02.05.2017, 4348 Zeichen
„Fahren Sie auf Sicht. Aber fahren Sie.“ Mit diesem Motto und dieser Emp- fehlung begleiten wir Sie bereits durch das gesamte Börsenjahr 2017. Klassische Vorgangsweise bei der Planung einer Fahrt ist es eine Route vorweg festzulegen. Wichtig ist es aber auch die Bereitschaft mitzubrin- gen von dieser Route abzuweichen – allerdings nur wenn triftige Gründe vorliegen. Dabei gilt es aber keine übereilten Spontanentscheidungen zu treffen. Besser ist es anzuhalten, die Informationen zu verarbeiten und erst dann eine neue wohlüberlegte Vorgangsweise festzulegen. In der Geldanlage ist es ähnlich. Auch hier gilt es sich nicht von den Tagesaktu- alitäten leiten zu lassen, aber dennoch den Willen mitzubringen neue In- formationen zu verarbeiten und gegebenenfalls in eine Anpassung der Geldanlagestrategie einfließen zu lassen. Wir machen daher in diesem Monatskommentar eine symbolische Ruhepause im Rahmen unserer Fahrt, um die wichtigen Informationen zu verarbeiten und die aktuelle Lage zu bewerten.
Die Wirtschaft
Der Internationale Währungsfonds hat die Wachstumser- wartungen 2017 für die Weltwirtschaft jüngst auf 3,5 % erhöht. Dies ist durchaus beachtlich, da in den letzten Jahren Erhöhungen der Wachstumserwartungen eine rare Ausnahme waren. Das mediale Echo war – wie meis- tens bei positiven Nachrichten – überschaubar gering. Bemerkenswert ist derzeit auch, dass die globale Ent- wicklung vergleichsweise synchron verläuft. Die USA sind stabil. Im Bereich der Emerging-Markets gibt es viele in- dividuelle Sonderthemen und Entwicklungen aber die Re- gion in seiner Gesamtheit hat sich eindeutig positiv gefes- tigt. Dazu kommt die EURO-Zone mit vielen Stimmungs- Indikatoren auf dem besten Stand seit fünf oder sechs Jahren. Mit dem mittlerweile sehr unwahrscheinlichen Sieg von Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich scheint eine weitere dunkle Wolke mit Po- tential für massive Marktverwerfungen vorbeizuziehen. Eine weitere Verbesserung der Stimmungsindikatoren in der EURO-Zone in den kommenden Monaten ist daher wahrscheinlich. Im Kontakt mit vielen Unternehmen stelle ich fest, dass das Wort Optimismus im Gegensatz zu den Vorjahren an Häufigkeit massiv zugenommen hat. Im Kopf der Anleger erscheint mir diese Schritt für Schritt stattfindende Veränderung noch nicht angekommen zu sein. Wenig verwunderlich in der medial vermittelten Welt der zahlreichen Krisenherde.
Der US-Dollar
Viele internationale Analystenhäuser haben eine Aufwer- tung des Dollars im Vergleich zum EURO Richtung Parität oder mehr auf der Agenda. Wir teilen das nicht. Wir den- ken vielmehr, dass die Abwärtsrisiken in den vergange- nen
nen Wochen deutlich zugenommen haben. Die Umset- zungskompetenz von Präsident Trump ist überschaubar gering. Lieblingsthemen wie beispielsweise die Steuerre- form werden pompös angekündigt – der reine und konkret rechenbare Informationsgehalt ist dann aber letztendlich eher gering. Ein Detailblick in die zahlreichen US-Wirt- schaftsdaten zeigt doch da und dort leichte Eintrübungen auf hohem Niveau. Wenn die Erwartungen hoch sind, dann ist auch das Potential für Enttäuschungen hoch. Die wiederholten Aussagen der Trump-Administration, dass sich alle Aktionen und Ausgaben durch ein höheres Wirt- schaftswachstum von selbst finanzieren, werden einem Realitätstest nur bedingt standhalten.
Im Gegenzug gibt es geringe Erwartungen an die EURO- Zone. Wenn Erwartungen tief sind, dann sind Überra- schungen leicht möglich. Um symbolisch zu überspitzen: 2 % Wachstum in den USA wären für die USA eine kleine Enttäuschung und für die EURO-Zone eine kleine Sensa- tion. Der Dollar-Aufwertungsprozess im Vergleich zum EURO dürfte daher seinen Höhepunkt überschritten ha- ben. Ob aus dem aktuellen Seitwärtstrend ein Abwärts- trend wird, bleibt abzuwarten.
Die Zinsen im EURO-Raum
Bald fünf Jahre ist es her, dass EZB-Chef Draghi mit sei- ner berühmten Rede („Whatever it takes “) die Füh- rungsrolle der EZB definiert hat. Wenn die EZB aber im Frühherbst 2017 die Strategie für 2018 kommunizieren wird, dann wird man nicht umhinkommen, das Wort Nor- malisierung zu verwenden. Bei einem Wirtschaftswachs- tum von etwa 1,8 % und einer Inflationsrate von ebenfalls um die 1,8 % wäre es geradezu absurd, das Anleihekauf- programm in der aktuellen Form fortzuführen.
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