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Gesellschaftsrecht: Verkehrswert versus Börsenkurs

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Das Gesellschaftsrecht sieht in bestimmten Fällen (in der Regel um Minderheitsgesellschafter zu schützen) vor, dass ausscheidenden Gesellschaftern eine „angemessene“ Barabfindung anzubieten ist. Bei börsenotierten Gesellschaften wird für die Festlegung der angemessenen Abfindung der Börsenkurs (als Mindestpreis) herangezogen. Der Börsenkurs ist aber nicht in allen Fällen der geeignete Bewertungsindikator, um dem intendierten Gesetzeszweck gerecht zu werden.

Gesellschaftsrechtliche Normierung der angemessenen Barabfindung. Einerseits ist zunächst beim Gesellschafterausschluss (Squeeze-Out) den Minderheitsgesellschaftern gemäß dem GesAusG eine angemessene Barabfindung zu gewähren. Andererseits haben widersprechende Minderheitsgesellschafter ein Austrittsrecht gegen eine angemessene Barabfindung, wenn eine börsenotierte AG auf eine GmbH verschmolzen oder in eine solche umgewandelt wird. Ein solcher Barabfindungsanspruch steht auch jedem einer rechtsformübergreifenden oder grenzüberschreitenden Spaltung oder einer grenzüberschreitenden Verschmelzung widersprechenden Gesellschafter zu. Das (österreichische sowie deutsche) Übernahmerecht ordnet den (gewichteten) durchschnittlichen Börsenkurs (VWAP) dabei als Preisuntergrenze an. 

Die Bedeutung des Börsenkurses bei Illiquidität der Aktie. Allen eben genannten Abfindungsvorgängen ist die gemeinsame Wertung zu entnehmen, dass die Abfindung einen (drohenden) Vermögenseingriff entschädigen soll. Die Abfindung muss einerseits so bemessen sein, dass die Minderheitsaktionäre jedenfalls nicht weniger erhalten, als sie bei einer hypothetischen freien Desinvestitionsentscheidung am Markt erlangen könnten (hypothetische Veräußerungsmöglichkeit). Der Vermögensverlust, den der Minderheitsaktionär durch eine der oben genannten Maßnahmen regelmäßig erleidet oder der ihm dadurch droht, stellt sich für den Aktionär als Verlust des Verkehrswerts der Aktie dar. Bei börsenotierten Aktien ist dieser regelmäßig der Börsenkurs, weil der Börsenpreis als der im Verkehr realisierbare Marktpreis gilt. Denn der Aktionär könnte (im gesetzlichen Idealfall) seine Aktien zum aktuellen Börsenkurs über die Börse verkaufen. Was gilt aber in jenen Fällen, in denen der anteilige Unternehmenswert höher oder niedriger als der Börsenkurs ist? Diese Frage ist nicht nur rein theoretischer Natur, sie beschäftigt mitunter auch die Gerichte. Jüngst hatte sich das OLG Wien in R 01.10.2020, 6 R 78/20i mit der Frage der angemessenen Barabfindung im Rahmen eines Squeeze-Outs zu beschäftigen. Es wird vertreten, dass der Börsenkurs (bei liquiden Aktien) die Untergrenze bildet. Ist der (anteilige) Verkehrswert des Unternehmens höher als der Börsenkurs, wird man den Aktionär aus Gründen der Gleichbehandlung auch am höheren Verkehrswert partizipieren lassen müssen. Besonders häufig treten diese Fragestellungen auch bei außergewöhnlichen Ereignissen - wie der gegenwärtigen COVID-19 Pandemie - auf, wenn die Börsenkurse mitunter auf irrationalem Verhalten der Anleger beruhen oder Wert und Preis aufgrund vielfältiger Ursachen nicht mehr zusammenstimmen. Auch hier müsste (hält man am Desinvestitionswert fest) grundsätzlich gelten, dass der Aktionär nur zum Börsepreis (als Marktpreis) abzufinden ist, vorausgesetzt es liegt ein informationseffizienter, liquider und nicht manipulierter Markt vor. Ist die Aktie aber illiquide, dh der Aktionär ist nicht in der Lage, seine Aktien über die Börse zum aktuellen Börsenkurs zu veräußern, oder liegt eine Marktstörung vor, wird die Richtigkeitsgewähr der Abfindung zum Börsenkurs auf die Probe gestellt. Bei illiquiden Aktien wird der Aktionär zum anteiligen Unternehmenswert abzufinden sein.

Unter Liquidität ist - aus der Kapitalmarktforschung abgeleitet - grundsätzlich ein Markt zu verstehen, an dem Aktien jederzeit in kleinen oder großen Mengen ohne (relevante) Kursabschläge und -aufschläge gehandelt werden können. Demnach zeichnet sich ein liquider Markt im Wesentlichen durch folgende Eigenschaften aus: Markttiefe, Marktbreite, Unmittelbarkeit und Markterneuerungskraft. Als Indikator für die Liquidität bzw. Veräußerungswahrscheinlichkeit eignen sich insbesondere Handelsvolumina bzw. Umsätze (Handelsaktivität), Geld-Brief-Spannen und Liquiditätsraten. 

Stichtags-Börsenkurs vs. Durchschnittskurs. Für die Abgeltung des Marktpreises der Aktie müsste auf den Tageskurs (Stichtags-Börsenkurs) abgestellt werden. Da aber Tageskurse einerseits manipulierbar sind und andererseits ein Abstellen auf den Tageskurs dem (potenziellen) Abfindungspflichtigen einen Gestaltungsspielraum ermöglichen würde, ist statt des Tageskurses – wie dies der Gesetzgeber im österreichischen Übernahmerecht auch ausdrücklich anordnet - auf den (gewichteten) Durchschnittskurs während einer drei- oder sechsmonatigen Referenzperiode (3-Monate/6-Monate VWAP) abzustellen, wodurch Kursbeeinflussungen eliminiert werden sollen. Ein derartiges Vorgehen kann auch für diejenigen (oben erwähnten) gesellschaftsrechtlichen Fälle angedacht werden, in denen der Durchschnittskurs nicht explizit gesetzlich vorgesehen ist.

Autoren:

Vedran Obradović, Rechtsanwalt (LeitnerLaw Rechtsanwälte)

Florian Huber, Wirtschaftsprüfer & Steuerberater, (LeitnerLeitner)

LeitnerLaw Rechtsanwälte | Edthaler Leitner-Bommer Schmieder & Partner Rechtsanwälte GmbH

www.leitnerlaw.at, office@leitnerlaw.at

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