Kosten in einem Innovationsprozess umschalten kann. Der Pharma-Partner, der Biotech-Partner und der Foundation-Partner, der mit uns arbeitet, gewinnt, weil er auf jeden Fall Zugang zur besten Technologie und praktischen Erfahrungen innerhalb von Evotec Zugang hat. Insbesondere junge Biotech-Unternehmen haben das gar nicht. Das heißt, da ist der Gewinn jetzt nicht so in Form von geringeren oder variableren Kosten vorhanden, sondern vor allem auch in Form von verbesserter Qualität der Fall. Für Foundations, die heute ungefähr 20 Prozent unseres Geschäftsbereiches darstellen, ist der Zugang zu variablen, hochqualifizierten Infrastrukturen ein wunderbarer Weg, um tatsächlich gegen die Krankheiten, die die Mission von Foundations darstellen, einen neuen Zugang insbesondere auch zu akademischen Experimenten zu finden. Und die könnten die Experimente ja gar nicht alleine machen, weil die gar keine Infrastrukturen haben. Und für Pharma werden wir immer stärker ein Teil der internen Prozesse, wo wir gemeinsam mit unseren Pharma-Partnern auf einer Art variablem System einen Korridor an Kapazität aufbauen, wo wir sagen, wenn wir gerade viele erfolgreiche Experimente haben, dann fahren wir diesen Korridor nach oben und wenn wir einfach auch mal Pech haben in der Wirkstoffforschung oder Sachen daneben gehen, was immer wieder bei uns in der Industrie sein kann, dann können wir das für unseren Pharma-Partner nach unten anpassen an Kapazität aber es entstehen keine Restrukturierungskosten bei unseren Pharma-Partnern und bei uns auch nicht, weil wir Kapazität einfach auf andere Partner überlagern können. Und damit entsteht tatsächlich für alle Player in diesem System ein großer Vorteil und dieser Megatrend in der Industrie steckt im Discovery-Bereich erst mit ungefähr 5 Prozent Outsourcing-Quote am Anfang. Wenn Sie sich das im Manufactoring-Bereich oder im klinischen Outsourcing-Bereich anschauen, mit über 30 beziehungsweise über 40 Prozent von Outsourcing-Tangenten, dann sehen Sie auch, dass hier noch ein langes Wachstum zu erwarten ist.
Im dritten Quartal gelang ja Evotec der Abschluss weiterer Wirkstoffforschungen und Allianzen unter anderem mit ABIWAX, Blackthorn Therapeutics, Dermira, STORM Therapeutics und Tesaro und es gab Erfolge in bestehenden Allianzen. Was ist denn noch bis zum Jahresende zu erwarten?
Also das Erste ist mal sehr schön, wenn Sie die Namen aufzählen, mit wem wir zusammenarbeiten, dass das tatsächlich die Biotech-Unternehmen und High-Growth-Unternehmen aus den USA sind, wo man auch sehr, sehr schöne, langfristige und gemeinsame Perspektiven entwickeln kann. Zum Beispiel Tesaro, in Europa kein so bekanntes Unternehmen noch, aber das ist tatsächlich ein High-Potential-Unternehmen, die gemeinsam mit Evotec ihre zukünftige Plattform aufbauen und wo man einfach langfristige Trends sehen kann, die wir gemeinsam bauen. Dahinter muss man auch noch sagen, dass das ganze auf dem sehr, sehr erfreulichen Erfolg von unseren Plattformen, nicht zuletzt - die wir gemeinsam mit den Unternehmen wie Bayer, mit Sanofi, mit Celgene und anderen Pharma-Unternehmen aufgebaut hatten - fußt, wo einfach ein sehr, sehr guter Plattform-Effizienz-Effekt mittlerweile entsteht, an dem auch Biotech-Unternehmen profitieren können. Und damit ist der Kunden-Mix wirklich sehr, sehr schön geworden jetzt auf der Plattform. Nach vorne gehen wir sowohl im Evotec Execute Business in den anhaltenden Trend von neuen Top-Qualitäts-Allianzen, die wir im Biotech-Bereich und im frühen Venture-Bereich und aus dem akademischen Bereich heraus schließen können. Und im Evotec Inno-Bereich sind wir sehr, sehr optimistisch, dass wir mit neuen Technologie-Investments, mit neuen Technologie-Partnerschaften, die wir geschlossen haben, zum Beispiel dem Feld von künstlicher Intelligenz für Chemistry tatsächlich Zukunftstechnologien eingeleitet, unterstützen und beschleunigen, wo wir einfach sehen, dass die Industrie gewaltige Fortschritte nach vorne machen wird und da sind wir ganz vorne dabei. Das sind auch Unternehmen, die sich heute an Evotec wenden, von denen man es früher nicht geglaubt hätte, und die tatsächlich mit uns gemeinsam ihre Projekte nach vorne bauen. Und da sind wir heute sehr aktiv am Diskutieren weitere Allianzen abzuschließen. Wir haben auch schon gesagt, dass wir uns sehr freuen über den Newsflow, der in den nächsten Wochen kommen wird aber besonders freuen tut uns halt immer der Newsflow, den halte ich noch für signifikant, wenn Projekte tatsächlich weiter in der Klinik nach vorne gehen, wenn es neue Projekte gibt, die wir in die Klinik übersetzen aus dem heute vorhandenen Portfolio und natürlich, wenn es Transaktionen gibt, wo wir existierende Execute Innovate Projekte in weitere Partnerschaften übersetzen. Und ich glaube, aus all den genannten Rohren, die wir aufgemacht haben, wird man in den nächsten Monaten viele Meldungen hören können und damit auch die langfristige Geschäftsentwicklung von Evotec weiterverfolgen können.
Herr Lanthaler, Danke für’s Update. Danke, dass Sie auch so spontan Zeit hatten.
Ich danke Ihnen. Alles Gute. Wiederschauen.
Hinweis: Audio unter http://www.wienerborse.at (barrierefrei, Österreich) bzw. http://www.boersenradio.at (Login, Komplett-Feed).
Gold & Co
Gold & Co. ist ein österreichisches Familienunternehmen und blickt auf eine über 130-jährige Familientradition in der Goldschmuckerzeugung und dem Handel von Gold- und Edelmetallen zurück. Gesellschafter und Geschäftsführer Walter Hell-Höflinger ist seit mehreren Jahrzehnten in der Edelmetall-Branche tätig und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Edelmetalle und Europäischer Gemmologe (FEEG).
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