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Je mehr Trump verliert, desto mehr gewinnt Europa (Robert Halver, Christoph Scherbaum)

Autor:
Christoph Scherbaum

Die Börsenblogger ist das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehntelanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer. Letztlich sind wir alle Börsenfans. Aber wir vertreten in diesem Blog auch eine ganz simple Philosophie: Wir wollen unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus schreiben, was wir zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken, was uns beschäftigt. Das kommt Ihnen, dem Leser, zu Gute.

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28.04.2017, 11608 Zeichen

Trumps erste 100 Tage sind kein politisches Glanzstück: Nach Gesundheitsreform und Grenzmauer zu Mexiko scheint auch seine geplante Steuerreform selbst im republikanischen Sande zu verlaufen. Dagegen scheint Europa eine gewisse politische und konjunkturelle Wiedergeburt zu erleben. Sind also in der Konsequenz europäische Aktien gegenüber den USA erste Wahl?

Trumps propagierte Steuerreform ist auf den ersten Blick zu schön, um wahr zu sein. Die Senkung der Unternehmenssteuerlast von 35 auf 15 Prozent und die Einführung einer geringen pauschalen Einmalsteuer auf nach Amerika zurückgeführte Auslandsgewinne von US-Konzernen würden den Investitionsstandort USA deutlich stärken und sprechen für nachhaltig höhere Wachstumsraten.

Auf den zweiten Blick entstehen über die nächsten 10 Jahre jedoch Haushaltsdefizite von über 5 Bill. US-Dollar. Die smarte Behauptung des US-Finanzministeriums, diese Haushaltslöcher ließen sich über steuersenkungsbedingt höheres Wirtschaftswachstum ähnlich wie bei einem Perpetuum mobile stopfen, ist eine naive Illusion. Diese falsche Wirtschaftsthese wird auch nicht mit dem Verweis auf die Wirtschaftspolitik Ronald Reagans zwischen 1981 und 1989 geheilt, die für sich in Anspruch nahm, mit Steuersenkungen sich selbst finanzierende Wachstumsimpulse geschaffen zu haben. Tatsächlich erforderten die seinerzeit sicherlich robusten Wachstumsraten nicht nur Steuersenkungen, sondern vor allem eine deutliche Neuverschuldung und massiv sinkende Notenbankzinsen sowie Anleiherenditen und damit auch günstige Kreditzinsen.

Der republikanische US-Finanzminister Mnuchin verwendet diese finanzpolitische Wunschvorstellung, um Zustimmung im republikanisch dominierten US-Kongress zu erzielen, der auf haushaltsneutraler Gegenfinanzierung beharrt. Schon für die Grenzmauer zu Mexiko will das Parlament kein Geld bewilligen. Damit haben die Republikaner ein Dilemma: Einerseits wollen sie ideologisch bei der Schuldenaufnahme Haushaltsstabilität zeigen, parteipolitisch können sie andererseits aber auch nicht an einem Komplettscheitern der Steuerreform interessiert sein. Denn diese trüge zur allgemeinen Trump-Ernüchterung bei und könnte nach den Kongresswahlen Ende 2018 zu einer demokratischen Mehrheit führen. Dann wäre eine politische Blockadehaltung in den USA vorprogrammiert und Trump kein starker Präsident mehr. Bis Ende 2018 müssen die Republikaner beweisen, dass sie regieren können.

Wenig Steuerreform, viel Steuerklempnerei

Im Zwiespalt zwischen Neuverschuldung und Steuersenkungen müssen also schon die Republikaner in ihren eigenen Reihen Kompromisse finden. Dass sie nicht mit einer Zunge reden, liegt auch daran, dass sie unterschiedliche Einzelinteressen verfolgen und in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedliche lokale Steuergesetze gelten, die in Wechselwirkung zur nationalen Steuergesetzgebung stehen.

Apropos Schuldenaufnahme, für eine anstehende Anhebung des Schuldenlimits ist im US-Senat auch die Zustimmung der Demokraten erforderlich. Ansonsten droht wie bereits 2013 der sog. government shutdown, d.h. automatische Haushaltseinsparungen und Schließungen staatlicher Behörden. Dieses Zustimmungserfordernis, diesen Trumpf gegenüber Trump, werden sich die Demokraten steuerpolitisch in ihrem Sinne teuer bezahlen lassen.

Bevor schließlich Steueränderungen Anfang 2018 final in Kraft treten können, werden sich die ursprünglichen Steuerpläne Trumps bis zur Unkenntlichkeit verändert und viel an Wirtschaftsstimulanz verloren haben. Wohlweislich hat die US-Regierung auf konkrete Steuerdetails verzichtet.

Auferstanden aus politischen Ruinen: Ist Europa wieder da?

Unterdessen zeigen sich in Europa politische Frühlingsgefühle. Die Erleichterung über die Eindämmung der Eurosklerose nach dem Euro-freundlichen Wahlergebnis in Frankreich dokumentiert sich auch in einer Rückbildung der Risikoaufschläge 10-jähriger französischer zu deutschen Staatsanleihen mit ebenso positiven Ausstrahleffekten auf Italien und Spanien.

Als aktienstützend kommt der Konjunkturoptimismus in der Eurozone hinzu. Die Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor befinden sich auf jeweils mehrjährigen Hochs.

Der ifo Geschäftsklimaindex setzt seine Stärke im April zum dritten Mal in Folge fort und hat damit einen Aufwärtstrend ausgebildet. Auch angesichts einer Stabilisierung der Volkswirtschaften in den Schwellenländern bestätigen die rund 7.000 vom ifo Institut befragten Unternehmen die beste Geschäftslage seit Juli 2011. Gemäß Geschäftserwartungen blicken sie zwar etwas weniger zuversichtlich, aber mindestens stabil auf die nächsten sechs Monate. Setzt man Lage und Erwartungen zueinander in Beziehung, befindet sich die deutsche Industrie insgesamt weiter in der konjunkturellen Zyklusphase „Boom“.

Zukünftige EZB-Politik benutzt US-Notenbank als Blaupause

Die letzte EZB-Sitzung vom 27. April geriet fast zu einem Non-Event. Vor der französischen Stichwahl um das Präsidentenamt am 7. Mai wollte die Notenbank keine irritierenden Aussagen tätigen, die einem Europa-freundlichen Wahlergebnis und einem Kandidaten Macron zuwiderlaufen. Die Aussage Draghis, konjunkturelle Abwärtsrisiken hätten sich zurückgebildet, wurde durch seine Feststellung einer insgesamt unterdrückten Inflation entschärft. Auch seine Bemerkung, dass Anleiheaufkäufe – falls erforderlich – ausgeweitet und/oder verlängert werden können und dass es aktuell keine Notwendigkeit gäbe, Ausstiegsdebatten zu führen, dienten der Beruhigung.

Interessant wird die Geldpolitik der EZB nach einem politischen Wunschergebnis in Frankreich. Bei fortgesetzter Wirtschaftsstabilisierung ist zwar mit einer im Vergleich zum Status quo zurückhaltenderen Ausrichtung zu rechnen. Doch weiß die EZB um die strukturellen Defizite in der europäischen Wirtschaftspolitik, die konjunkturellen Reibungsverluste aus dem Brexit und vor allem um das hohe Niveau der Staatsverschuldung in den südlichen Euro-Staaten, das grundsätzlich niedrige Zinsen erfordert. Die Unterstützung der reformfaulen Fiskalpolitik der allermeisten Euro-Länder für eine grundsätzlich laxe Geldpolitik ist der EZB ohnehin sicher.

Ähnlich wie bei der Fed wird die Wende der EZB sehr behutsam eingeleitet, um die Finanzmärkte nicht zu erschüttern, die sich an die Vollkaskoversicherung der EZB gewöhnt haben. So könnte die EZB auf der nächsten Sitzung im Juni 2017 zunächst ihre Einschätzung von Konjunktur und Inflation positivieren und damit die Notwendigkeit einer weiterhin ultralockeren Geldpolitik verbal in Frage stellen. Nach der Sommerpause könnte die EZB anschließend das Anleiheaufkaufprogramm über Dezember 2017 hinaus zwar verlängern, aber das Ankaufvolumen reduzieren. Erst im Frühjahr 2018 würde die EZB den negativen Einlagenzins für Banken schrittweise von minus 0,4 auf null anheben. Dies ist allerdings keine zinspolitische Restriktion, auch wenn sie so verkauft wird. Denn diese Zinsmaßnahme kommt den Banken auf der Ertragsseite zugute.

Dann bliebe Ende 2018 wohl jede neue Liquiditätsbereitstellung aus. Doch selbst bei vollständiger Einstellung dieses Quantitative Easing wird die EZB nach dem Vorbild der Fed die Geldversorgung der Eurozone auf konstant hohem Niveau belassen. Ein merklicher Netto-Liquiditätsabzug findet nicht statt. Dieser sog. Quexit, also der Ausstieg aus dem Anleiheaufkaufprogramm, ist insofern schmerzfrei.

Der Zinserhöhungszyklus der EZB wird schwach, schwächer am schwächsten

Der Beginn von Zinserhöhungen ist nicht vor 2019 zu erwarten. Und selbst wenn es so weit kommt, wird er ähnlich zurückhaltend ausfallen wie bei der US-Notenbank. Im Übrigen muss sich die Ernsthaftigkeit von Zinserhöhungen immer am Grad der Inflationsbekämpfung messen. Im Augenblick liegen die Notenbankzinsen der EZB weit unterhalb der Inflationsrate. Von einer Preisstabilität anstrebenden EZB kann überhaupt keine Rede sein. Und mit Blick auf die finanzpolitischen Risiken der Eurozone wird die EZB auch zukünftig der Inflationsentwicklung hinterherlaufen (müssen). Aus Angst vor Zinsschocks für die Finanz- und Realwirtschaft kann von wirklich restriktiver Zinspolitik auch zukünftig keine Rede sein. Wie die Fed wird auch die EZB das Motto verfolgen: Wasch mir den Zins-Pelz, aber mach mich nicht nass. Eine Rückkehr zur geldpolitischen Normalität wird es in unserem europäischen Finanzsystem nicht mehr geben.

Marktstimmung – Trumps Pleiten, Pech und Pannen sind ein Gewinn für Aktien aus Europa

Angesichts abebbender politischer Risiken in Europa sowie stabiler Konjunkturdaten einerseits und der Unsicherheit der Trumponomics in den USA andererseits, sind die Aktienmärkte Europas gegenüber den US-Titeln im Vorteil. Die mangelnde Durchsetzbarkeit von Unternehmenssteuersenkungen in den USA bedeutet zudem keinen komparativen Standortnachteil für Europa und Deutschland. Ebenso scheinen Trumps handelsprotektionistische Wünsche im Kongress keine Mehrheit zu finden. Vor diesem Hintergrund ist insgesamt im Trend von einer fortgesetzten Outperformance von DAX gegenüber Dow Jones Industrial Average auszugehen.

Nicht zuletzt spricht die Währungsseite für Investitionen internationaler Anleger in Aktien aus der Eurozone. Ausbleibende Konjunkturimpulse in den USA rechtfertigen keine restriktivere Zinspolitik der US-Notenbank, was den US-Dollar gegenüber Euro stärken würde. Währungsverluste über den Euro sind damit keine Abschreckung für US-Anleger.

Das amerikanische Säbelrasseln in puncto Nordkorea ist zunächst ein Ablenkungsmanöver Trumps von der US-Innenpolitik. Außenpolitisch setzt er damit China unter Druck, auf seinen Verbündeten mäßigend einzuwirken. In der Tat scheint China zu reagieren. Ein heißer Konflikt mit negativen Auswirkungen vor allem auf die Aktienmärkte ist nicht zu erwarten.

Insgesamt bleibt eine zwischenzeitliche Konsolidierung möglich, die aber verhalten ausfällt.

Charttechnik DAX – Neue Allzeithochs fest im Blick

Charttechnisch verläuft im DAX eine erste Unterstützung bei 12.391 Punkten. Darauf folgt die nächste Auffanglinie bei 12.219. Wird diese unterschritten, müssen Kursverluste bis 12.159 und darunter bis zur nächsten Unterstützung bei 12.083 in Betracht gezogen werden. Kann der Index auf der Oberseite die Widerstände bei 12.456 und 12.483 Punkten durchbrechen, ist der Weg zu neuen Allzeithochs bis hin zur Marke von 12.832 Punkten frei.

Der Wochenausblick für die KW 18 – Die Fed hält still

Der von der Finanzmedien-Gruppe Caixin veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe signalisiert eine voranschreitende Stabilisierung der chinesischen Wirtschaft.

In den USA deuten schwache Konsumentenausgaben und Aufträge in der Industrie im März sowie erneut schwächere ISM Indices für das Verarbeitende Gewerbe sowie den Dienstleistungssektor auf keine reibungslose US-Konjunktur hin. Auch der Stellenaufbau dürfte im April seine vormonatliche Schwäche nicht vollständig ausgleichen. Entsprechend wird die US-Notenbank auf ihrer nächsten Sitzung ihren Leitzins nicht weiter anheben und sich auch in puncto Schrumpfung ihrer Bilanzsumme zurückhalten.

In der Eurozone zeugen die BIP-Zahlen für das I. Quartal 2017 von einem soliden konjunkturellen Jahresstart.

Ein Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

 


(28.04.2017)


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DAX Letzter SK:  0.00 ( 0.38%)
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Bildnachweis

1. Donald Trump, Präsident (Bild: Pixabay/MIH83 https://pixabay.com/de/trump-us-präsident-usa-politik-1822121/ )   >> Öffnen auf photaq.com

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    Trumps erste 100 Tage sind kein politisches Glanzstück: Nach Gesundheitsreform und Grenzmauer zu Mexiko scheint auch seine geplante Steuerreform selbst im republikanischen Sande zu verlaufen. Dagegen scheint Europa eine gewisse politische und konjunkturelle Wiedergeburt zu erleben. Sind also in der Konsequenz europäische Aktien gegenüber den USA erste Wahl?

    Trumps propagierte Steuerreform ist auf den ersten Blick zu schön, um wahr zu sein. Die Senkung der Unternehmenssteuerlast von 35 auf 15 Prozent und die Einführung einer geringen pauschalen Einmalsteuer auf nach Amerika zurückgeführte Auslandsgewinne von US-Konzernen würden den Investitionsstandort USA deutlich stärken und sprechen für nachhaltig höhere Wachstumsraten.

    Auf den zweiten Blick entstehen über die nächsten 10 Jahre jedoch Haushaltsdefizite von über 5 Bill. US-Dollar. Die smarte Behauptung des US-Finanzministeriums, diese Haushaltslöcher ließen sich über steuersenkungsbedingt höheres Wirtschaftswachstum ähnlich wie bei einem Perpetuum mobile stopfen, ist eine naive Illusion. Diese falsche Wirtschaftsthese wird auch nicht mit dem Verweis auf die Wirtschaftspolitik Ronald Reagans zwischen 1981 und 1989 geheilt, die für sich in Anspruch nahm, mit Steuersenkungen sich selbst finanzierende Wachstumsimpulse geschaffen zu haben. Tatsächlich erforderten die seinerzeit sicherlich robusten Wachstumsraten nicht nur Steuersenkungen, sondern vor allem eine deutliche Neuverschuldung und massiv sinkende Notenbankzinsen sowie Anleiherenditen und damit auch günstige Kreditzinsen.

    Der republikanische US-Finanzminister Mnuchin verwendet diese finanzpolitische Wunschvorstellung, um Zustimmung im republikanisch dominierten US-Kongress zu erzielen, der auf haushaltsneutraler Gegenfinanzierung beharrt. Schon für die Grenzmauer zu Mexiko will das Parlament kein Geld bewilligen. Damit haben die Republikaner ein Dilemma: Einerseits wollen sie ideologisch bei der Schuldenaufnahme Haushaltsstabilität zeigen, parteipolitisch können sie andererseits aber auch nicht an einem Komplettscheitern der Steuerreform interessiert sein. Denn diese trüge zur allgemeinen Trump-Ernüchterung bei und könnte nach den Kongresswahlen Ende 2018 zu einer demokratischen Mehrheit führen. Dann wäre eine politische Blockadehaltung in den USA vorprogrammiert und Trump kein starker Präsident mehr. Bis Ende 2018 müssen die Republikaner beweisen, dass sie regieren können.

    Wenig Steuerreform, viel Steuerklempnerei

    Im Zwiespalt zwischen Neuverschuldung und Steuersenkungen müssen also schon die Republikaner in ihren eigenen Reihen Kompromisse finden. Dass sie nicht mit einer Zunge reden, liegt auch daran, dass sie unterschiedliche Einzelinteressen verfolgen und in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedliche lokale Steuergesetze gelten, die in Wechselwirkung zur nationalen Steuergesetzgebung stehen.

    Apropos Schuldenaufnahme, für eine anstehende Anhebung des Schuldenlimits ist im US-Senat auch die Zustimmung der Demokraten erforderlich. Ansonsten droht wie bereits 2013 der sog. government shutdown, d.h. automatische Haushaltseinsparungen und Schließungen staatlicher Behörden. Dieses Zustimmungserfordernis, diesen Trumpf gegenüber Trump, werden sich die Demokraten steuerpolitisch in ihrem Sinne teuer bezahlen lassen.

    Bevor schließlich Steueränderungen Anfang 2018 final in Kraft treten können, werden sich die ursprünglichen Steuerpläne Trumps bis zur Unkenntlichkeit verändert und viel an Wirtschaftsstimulanz verloren haben. Wohlweislich hat die US-Regierung auf konkrete Steuerdetails verzichtet.

    Auferstanden aus politischen Ruinen: Ist Europa wieder da?

    Unterdessen zeigen sich in Europa politische Frühlingsgefühle. Die Erleichterung über die Eindämmung der Eurosklerose nach dem Euro-freundlichen Wahlergebnis in Frankreich dokumentiert sich auch in einer Rückbildung der Risikoaufschläge 10-jähriger französischer zu deutschen Staatsanleihen mit ebenso positiven Ausstrahleffekten auf Italien und Spanien.

    Als aktienstützend kommt der Konjunkturoptimismus in der Eurozone hinzu. Die Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor befinden sich auf jeweils mehrjährigen Hochs.

    Der ifo Geschäftsklimaindex setzt seine Stärke im April zum dritten Mal in Folge fort und hat damit einen Aufwärtstrend ausgebildet. Auch angesichts einer Stabilisierung der Volkswirtschaften in den Schwellenländern bestätigen die rund 7.000 vom ifo Institut befragten Unternehmen die beste Geschäftslage seit Juli 2011. Gemäß Geschäftserwartungen blicken sie zwar etwas weniger zuversichtlich, aber mindestens stabil auf die nächsten sechs Monate. Setzt man Lage und Erwartungen zueinander in Beziehung, befindet sich die deutsche Industrie insgesamt weiter in der konjunkturellen Zyklusphase „Boom“.

    Zukünftige EZB-Politik benutzt US-Notenbank als Blaupause

    Die letzte EZB-Sitzung vom 27. April geriet fast zu einem Non-Event. Vor der französischen Stichwahl um das Präsidentenamt am 7. Mai wollte die Notenbank keine irritierenden Aussagen tätigen, die einem Europa-freundlichen Wahlergebnis und einem Kandidaten Macron zuwiderlaufen. Die Aussage Draghis, konjunkturelle Abwärtsrisiken hätten sich zurückgebildet, wurde durch seine Feststellung einer insgesamt unterdrückten Inflation entschärft. Auch seine Bemerkung, dass Anleiheaufkäufe – falls erforderlich – ausgeweitet und/oder verlängert werden können und dass es aktuell keine Notwendigkeit gäbe, Ausstiegsdebatten zu führen, dienten der Beruhigung.

    Interessant wird die Geldpolitik der EZB nach einem politischen Wunschergebnis in Frankreich. Bei fortgesetzter Wirtschaftsstabilisierung ist zwar mit einer im Vergleich zum Status quo zurückhaltenderen Ausrichtung zu rechnen. Doch weiß die EZB um die strukturellen Defizite in der europäischen Wirtschaftspolitik, die konjunkturellen Reibungsverluste aus dem Brexit und vor allem um das hohe Niveau der Staatsverschuldung in den südlichen Euro-Staaten, das grundsätzlich niedrige Zinsen erfordert. Die Unterstützung der reformfaulen Fiskalpolitik der allermeisten Euro-Länder für eine grundsätzlich laxe Geldpolitik ist der EZB ohnehin sicher.

    Ähnlich wie bei der Fed wird die Wende der EZB sehr behutsam eingeleitet, um die Finanzmärkte nicht zu erschüttern, die sich an die Vollkaskoversicherung der EZB gewöhnt haben. So könnte die EZB auf der nächsten Sitzung im Juni 2017 zunächst ihre Einschätzung von Konjunktur und Inflation positivieren und damit die Notwendigkeit einer weiterhin ultralockeren Geldpolitik verbal in Frage stellen. Nach der Sommerpause könnte die EZB anschließend das Anleiheaufkaufprogramm über Dezember 2017 hinaus zwar verlängern, aber das Ankaufvolumen reduzieren. Erst im Frühjahr 2018 würde die EZB den negativen Einlagenzins für Banken schrittweise von minus 0,4 auf null anheben. Dies ist allerdings keine zinspolitische Restriktion, auch wenn sie so verkauft wird. Denn diese Zinsmaßnahme kommt den Banken auf der Ertragsseite zugute.

    Dann bliebe Ende 2018 wohl jede neue Liquiditätsbereitstellung aus. Doch selbst bei vollständiger Einstellung dieses Quantitative Easing wird die EZB nach dem Vorbild der Fed die Geldversorgung der Eurozone auf konstant hohem Niveau belassen. Ein merklicher Netto-Liquiditätsabzug findet nicht statt. Dieser sog. Quexit, also der Ausstieg aus dem Anleiheaufkaufprogramm, ist insofern schmerzfrei.

    Der Zinserhöhungszyklus der EZB wird schwach, schwächer am schwächsten

    Der Beginn von Zinserhöhungen ist nicht vor 2019 zu erwarten. Und selbst wenn es so weit kommt, wird er ähnlich zurückhaltend ausfallen wie bei der US-Notenbank. Im Übrigen muss sich die Ernsthaftigkeit von Zinserhöhungen immer am Grad der Inflationsbekämpfung messen. Im Augenblick liegen die Notenbankzinsen der EZB weit unterhalb der Inflationsrate. Von einer Preisstabilität anstrebenden EZB kann überhaupt keine Rede sein. Und mit Blick auf die finanzpolitischen Risiken der Eurozone wird die EZB auch zukünftig der Inflationsentwicklung hinterherlaufen (müssen). Aus Angst vor Zinsschocks für die Finanz- und Realwirtschaft kann von wirklich restriktiver Zinspolitik auch zukünftig keine Rede sein. Wie die Fed wird auch die EZB das Motto verfolgen: Wasch mir den Zins-Pelz, aber mach mich nicht nass. Eine Rückkehr zur geldpolitischen Normalität wird es in unserem europäischen Finanzsystem nicht mehr geben.

    Marktstimmung – Trumps Pleiten, Pech und Pannen sind ein Gewinn für Aktien aus Europa

    Angesichts abebbender politischer Risiken in Europa sowie stabiler Konjunkturdaten einerseits und der Unsicherheit der Trumponomics in den USA andererseits, sind die Aktienmärkte Europas gegenüber den US-Titeln im Vorteil. Die mangelnde Durchsetzbarkeit von Unternehmenssteuersenkungen in den USA bedeutet zudem keinen komparativen Standortnachteil für Europa und Deutschland. Ebenso scheinen Trumps handelsprotektionistische Wünsche im Kongress keine Mehrheit zu finden. Vor diesem Hintergrund ist insgesamt im Trend von einer fortgesetzten Outperformance von DAX gegenüber Dow Jones Industrial Average auszugehen.

    Nicht zuletzt spricht die Währungsseite für Investitionen internationaler Anleger in Aktien aus der Eurozone. Ausbleibende Konjunkturimpulse in den USA rechtfertigen keine restriktivere Zinspolitik der US-Notenbank, was den US-Dollar gegenüber Euro stärken würde. Währungsverluste über den Euro sind damit keine Abschreckung für US-Anleger.

    Das amerikanische Säbelrasseln in puncto Nordkorea ist zunächst ein Ablenkungsmanöver Trumps von der US-Innenpolitik. Außenpolitisch setzt er damit China unter Druck, auf seinen Verbündeten mäßigend einzuwirken. In der Tat scheint China zu reagieren. Ein heißer Konflikt mit negativen Auswirkungen vor allem auf die Aktienmärkte ist nicht zu erwarten.

    Insgesamt bleibt eine zwischenzeitliche Konsolidierung möglich, die aber verhalten ausfällt.

    Charttechnik DAX – Neue Allzeithochs fest im Blick

    Charttechnisch verläuft im DAX eine erste Unterstützung bei 12.391 Punkten. Darauf folgt die nächste Auffanglinie bei 12.219. Wird diese unterschritten, müssen Kursverluste bis 12.159 und darunter bis zur nächsten Unterstützung bei 12.083 in Betracht gezogen werden. Kann der Index auf der Oberseite die Widerstände bei 12.456 und 12.483 Punkten durchbrechen, ist der Weg zu neuen Allzeithochs bis hin zur Marke von 12.832 Punkten frei.

    Der Wochenausblick für die KW 18 – Die Fed hält still

    Der von der Finanzmedien-Gruppe Caixin veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe signalisiert eine voranschreitende Stabilisierung der chinesischen Wirtschaft.

    In den USA deuten schwache Konsumentenausgaben und Aufträge in der Industrie im März sowie erneut schwächere ISM Indices für das Verarbeitende Gewerbe sowie den Dienstleistungssektor auf keine reibungslose US-Konjunktur hin. Auch der Stellenaufbau dürfte im April seine vormonatliche Schwäche nicht vollständig ausgleichen. Entsprechend wird die US-Notenbank auf ihrer nächsten Sitzung ihren Leitzins nicht weiter anheben und sich auch in puncto Schrumpfung ihrer Bilanzsumme zurückhalten.

    In der Eurozone zeugen die BIP-Zahlen für das I. Quartal 2017 von einem soliden konjunkturellen Jahresstart.

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