15.07.2017, 5573 Zeichen
Die Veröffentlichung von Quartalszahlen führt oft zu besonders starken Kursbewegungen. Die in diesem Artikel vorgestellte Strategie ermöglicht Gewinne von 160 Prozent pro Jahr.
In den kommenden Wochen wird das Geschehen an den Börsen wieder sehr stark von der Berichtssaison dominiert werden. Die Veröffentlichung von Quartalszahlen führt oft zu starken Kursreaktionen. Naturgemäß fallen diese Bewegungen umso stärker aus, je stärker die Ergebnisse von den Erwartungen der Marktteilnehmer abweichen.
Wie können Trader systematisch von den starken Kursbewegungen rund um die Veröffentlichung von Quartalszahlen profitieren? Die beiden US-Professoren Ivo Ph. Janse und Andrei L. Nikiforov haben im vergangenen Jahr im „Journal of Portfolio Management“ eine Strategie unter dem Titel „Fear and Greed: a Returns-Based Trading Strategy around Earnings Announcements“ vorgestellt, mit der Trader vor Kosten in den vergangenen vier Jahrzehnten im Schnitt eine Überrendite gegenüber dem Gesamtmarkt von 160 Prozent pro Jahr verbucht hätten. Nach Kosten verblieben immerhin noch 95 Prozent pro Jahr.
Die Strategie basiert darauf, auf die Umkehrung von starken Kursbewegungen zu setzen, die im Vorfeld von Quartalszahlen häufig auftreten. Konkret wird dabei die Kursbewegung in den fünf Handelstagen vor der Veröffentlichung der Quartalszahlen unter die Lupe genommen. In der Strategie werden nur die Aktien gehandelt, die in diesen fünf Handelstagen um mindestens fünf Prozent gefallen oder gestiegen sind.
Konkret wird am Tag der Veröffentlichung der Quartalszahlen eine Position eröffnet und am Tag danach wieder geschlossen. Da in den USA die meisten Unternehmen ihre Quartalszahlen nachbörslich veröffentlichen, enthält der Zeitraum für die meisten Aktien auch den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Quartalszahlen.
Ist eine Aktie in den fünf Handelstagen vor Veröffentlichung der Quartalszahlen um mindestens fünf Prozent gefallen, wird eine Long-Position eröffnet. Ist der Kurs hingegen um mehr als fünf Prozent gestiegen, wird eine Short-Position eingegangen. Die Positionen werden am Tag nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen wieder geschlossen.
Die Strategie führt zu beeindruckenden Resultaten: Bei Long-Positionen wird im Schnitt an den beiden Tagen rund um die Veröffentlichung der Quartalszahlen ein Gewinn von 1,49 Prozent verbucht. Bei Short-Positionen beläuft sich der Gewinn auf immerhin 1,32 Prozent. Auf das Gesamtjahr hochgerechnet führt dies zu einer Überrendite von 160 Prozent. Da die Aktien jeweils nur für zwei Tage gehalten werden, treten zugleich hohe Transaktionskosten auf. Aber auch nach Kosten führt die Strategie noch zu einem Gewinn von 95 Prozent pro Jahr, so die beiden Professoren.
Werden im Rahmen der Strategie ausschließlich Aktien von kleinen Unternehmen gehandelt oder werden nur Aktien gehandelt, bei denen die Kurse in den fünf Tagen vor der Veröffentlichung der Quartalszahlen um mindestens 10 oder 15 Prozent gefallen oder gestiegen sind, fallen die Resultate sogar noch besser aus. Ausgewertet wurde der Zeitraum von 1971 bis 2012. Von den insgesamt 42 Jahren konnte immerhin in 40 Jahren mit der Strategie ein Gewinn erzielt werden.
Warum funktioniert die Strategie so gut? Die Professoren führen dies auf systematische Übertreibungen vor den Quartalszahlen zurück. Unbeliebte Aktien mit möglichen negativen Überraschungen werden vor den Quartalszahlen wie eine „heiße Kartoffel“ herumgereicht. Der Kurs sinkt, weil sich viele Marktteilnehmer gleichzeitig vom entsprechenden Papier trennen wollen. Dabei kommt es naturgemäß zu Übertreibungen. Der Kurs sinkt schließlich stärker, als es das Risiko aus den nahenden Quartalszahlen eigentlich rechtfertigen würde.
Bei Aktien, bei denen die Marktteilnehmer mit positiven Überraschungen rechnen, kommt es im Vorfeld der Zahlen hingegen zu einem starken Kaufinteresse, das den Kurs der Aktien stärker als gerechtfertigt nach oben treibt.
Trader, die genau das Gegenteil von dem tun, was der breite Markt tut, stellen den anderen Marktteilnehmer Liquidität bereit und übernehmen ein zusätzliches Risiko dafür, dass sie die vor den Quartalszahlen unbeliebten Aktien kaufen und die beliebten verkaufen. Die Überrendite ist eine Kompensation für dieses zusätzliche Risiko, das die antizyklisch agierenden Trader tragen.
Die im Schnitt erzielten Gewinne von 1,49 Prozent bei Long-Positionen und 1,32 Prozent bei Short-Positionen sind groß genug, damit diese Strategie auch von Privatanlegern profitabel umgesetzt werden kann. Allerdings muss beachtet werden, dass die Gewinne natürlich nur im statistischen Mittel auftreten und keineswegs bei jedem einzelnen Trade. Bei einem einzelnen Trade können durchaus auch prozentual zweistellige Verluste auftreten. Das Kapitalpolster muss groß genug sein, um auch eine Vielzahl von Fehltrades in Folge verkraften zu können. Gleichzeitig muss das Handelsvolumen groß genug sein, um auch nach Transaktionskosten noch profitabel zu sein. In der Praxis dürfte diese Strategie deshalb vor allem für Trader in Frage kommen, die über Handelskonten mit sechs- oder siebenstelligen Beträgen verfügen.
Autor: Oliver Baron, Finanzmarktanalyst bei GodmodeTrader.de.
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Wiener Börse Party #636: Marcel Hirscher läutet wieder die Opening Bell und ich denke dabei an Palfinger und Raiffeisen
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