29.09.2022,
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Wien (OTS) - 2017 verabschiedete die EU die
Konfliktminerale-Verordnung (EU 2017/821). Sie verpflichtet
Unternehmen, die eine bestimmte Mindestmenge an Tantal, Wolfram, Zinn
oder Gold in die EU importieren, zur Berichtslegung. In den Berichten
ist nachzuweisen, wie die Unternehmen dafür sorgen, durch ihre
Rohstoffeinkäufe nicht zu Gewalt und Menschenrechtsverletzungen in
Konfliktregionen beizutragen. Nach einer dreieinhalbjährigen
Übergangszeit mussten die Unternehmen – darunter auch 15
österreichische – 2021 erstmals diese Sorgfaltspflichten umsetzen und
bis Ende März 2022 Berichte über die gesetzten Schritte vorlegen.
Die Österreichische Forschungsstiftung für Internationale
Entwicklung (ÖFSE) hat diese Berichte im Auftrag der Dreikönigsaktion
der Katholischen Jungschar analysiert und Interviews mit
Vertreter*innen von unter die Verordnung fallenden Unternehmen und
der zuständigen Behörde im Finanzministerium geführt.
Die Analyse zeigt ein gemischtes Bild: Die Wolfram Bergbau und
Hütten AG (WBH) kann als Vorreiterin gelten. Der Bericht des
Unternehmens fiel sehr ausführlich aus und schildert u.a. auch den
Umgang mit etwaig festgestellten Unregelmäßigkeiten in der
Lieferkette. Eine Zusammenfassung der Berichte über externe Prüfungen
(Audits) ist online verfügbar. Als einziges der interviewten
Unternehmen wusste WBH genau über den Ursprung der von ihr
importierten Rohstoffe Bescheid und inspiziert Minen auch vor Ort.
WBH ist der einzige Verhüttungsbetrieb in Österreich, der
„Konfliktminerale“ verarbeitet und baut in seiner Berichtslegung auf
ein solides, mehrjähriges freiwilliges Engagement auf.
Weitere Unternehmen haben Berichte veröffentlicht, die den
Vorgaben der Verordnung zwar entsprechen, sie sind allerdings viel
weniger ausführlich. Die Unternehmen Plansee SE, Treibacher Industrie
AG und Tribotecc GmbH haben zusätzlich die zusammenfassenden
Auditberichte online verfügbar gemacht. Alle anderen Unternehmen
führen an, dass alle Zulieferfirmen über Audits verfügen.
Zwei Unternehmen – CRONUS Industrial Solutions GmbH und IMR metal
powder technologies GmbH – haben auf ihren Websites zwar Berichte
veröffentlicht, nach einem Abgleich mit den Anforderungen der
EU-Verordnung erscheint fraglich, ob die Behörde diese als
ausreichend werten kann. Es wird z.B. nicht erwähnt, ob
Lieferant*innen über Audits verfügen oder wie Sorgfaltspflichten im
Managementsystem umgesetzt werden.
Als säumig müssen die drei Unternehmen Boehlerit GmbH, Swarovski
AG sowie voestalpine BÖHLER Edelstahl GmbH bezeichnet werden. Sie
haben bis dato noch keine Berichte veröffentlicht.
Die Studie der ÖFSE zeigt aber auch, dass die EU-Kommission
deutlich im Verzug ist. Anders als in der Verordnung vorgesehen, hat
sie bislang noch keine Branchen-Standards und entsprechende
Kontrollsysteme anerkannt, die Unternehmen bei der Erfüllung ihrer
Sorgfaltspflichten unterstützen könnten. Von besonderer Relevanz sind
für einige österreichische Unternehmen die Responsible Minerals
Initiative (RMI) bzw. die für Gold bedeutenden Standards der London
Bullion Market Association (LBMA). Die Nicht-Anerkennung erzeugt in
der Branche große Unsicherheit. Festzuhalten ist jedoch, dass die
EU-Verordnung vorsieht, dass solche Standards nur eine Unterstützung
darstellen, Unternehmen aber ihre Verantwortung nicht auslagern oder
delegieren können.
Die Studienautorin Karin Küblböck (ÖFSE) fordert klare
Qualitätskriterien für Auditor*innen seitens der EU-Kommission: „Ein
wesentlicher Teil der Umsetzung der Sorgfaltspflichten sind
qualitativ hochwertige Audits der Unternehmen bzw. ihrer
Lieferant*innen. Auditor*innen müssen deswegen umfassende Kompetenzen
– auch in den Bereichen Menschenrechte und Konfliktursachen –
aufweisen. Ohne klare Vorgaben von Seiten der EU und der nationalen
Behörden besteht die Gefahr, dass ein neues lukratives Geschäftsfeld
für Auditfirmen entsteht und bestehende Beschaffungspraktiken
legitimiert werden, ohne die Situation der Bevölkerung in den
Herkunftsländern der Rohstoffe zu verbessern.“
„In den sehr technisch-bürokratischen Vorgängen, die mit der
Umsetzung der Konfliktminerale-Verordnung zu tun haben, darf eines
nicht vergessen werden: Es geht um die Verhinderung von menschlichem
Leid! Menschen werden tagtäglich bedroht, versklavt und verletzt“,
erinnert Herbert Wasserbauer, Rohstoffe-Referent der
Dreikönigsaktion. „Die Übergangsfrist war sehr großzügig bemessen.
Umso dramatischer ist es, dass einige österreichische Unternehmen
noch immer keine Berichte veröffentlicht haben. In der für nächstes
Jahr auf europäischer Ebene anstehenden Überprüfung der Verordnung
sollte darum auch über bislang fehlende Sanktionen verhandelt werden,
damit der Druck auf Minimalist*innen und Verweiger*innen erhöht
wird“, so Wasserbauer abschließend.
Zwtl.: Hintergrund:
Im Jahr 2017 wurde auf EU-Ebene nach zähen und langwierigen
Verhandlungen eine Verordnung zu sogenannten Konfliktmineralen
verabschiedet. Diese soll es bewaffneten Gruppen in Konfliktregionen
erschweren, sich aus dem Abbau und Handel mit bestimmten Rohstoffen
zu finanzieren und damit verbundene Menschenrechtsverletzungen
verhindern helfen. Importeur*innen von Tantal, Wolfram, Zinn und Gold
wurden Sorgfaltspflichten auferlegt, wenn sie bestimmte
Mengenschwellen überschreiten. Seit dem 1. Januar 2021 sind die
entsprechenden Bestimmungen in Kraft und die betroffenen Unternehmen
müssen dafür sorgen, dass sie durch ihre Rohstoffeinkäufe nicht zu
Konflikten und Menschenrechtsverletzungen beitragen und über ihre
Bemühungen auch öffentlich berichten. In Österreich wurde mit einer
Novelle des Mineralrohstoffgesetzes eine nationale Behörde
geschaffen, welche die Umsetzung der Verordnung in Österreich
kontrolliert. Diese war bis Juni 2022 im Bundesministerium für
Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) angesiedelt, seither
im Bundesministerium für Finanzen (BMF). Eine im europäischen
Vergleich mustergültige Transparenzbestimmung befugt die Behörde, die
Liste von österreichischen Firmen, die im Vorjahr Tantal, Wolfram,
Zinn oder Gold über einem bestimmten Grenzwert importierten, im
Internet zu veröffentlichen. Entsprechend dieser Liste waren per
31.3.2022 fünfzehn Unternehmen verpflichtet, ihre Berichte zu
veröffentlichen und an die Behörde abzuliefern.
Die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar ist Mitglied der
ARBEITSGEMEINSCHAFT ROHSTOFFE ([www.ag-rohstoffe.at]
(
http://www.ag-rohstoffe.at/)), einem Bündnis österreichischer NGOs,
das es sich zum Ziel gesetzt hat, negative Auswirkungen des Abbaus
mineralischer Rohstoffe etwa für IT- und Hochtechnologie-Produkte
durch deren Herstellung, Nutzung und Entsorgung zu verringern sowie
gleichzeitig positive Ansätze eines nachhaltigeren Umgangs mit diesen
Materialien politisch und gesellschaftlich voranzutreiben. Konkret
heißt dies, nationale, europäische und internationale Rohstoffpolitik
mitzugestalten und zu einem bewussteren gesellschaftlichen Umgang mit
mineralischen Rohstoffen beizutragen. Die ARBEITSGEMEINSCHAFT
ROHSTOFFE besteht aus der Dreikönigsaktion der Katholischen
Jungschar, Finance & Trade Watch, Global 2000, Jane Goodall Institut
– Austria, RepaNet, Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe), Südwind
und weltumspannend arbeiten.
[Volltext der ÖFSE Analyse] (
https://www.ots.at/redirect/oefse)\n[EU-Konfliktminerale-Verordnung]
(
https://www.ots.at/redirect/eur-lex3)\n[Info-Seite der Behörde im BMF]
(
https://www.ots.at/redirect/bmf7)\n[Bericht zur Umsetzung der EU-Konfliktminerale-Verordnung in den EU-Mitgliedstaaten] (
https://www.ots.at/redirect/eurac)\n
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