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Finanzmarkt auf Sicht - Stress mit Konsumkrediten

20.08.2018, 4356 Zeichen

Unsere Finanzmarkthüter sind besorgt. Ausnahmsweise geht es diesmal aber nicht um den Anlegerschutz. Es sind die Konsumkredite, die Stress machen. Der Markt boomt, es gäbe Handlungsbedarf, meint die FMA und fordert mehr Kompetenzen in diesem Segment. Ähnlich wie bei Veranlagungsprodukten solle die Aufsicht das Wohlverhalten der Anbieter (Banken) überwachen dürfen. Konsumkredite würden aggressiv beworben und oft schnell und online abgeschlossen. Das Gesamtvolumen erreichte per Ende 2017 knapp 19 Mrd. Euro. Allein im Vorjahr waren 3,8 Mrd. Euro dazugekommen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass hierzulande die Überziehung auf dem Girokonto den größten Teil des Volumens ausmacht, nämlich rund 13 Milliarden. 

Schreckgespenst Regulierung. Ehe wir jetzt re­flexartig die Anti-Regulierungs-Keule auspacken, sollten wir genauer hinsehen. Kurz nach der Jahrtausendwende war die Aufsicht besorgt über die Entwicklung im Bereich Fremdwährungskredit mit Tilgungsträger, im Fachjargon oft FX/TT genannt. Die Finanzierungen, üblicherweise endfällig, wurden in japanischen Yen, später in Schweizer Franken eingeräumt, zurückgezahlt sollte aus einem gleichzeitig angesparten Veranlagungsprodukt werden. In vielen Fällen ein vorprogrammiertes Desaster, wie wir heute wissen: Jede ungünstige Änderung in den Währungsparitäten erhöhte die Kreditaushaftung dramatisch. Blieb dann noch die Performance des Tilgungsträgers hinter den Erwartungen zurück, konnten die Kredite oft nicht mehr bedient werden.

Da die Kredite auf den ersten Blick billig waren, kamen auch Konsumenten an Finanzierungen, die sich diese gar nicht leisten konnten. Subprime nennen das die Amis. Manche Kreditinstitute hatten einen erheblichen Teil ihrer Ausleihungen an Private in Fremdwährung, und zwar nicht etwa, weil sie von dem Produkt so überzeugt waren, sondern weil die Kunden das verlangten. Das Risiko ,vor allem bei kleineren Instituten „auf dem Land“, ließ damals so manchen Bankdirektor gar nicht gut schlafen. 

Es ist viel passiert seitdem. Zahlreiche Kreditnehmer haben teures Lehrgeld gezahlt. Aber die große Blase ist nicht wirklich geplatzt. Und dies verdanken wir nicht zuletzt unserer Aufsicht, die 2003 „Mindeststandards“ für diese Art der Finanzierung „erlassen“ hat. Es gelang, das unselige Modell zurückzudrängen. Banken waren angehalten, vor Vergabe eines Fremdwährungskredites eine vergleichbare Finanzierung im Euro darzustellen und für den Kunden zu dokumentieren, bzw. in einem Stresstest eine Verschiebung der Währungen zulasten des Kunden zu simulieren. So schieden schon mal die nicht kreditwürdigen Konsumenten als Kreditnehmer aus. Viele Institute waren damals froh darüber, dass ihnen die Aufsicht Argumente gegen den oft fatalen Kundenwunsch nach FX/TT lieferten. 

Wilde Überziehungen. Zurück ins Heute. Die Sorge der FMA ist berechtigt. Das Hauptproblem sind aber wohl nicht die klassischen Konsumentenkredite. Es sind die Kontoüberziehungen, und hier die sogenannten „wilden“ Überziehungen, also jene, die gar nicht vereinbart sind, sondern passieren, weil Strom und Gas, Gemeindeabgaben, Handy-Rechnungen und Ähnliches auf dem bereits überstrapazierten Konto belastet werden. Und häufig deshalb, weil die Abrechnung der Kreditkarte eintrudelt; mit den Buchungen aus den Online-Käufen. 

Ich glaube nicht, dass aggressiv beworbene Zinssätze der Banken (die sie ohnehin nur besten Bonitäten gewähren) die Nachfrage bei Konsumkrediten anheizen. Ich denke sogar, dass die Banken in diesem Bereich mehrheitlich verantwortungsvoll agieren. Der Kredithunger der Bevölkerung resultiert eher aus einem nie dagewesenen Konsumrausch. Jeder möchte alles und jedes haben, und das sofort. Es ist die aggressive Werbung, die uns „befiehlt“, dieses und jenes kaufen zu müssen. 

Wer sich des Problems der Konsumkredite annimmt, der muss vor allem dorthin schauen, wo „unkontrolliert“ Geld ausgegeben wird. Er muss die Online-Anbieter miteinbeziehen. Und er muss einiges an Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung verrichten. 

zum Autor

Gerald Dürrschmid war als Jurist jahrelang im Risikomanagement einer österreichischen Großbank tätig. Er ist heute selbständiger Unternehmensberater, außerdem gerichtlich beeideter Sachverständiger für Bank- und Börsenwesen.

Aus dem "Börse Social Magazine #18" - 1 Jahr, 12 Augaben, 77 Euro. Ca. 100 Seiten im Monat, ca. 1200 Seiten Print A4



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