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PZV: Der Bausparer der Versicherungsbranche, Interview mit Manfred Bartalszky, Vorstand Wiener Städtische

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Die Ausgangssituation

Blicken wir aus unserer Aktienbubble mal auf das Bigger Picture und die Konstellation könnte nicht heißer sein. Kanzler Karl Nehammer bringt die Gewinnabschöpfung bei börsenotierten Krisengewinnern mit Staatsbeteiligung ins Spiel, der Markt reagiert sofort und heftig, die Investoren befürchten also anscheinend wirklich massive Eingriffe durch die österreichische Politik. Gerade deshalb wäre jetzt, so fordert auch Aktienforum-Mann Ottel, ein positives Signal durch die Umsetzung des Regierungsprogramms umso wichtiger. Und darin ist u.a. die Wiedereinführung einer Behaltefrist für die KESt-Befreiung von Kursgewinnen bei Wertpapieren und Fonds festgeschrieben, derzeit gibt es ja mit der Ökologischen Steuerreform sogar eine Schlechterstellung gegenüber Kryptos. Doch auch die Versicherer werfen wichtige Punkte ein: Denn würde man nur bei der KESt ansetzen, käme es zu einer Bevorzugung kürzerer Veranlagungsformen ohne Verrentung. Und gerade Letztere ist essentiell. Denn: Die Lebensversicherung ist das einzige Instrument am Finanzmarkt, das tatsächlich bis zum Lebensende Leistungen zahlt. Und das garantiert. Ich meine: Gerade in Zeiten wie diesen gehört die von vielen vergessene staatlich geförderte (also: prämienbegünstigte) Zukunftsvorsorge, kurz PZV, wieder vor den Vorhang. Manfred Bartalszky, Stv. Vorsitzender im Versicherungsverband und Vorstand Leben bei der VIG-Tochter Wiener Städtische, nennt die PZV den „Bausparer der Versicherungsbranche“. Wir fassen die Ausgangssituation zusammen und haben natürlich zahlreiche Fragen an Bartalszky, der uns spontan in den Ringturm geladen hat.

Herr Bartalszky, es ist mir eigentlich fast peinlich, dass ich nicht wusste, dass es die PZV; die Prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge, überhaupt noch gibt …

Manfred Bartalszky: Gibt es und wir als Wiener Städtische bieten das Produkt nach wie vor an, es ist für mich der „Bausparer der Vorsorge“.

Dann bitte ich darum, dass Sie uns kurz noch einmal in Erinnerung rufen, wie dieser Bausparer der Vorsorge funktioniert …

Ich sehe die PZV schlicht und ergreifend als Basisprodukt jeder privaten Altersvorsorge. Es gibt in Österreich kein anderes Produkt mit vergleichbaren steuerlichen Vorteilen und einer Förderung: Keine Versicherungssteuer, keine KESt und auch keine ESt bei Auszahlung des Kapitals in Rentenform. Neben den steuerlichen Vorteilen bietet die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge 4,25 Prozent staatliche Prämienförderung oder maximal 132,73 Euro für 2022, sowie eine moderate Mindest-Aktienquote. Einstiegshürden gibt es nicht: Schon ab 30 Euro im Monat, für Kinder sogar schon ab 20 Euro im Monat, ist es mit diesem Produkt bei uns möglich, einen Kapitalpolster für später aufzubauen und damit den Lebensstandard in der Pension zu verbessern. Und wenn das Einkommen steigt, kann man seine monatliche Prämie jederzeit einfach entsprechend erhöhen.

Und seit Jänner 2017 gibt es - und das auch bei bestehenden Verträgen - nach Ablauf von zumindest zehn Jahren die Möglichkeit, seine Ansprüche als Einmalprämie für eine Pflegeversicherung zu verwenden. Die Vorteile wie eine komplette Steuerbefreiung und die staatliche Förderung der Zukunftsvorsorge bleiben durch diese Umwandlung erhalten.

Ah, danke, jetzt hab ichs wieder parat, das 2017er-Upgrade hatte ich irgendwie übersehen. Spannend. Trotzdem gibt es vom Versicherungsverband Forderungen oder sagen wir Optimierungsideen: Sie sind ja im Verband als Stv. Vorsitzender der Sektion Leben aktiv und haben sicher mitgetüftelt. Worum geht es da?

Zum einen eine generelle Senkung der Versicherungssteuer in der Lebensversicherung von 4 auf 2 Prozent: Das ist notwendig, da Versicherungsnehmer im anhaltenden Niedrigzinsumfeld durch die Versicherungssteuer in der Höhe von 4 Prozent unverhältnismäßig stark belastet werden. Nachdem die Prämieneinnahmen in der Lebensversicherung aufgrund der seit Jahren schwierigen Rahmenbedingungen deutlich rückläufig sind und damit automatisch auch das Versicherungssteueraufkommen zurückgeht, könnte ein aufgrund verbesserter Rahmenbedingungen wieder ansteigendes Prämienvolumen sowohl den Kapitalmarkt fördern als auch einen Teil des Steuereinnahmenausfalls wettmachen. Die Fristen in § 6 Abs. 1 Z 1a Versicherungssteuergesetz sollten analog zu einer allfälligen, im Regierungsprogramm angekündigten, noch zu erarbeitenden Behaltefrist für eine KESt-Befreiung auf Kursgewinne angepasst werden.

Verstehe. Und ich denke, bei der PZV haben Sie noch andere Reformwünsche, viele Rahmenbedingungen haben sich ja seit 2008 geändert, die Kapitalgarantie ist in diesem Umfeld zum Problem geworden …

Richtig. Um auch in Zukunft den Bedarf nach einem geförderten Vorsorgeprodukt, in Ergänzung zur staatlichen Pension, langfristig und erfolgreich decken zu können, ist eine Reform der PZV erforderlich. Die von Ihnen angesprochene Garantievorgabe liegt immer noch bei 100 Prozent. Das bedeutet, dass das eingezahlte Sparkapital unverändert bis zum Ende der Vertragslaufzeit erhalten bleibt. Das kostet allerdings sehr viel Geld und verringert erheblich das Ertragspotential. Unter den historisch üblichen Bedingungen wurde mit einer Garantie nicht nur der Verlust aus der Veranlagung des Sparkapitals ausgeglichen, die Anleihezinsen ergaben über die Inflationsabgeltung hinaus auch einen Nettoertrag. All das ist schon seit Jahren nicht mehr der Fall. Realistisch ist eine Garantie, die klar unter 100 Prozent liegt, zum Beispiel bei 60 bis 80 Prozent der Einzahlungen. Dann können wir einerseits mit der Garantie dem Bedürfnis nach Sicherheit nachkommen und andererseits, mit dem nicht garantierten Teil, die Möglichkeiten auf den Finanzmärkten nutzen durch die Veranlagung in Aktien und Fonds Erträge zu erwirtschaften. 

Das verstehe ich als kleiner, aber interessierter Asset Manager, aber will das auch die EU-Kommission verstehen, die ja mit dem „Pan-European Personal Pension Product“, kurz PEPP, von Produkten träumt, die aber nicht mal im Traum zu schaffen sind …

(lacht) ..  das haben jetzt Sie gesagt, aber es stimmt schon. Ich hole ein wenig aus, da es ja gut ist, dass die private Altersvorsorge auf EU-Ebene in den Vordergrund gestellt wird. Allerdings soll mit dem PEPP den Kunden weiterhin eine Quasi-Garantie des eingezahlten Sparkapitals und dazu eine Abgeltung der Inflation zugesagt werden. Zweiteres war lange Zeit kein Thema, ist es aber jetzt und wird es auch noch eine Zeit lang bleiben. Und wir dürfen und wollen kein Produkt anbieten, das ein Fehlversprechen darstellt. Wir haben im VVO die Möglichkeiten einer Umsetzung vom Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (ifa Ulm) kalkulieren lassen. Die Expert:innen testeten 20 Produktkonstellationen. Keine davon erfüllte im aktuellen Kapitalmarktumfeld alle Anforderungen an ein PEPP. 

Also eine Abkehr von den 100 Prozent als Idee?

Ja, denn gerade bei einem langfristigen Pensionsprodukt müssen die Veranlagungsvorschriften zukunftsgerecht gestaltet sein, damit die Attraktivität des Produkts für den Kunden und für die Versicherungswirtschaft als institutioneller Investor langfristig gesichert ist. Es sollte daher eine Wahlmöglichkeit über das Ausmaß der Garantie (zB. 60 - 80 Prozent der Prämiensumme) bzw. über die Höhe der Aktienquote geben. Gerade die aktuelle Situation zeigt hier dringenden Handlungsbedarf. Dazu braucht es ein Fördermodell, zB. durch Verdoppelung der staatlichen Prämie. Sowohl die Europäische Kommission als auch die OECD betonen die Wichtigkeit von Steueranreizen für die private Altersvorsorge. Das Fördermodell für die PZV sollte daher die Möglichkeit der Absetzbarkeit der Beiträge und/oder eine staatliche Prämie vorsehen. Die bestehende Steuerfreiheit des Produkts sollte beibehalten werden. Wifo-Experte Thomas Url plädiert wieder das alte Fördermodell einzuführen, also die staatliche Prämie zu verdoppeln. Das würde der Pensionsvorsorge eine neue Dynamik verleihen. Lebenslange Rentenleistungen und die Einhaltung einer Mindestbindefrist müssen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit bzw. die steuerliche Förderung für ein Altersvorsorgeprodukt sein. Ein vorzeitiger Ausstieg sollte möglich sein, aber steuerlich sanktioniert werden (zB. Nachversteuerung). Gerade bei einem langfristigen Pensionsprodukt müssen die Veranlagungsvorschriften zukunftsgerecht gestaltet sein, damit die Attraktivität des Produkts für den Kunden langfristig gesichert ist. Es sollte daher eine Wahlmöglichkeit über das Ausmaß der Garantie (zB. 60 - 80 Prozent der Prämiensumme) bzw. über die Höhe der Aktienquote geben. Darüber hinaus könnte ein gewisser Anteil nachhaltig veranlagt werden. 

Beim Stichwort Nachhaltigkeit müssten Sie doch auf offene Ohren stoßen. Das wäre doch ein Lenkungseffekt.

Es ist ein wichtiges Thema. Die Wiener Städtische hat dieses sehr früh aufgegriffen und als erster österreichischer Versicherer mit ihrer Produktlinie ECO eine nachhaltige Fondspolizze auf den Markt gebracht, die mit dem österreichischen Umweltzeichen ausgezeichnet wurde. Fondspolizzen wie die ECO Select Invest und die s Fonds-Polizze ECO der Wiener Städtischen verbinden individuellen Versicherungsschutz mit Veranlagung in nachhaltige Investmentfonds, sind sehr flexibel und unkompliziert übertragbar. So lässt sich für das Alter und die Familie vorsorgen und man übernimmt Verantwortung für Umwelt, Gesellschaft und künftige Generationen. Und weil Sie den Lenkungseffekt angesprochen haben: In Hinblick auf einen generellen Lenkungseffekt in Richtung einer nachhaltigen Veranlagung sollten auch Lebensversicherungen mit ökologischer und ethischer Ausrichtung – analog zur im Regierungsprogramm vorgeschlagenen KESt-Freiheit für nachhaltige Wertpapier- und Fonds­produkte – steuerfrei sein. 

Sie haben auch von einem Pflegebaustein gesprochen, das habe ich mir notiert, das Thema kommt auf uns alle irgendwann zu ...

Die PZV sollte auf freiwilliger Basis um sogenannte biometrische Bausteine, wie zum Beispiel der privaten Pflegeversicherung oder einer Berufsunfähigkeitsversicherung, erweitert werden können. So kann u.a. ein Beitrag für eine zukunftsorientierte Lösung der so wichtigen Pflegevorsorge geleistet werden. 

Dann noch eine Sicherheitsrückfrage, ob ich es richtig verstanden habe: Die Produkte gibt es bereits jetzt, sie empfehlen sie als Basisinstrument in der Vorsorge auch in der aktuellen steuerlichen Konstellation, wollen aber trotzdem die o.a. Wünsche einer Reform, um die ergänzende private Vorsorge wirklich auf eine breite Basis zu stellen und damit die dritte Säule zu stärken. Richtig? Und Folgefrage dann: Wenn ich jetzt abschließe und Sie bringen Verbesserungen durch, dann gelten diese Upgrades auch für die bereits abgeschlossenen Altverträge?

Aus unserer Sicht ist eine Stärkung der privaten Vorsorgesäule in Österreich mehr als dringend notwendig und im EU-Vergleich haben wir hier noch viel Luft nach oben. Auch wenn weiterhin davon auszugehen ist, dass es auch künftig für jeden eine gesetzliche Rentenleistung geben wird, kann heute niemand sagen, wie hoch diese einmal ausfallen wird. Daher muss es in der Bevölkerung rasch zu einem Umdenken kommen. Denn: Es führt am Sparen bzw. an einer ergänzenden privaten Vorsorge kein Weg vorbei, um finanzielle Lücken im Alter – sei es zur Erhaltung des Lebensstandards oder als zusätzliche Mittel zur Deckung von Pflegekosten – zu schließen oder wenigstens zu verkleinern. Und zu Ihrer Frage, ob eventuelle Reformen auch auf davor abgeschlossene Verträge Anwendung finden würden: Die PZV wurde ja bereits in der Vergangenheit reformiert und da gab es stets die Möglichkeit für Kunden, in die neueste Produktgeneration zu konvertieren. 

Na, dann wünsche ich, dass die Reform der Kapitalmarktsteuern durchgeht und wir auch die Rahmenbedingungen der Vorsorge auf die Konstellation 2022ff endlich anpassen können. Freilich haben Sie als Anbieter von Versicherungen ureigenstes Interesse, das ist klar. Ich sag trotzdem allen danke, die sich bei der Politik anstellen, Ideen einbringen, damit Vorsorge für uns alle mehr Sinn macht.
Das sag ich auch allen Wegbegleitern im Aktienmarkt so. Viel Erfolg uns allen!
 

Worum es den Versicherern geht

Vorab: Der österreichische Versicherungsverband VVO begrüßt die Aussagen des Finanzministers in den Medien, dass es zu einer steuerlichen Entlastung für Investitionen in die Altersvorsorge kommen muss. Dieser Schritt ist längst überfällig und eine langjährige Forderung seitens der Versicherungswirtschaft – wie auch die Steuerfreiheit für nachhaltige Lebensversicherungen.

Neben einer Wiedereinführung einer Behaltefrist für die Kapitalertragsteuerbefreiung für Kursgewinne bei Wertpapieren und Fondsprodukten muss es auch zu Reformen für die private Vorsorge durch Versicherungen kommen. So ist im Regierungsprogramm etwa auch von der Schaffung adäquater Rahmenbedingungen für die private Altersvorsorge die Rede. Die Lebensversicherung ist nach wie vor das wichtigste Instrument für private Vorsorge, daher sollten auch in der Lebensversicherung steuerliche Entlastungen vorgenommen werden. Die anhaltende Niedrigzinsphase, die demografische Entwicklung und die angespannte Budgetsituation würden eine Reform der zweiten und dritten Säule dringend notwendig machen. Darüber hinaus nehme der Gender-Pension-Gap immer noch laufend zu. Frauen, die in Österreich 2020 in Pension gingen, erhalten durchschnittlich monatlich um über 600 Euro weniger als Männer. Zusätzlich kommt den Versicherungen als großen institutionellen Investoren eine Hebelwirkung beim Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu. Für Lebensversicherungen als Instrument der ergänzenden Altersvorsorge braucht es daher steuerliche Anreize und Entlastungen.  Der Österreichische Versicherungsverband VVO hat dazu einen 4 Punkte-Plan erarbeitet, mit dem die private und betriebliche Altersvorsorge gestärkt werden und die Ankündigungen im Regierungsprogramm umgesetzt werden können.

Text: Christian Drastil   Fotos: Josef Chladek

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