05.11.2024, 7221 Zeichen
Düsseldorf (OTS) - Netzbetreiber in Deutschland laufen sehenden Auges
in einen
alarmierenden Zustand. Während einerseits regulatorische Hürden
bremsen und die nötige Finanzierung fehlt, sehen Verantwortliche noch
immer zu wenig Handlungsbedarf. Laut Experten der
Unternehmensberatung Kearney müssen schnellstmöglich unnötige
Blockaden gelöst und ein pragmatischer Ansatz gefunden werden.
Die Elektrifizierung bildet das Fundament einer nachhaltigen,
technologiegetriebenen Zukunft. Doch mit der Knappheit an kritischen
Komponenten, Rohstoffen und Arbeitskräften stehen die rund 800
Netzbetreiber in Deutschland sowie Kernzulieferer, Dienstleister und
Hersteller von elektrotechnischem Equipment wie Siemens oder AEG vor
der Herausforderung das Stromnetz für die steigende Nachfrage zu
rüsten und den nötigen Wandel anzustoßen. Googles jüngster
Umweltbericht zeigt, dass die Treibhausgasemissionen des Unternehmens
in den letzten fünf Jahren um 50 Prozent gestiegen sind,
hauptsächlich aufgrund der enormen Erweiterung von Rechenzentren, die
KI-Systeme unterstützen. Dies verdeutlicht zwei zentrale Trends: den
wachsenden globalen Energiebedarf und die Notwendigkeit, diese
Energie aus nachhaltigen Quellen zu beziehen. Beide haben
tiefgreifende Auswirkungen auf die Stromnetze. Denn moderne Netze
müssen erneuerbare Energiequellen effizient integrieren und eine
dezentrale Energieerzeugung bewältigen. Um diesen Wandel zu
ermöglichen, ist eine erhebliche Infrastrukturentwicklung
erforderlich, die jedoch von der Verfügbarkeit wichtiger Ressourcen
und der nötigen Finanzierung abhängt. Horst Dringenberg, Partner bei
Kearney: "Wir brauchen dringend mehr politisches Backing in diesem
Bereich. Die Finanzierungslogik geht einfach nicht auf - die
Verzinsung ist viel zu hoch, dabei wäre dies eine gute Stellschraube,
um die Lage zu verbessern." Laut dem Experten seien auch in wichtigen
Transitländern wie den Niederlanden die regulatorischen Anforderungen
nicht gut. "Ein Scheitern wird die Energiekosten erheblich erhöhen,
den Übergang zu nachhaltiger Energie verzögern und die Emissionsziele
gefährden - kurz gesagt, die fundamentalen Probleme, die hier
geschaffen werden, machen die Ökonomie Europas nicht
überlebensfähig", so Dringenberg.
Millionen Kilometer an Netzen benötigt
Die größte Herausforderung der Netzbetreiber und Hersteller ist
dabei die steigende Nachfrage nach Netzinfrastruktur und
Netzmodernisierung. Und das nicht ohne Grund: Im Jahr 2023 enthüllte
die IEA (Internationale Energieagentur), dass zur Erreichung der
nationalen Energie- und Klimaziele bis 2040 mehr als 80 Millionen
Kilometer neuer oder erneuerter Netze benötigt werden. In Europa, wo
etwa 40 Prozent der Verteilungsnetze mehr als 40 Jahre alt sind, ist
ein ohnehin massives Ausbauprogramm mit der Verabschiedung der
Erneuerbare-Energien-Richtlinie noch dringlicher geworden. Diese
wurde kürzlich überarbeitet, um das Ziel der EU-Mitgliedstaaten für
erneuerbare Energien bis 2030 auf mindestens 42,5 Prozent und bis
2050 auf 80 Prozent zu erhöhen. "Obwohl all das erhebliche
Auswirkungen auf die Stromversorgungskette hat, scheinen die
Verantwortlichen das Ausmaß des Problems noch nicht zu sehen", zeigt
sich Dringenberg besorgt.
Mangel in den USA noch akuter
Transformatoren etwa sind kritische Komponenten in der
Elektrizitätsversorgung und werden aufgrund umfangreicherer Netze und
Leitungen in immer größeren Mengen benötigt. Seit der COVID-Pandemie
sind die Preise und Lieferzeiten allerdings stark gestiegen, was vor
allem auf die Rohstoffkosten zurückzuführen ist. So haben sich die
Preise für Transformatoren zum Teil verdoppelt, und Lieferzeiten
können aktuell bis zu vier Jahre betragen - besonders bei großen
Hochspannungstransformatoren. In den USA ist der Mangel noch akuter:
Auch hier fordern jahrzehntealte Netze und eine enorme Nachfrage nach
Rechenzentren. Infolgedessen wurden in den USA bereits
Produktionskapazitäten aus Europa abgezogen und das Land wird
zunehmend offener gegenüber Japan und Korea als Lieferquellen.
Kupfer, als wesentliche Komponente in der Hardware von Stromnetzen,
ist ebenfalls entscheidend für die Netzinfrastruktur. Infolgedessen
ist auch die Nachfrage nach Kupfer in der Produktion von Hoch- und
Mittelspannungsschaltanlagen, Transformatoren, Kabeln und
Umspannwerken erheblich gestiegen - und wird die
Versorgungskapazitäten noch bis 2028 übersteigen. "Das Problem ist
nicht der Kupferbestand selbst, es gibt durchaus genug Kupfer auf der
Welt, allerdings können die Mienenkapazitäten nicht schnell genug
ausgebaut werden", so Dringenberg.
Fachkräftemangel bedroht Infrastrukturausbau
Knappheit an Ressourcen und Komponenten ist nicht der einzige
Grund für den Engpass in Europas Energieinfrastruktur: Auch
qualifiziertes Personal ist Mangelware. Während der derzeitige
Abschwung im Bausektor zu einem Überangebot an geringqualifizierten
Arbeitskräften geführt hat, steigt die Nachfrage nach Fachkräften mit
Expertise in der elektrischen Infrastruktur. Erfahrene
Bauprojektleiter, spezialisierte Aufsichtspersonen und qualifizierte
Hochspannungselektriker werden dringend gesucht, womit auch die
Lohnforderungen steigen. In Deutschland ist der Kostenindex für
Bauingenieursdienstleistungen seit 2020 um 36 Prozent gestiegen. Dies
liegt vor allem an den um 20 bis 50 Prozent gestiegenen Löhnen für
hochqualifizierte Arbeitskräfte. "Wenn dieses Problem nicht gelöst
wird, könnte dieser Mangel den Infrastrukturausbau bedrohen, die
Kosten in die Höhe treiben und die Energiepreise für Verbraucher
stark erhöhen", so Dringenberg.
Die Elektrifizierung zur Realität machen
Um die Herausforderungen bei der Elektrifizierung zu bewältigen,
können Netzbetreiber und Komponentenhersteller verschiedene Maßnahmen
ergreifen. "Langfristige Lieferantenbeziehungen und
Kaufverpflichtungen sind entscheidend, um Kapazitäten frühzeitig zu
sichern und Infrastrukturprogramme voranzutreiben", sagt Dringenberg.
Dabei könne auch die Übernahme von Lieferanten in Betracht gezogen
werden, allerdings sollte das Risiko eines Überangebots an
Kapazitäten nach dem Netzaufbau unbedingt bedacht werden.
Materialsubstitution und Standardisierung können helfen, den Druck
auf die Lieferketten zu mindern. Beispielsweise durch den Einsatz von
Aluminium anstelle von Kupfer. In Bezug auf Lieferzeiten helfen
standardisierte Spezifikationen dabei, Design, Fertigung und
Installation zu beschleunigen. Intelligentes Netzdesign wie
netzgebundene Energiespeicherung und Hochtemperaturkabel können zudem
den Ausbaubedarf reduzieren. Wobei der Einsatz von Speichern das
Potenzial hat, die Netzlänge um bis zu 30 Prozent zu verringern.
"Grundsätzlich ist vor allem eine kluge Ressourcenplanung notwendig,
um Nachfragegipfel zu verhindern, indem die Projekte priorisiert
werden, die den größten Einfluss auf die Netzkapazität haben", so
Dringenberg abschließend.
Über Kearney
Kearney ist eine der führenden globalen Unternehmensberatungen.
Seit nahezu 100 Jahren vertrauen uns Führungsetagen,
Regierungsstellen und gemeinnützige Organisationen. Das
Erfolgsrezept, um unseren Klienten zum Durchbruch zu verhelfen?
Unsere Mitarbeiter:innen mit ihren individuellen Interessen und
Stärken. Und unser Antrieb große Ideen nicht nur zu Papier zu
bringen, sondern auch umzusetzen.
www.de.kearney.com
Börsepeople im Podcast S16/08: Rolf Majcen
Aktien auf dem Radar:Pierer Mobility, Porr, Kapsch TrafficCom, Immofinanz, CA Immo, Flughafen Wien, Erste Group, Wienerberger, Bawag, Uniqa, RBI, Wolford, UBM, Austriacard Holdings AG, Kostad, Linz Textil Holding, Marinomed Biotech, Agrana, Amag, EVN, OMV, Palfinger, Österreichische Post, Telekom Austria, VIG, UnitedHealth, Siemens, adidas, Zalando, Infineon, Henkel.
Vienna International Airport
Die Flughafen Wien AG positioniert sich durch die geografische Lage im Zentrum Europas als eine der wichtigsten Drehscheiben zu den florierenden Destinationen Mittel- und Osteuropas. Der Flughafen Wien war 2016 Ausgangs- oder Endpunkt für über 23 Millionen Passagiere.
>> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner
Mehr aktuelle OTS-Meldungen HIER